/lrbeiterzug. von Sugtn Lehmann. Karlsruhe . Die Sirenen gell verstummten. Müde Menschen heimwärt» gehn— Dort beim Stationsgebäude Andre ruhig wartend stehn. Anfaucht die Lokomotive wie»in feuerschwangrer Stier; rote Funken wild gen chimmel schnaubt da« starr-lebend'g« Tier. Schnell gekuppelt sind die Wagen, und der Zug steht sahrtberelt. Fern im Westen glänzt der Sonne letzt« hetl'g« Herrlichkeit. Singepiegen sind nun all«. Nicht ein Plätzchen mehr ist frei; Pfeifen qualmen, Ruhe waltet, ad und zu«in Wort dabei. O wie schön sind Echwielenhänd», ineinander still gelegt; denn der Arbeit Gottesabel ist verdient aus sie gepräg«. .Yertigl'-Auj«, Türen schlagen, Nick! der Zug fährt langsam an— Fried« sitzt in jedem Wagen — Und ein Tagwert ist getan. Zrenöe am Schulbesuch. wie man sie anerziehen muH. von Losi» Lazarsseld(Wien ). Ein vesuch im Haus« einer befreundeten Familie, deren Kind« in die untersten Bolksschulklassen gehen, zeiat« mir dies« Kinder, wi« st« mit«inigen Freunden gerade Schul« spielten. Al» ich ein« trat, sagt« der»Lehrer' einem der Kinder mit vorwurfsvoller Stimme:»Schämst du dich nicht, wie kannst du nur io wa« tun!' Der also angeredete Knirps stand recht trotzig da, schien sich in keiner Weise zu schämen und rief endlich hinaus zum„Katheder': .Kannst dich selber schämen, dasi du so zu mir bist!' Daraus ßrofjer Ausruhr wegen Respektsverletzung gegenüber dem Lehrer. Der Vorfall, der diese Szene hervorgerufen hatte, war mir unbekannt, aber das Bild, das er vor mir entrollt hatte, machte mich nachdenklich. Ich dachte darüber nach, woher die Kinder diese Ein- pevung wohl hatten, und mir war klar, daß der Kleine, der den Lehrer spielt», daran gewöhnt war, die Lehrer in der Schule in vorwurfsvollem Ton zu den Schülern reden zu hören, denn Kinder kopieren unwillkürlich ziemlich genau, wenn sie Erwa«bsene spielen. Ich erinnerte mich eine, zweijährigen Jungen, der seinen Hans- wurst in die Sosaecke gedrückt hatte mit den Worten:„Da bleibst du sitzen und rührst dich nicht, keinen Mucks!' Und ich wußte, daß r» die wörttiche Wiederholung der Ermahnung war, die dieser Lunge von seiner Mutter zu hören bekam. Da wurde mir wieder einmal so recht deutlich bewußt, wie viel wi r sündigen, wenn wir unsere Kinder durch Ermahnungen erziehen wollen anstatt durch Beispiel. Im Haus« einer Freundin war einmal helle Verzweiflung, weil der Junge, der bei Entfernung eine« Holz- spiitters au« dem Finger mörderisch schrie und um sich haute, der ermahnenden Mutter zurief, sie solle ihn in Ruhe lassen, sie sei auch nicht bester. Man war entsetzt über dies«»Frechheit' de» Kindes und doch hatte er nur die Wahrheit gesagt, denn er war wieberholt Zeug« der Wehleidigkeit und Aengstlichkelt der Mutter gewesen. Diese überempfindlich« Mutter verlangt« jetzt von ihrem Jungen Haltung und war sehr gekränkt, sie nicht zu finden, trotz- dem sie ihn doch so reichlich dazu ermahnte. Ich mußt« an«inen Ausspruch de« großen Dichters Heinrich von Kleist denken, der»Di« »nverhosft« Wirkung' heißt und lautet: .Wenn du die Kinder ermahnst, so meinst du. dein Amt s«i erfüllet. Weißt du, wa» sie dadurch lernens— Ermahnen, mein Freund l' Wenn wir also wollen, daß unser« Kinder nicht da» Er- mahlten zu den Dingen erlernen, sondern die Ding« selbst, zu deren Ausübung wir sie anhalten, so müsten wir da», Kl Schule und Hau», ander« tun al« mit Worten. Wir müsten ihnen zeigen, wie man da» tut, wa« wir von ihnen verlangen._ In «riter Linie ist das natürlich Sache, de» Elternhaus««, und e» müßte »oe rst« r G r u n d sa tz sein, von einem Kinde n i e m ak» mehr zu sordeni, als man ihm zu zeigen vermag. Das kllngt im ersten Anschein befremdlich, denn, wird man fragen, was verlangen wir denn schon von so eiirem Kind« Großes? Da» ist nun ganz falsch gesehen, denn wir verlangen wirklich Großes: angespannt« Aus- merksamkeit für Dinge,, die da« Kind nicht selbst gewählt hat sda» ist schon etwas, was zu leisten uns reichlich schwer fällt), dann verlangen wir, daß es sein Vergnüge» hintansetzt, um erst seine Ausgabe» zu erledigen(auch etwas, wa» wir nicht immer üben), vor allem aber muß da» Schulkind morgens früher»vfstehen als Ihm lieb ist, eine Forderung, die durch ihre tägtich« Wiederholung nicht a» Annehmlichkeit gewinnt und die zu erfüllen uns selbst auch nicht immer leicht ist. Das sind lauter große Ansprüche an Disziplin, Energie und Ausdauer des Kindes. Wie wenige Eltern haben ihr Teil dazu geleistet, die vorerwähnten Eigenschaften im Kind zu wecken und großzuziehen. Wie selten hat das Kind Gelegenheit, seine Um- gebung in diesem Sinne zum Muster zu nehmen. Da Ist es denn kein Wunder, wenn so oft die Klage zu hören ist, daß die Kinder ungern zur Schule gehen und dort versagen. Wie viele nervöse Erkrankungen, z. B. das Erbrechen am frühen Morgen, wieviel Grund zu Unfrieden, z. B. das Zuspätzurschulekommen, das Ver- trödeln und Verlieren der Schulrequisiten, haben den alleinigen Grund darin, daß das Kind sür die Ausgaben der Schul« nicht genügend vorbereitet ist. Wie glatt und leicht wickelt sich hingegen der Forlgang in der Schule bei den glücklichen Kindern ab, deren Eltern(und es sind vor allem die Mütter, denen diese Anleitung zukäme) es verstanden haben durch ihr Beispiel, durch die Stimmung, die im Haus« herricht, Freud » an der eigenen Leistung beizubringen. Eine große Erleichterung für das Kind ist es auch, wenn di« Mutter Ihr selbst noch unbekannt« Dinge m I t I e r n t»nd so da» Kind lehrt, Schwierigkelten zu überwinden, mit einem Wort, wenn sie da« Kind lehrt zu lernen. In der Volksschule wird zu diesem Punkt, besonder» In Wien » dank der vorzüglichen Schulresorm der sozialdemokratischen Stadt- verwattung. Segensreiches geleistet, aber im Hau« wir» noch oft so manche« versäumt und unterlassen, wa» den Kindern Erleichterung ihrer Pflichten schassen könnte, selbst den am meisten belasteten, di« in der Hausarbeit viel mithelfen müssen. Gebt ihnen durch«u«r Beispiel Mut zu ihrer Arbeit, und uxnn sie doch nicht imm«r nachkommen, dann sucht den Fehler nicht allein bei ihnen, sondem fragt«uch sofort und vor allem: Was Hab« ich, wa» hat die Um- gebung des Kindes versäumt? Hat man erst gelernt, in»er richtigen Art zu such«», dann slnd«t man auch leicht die Mittel, dl« nötig sind, um dem Schulkind zu geben, wa» für seine gesund« Eni- Wicklung da» Wichtigste ist, die Freud « an der Schul«. Gefühl und verstand l Wir erhalten solgend« Zuschrift: In der.Frauenstimme' stand letzthin»In Artikel:„Vesühl oder Verstand?' Dort waren gefühls- und verstand, mähige Ein- stellung zum Sozialismus einander gegenübergestellt. Sind sie wirtlich Gegensätze? Sie sind es freilich dann, wentt man. wie der Aufsatz es getan» verschwommenes, sentimentales Hinneigen zum Sozialismus und Sympathisieren mit ihm ohne die tiefempsunden« Verpflichtung zur Mitarbeit als Gefühl bezeichnet. Dann kann man freilich dl« Forderung ausstellen: Nicht Gesühlssozialisten. sondern Lerstandes- lozialisten! Aber wird das schöne Wort Gefühl nicht in diesem Zu- sammenhang mißbraucht, sollte man nicht zutreffender von Stim- m u n g« sozialisten sprechen? Keine große Bewegung kann nur aus verstandesmäßig« Er- k«nntnis allein begründet werden. Am allerwenigsten, eine Be- weguna, die. wi« die sozialistische, größte Opfer und Hingabe von Ihren Anhängern gefordert hat. Die Märtyrer des Sozialisten- aesetzes wa-en zweifellos nicht nur„Verstandesfozlaliften'. sondern In viel stärkerem Maße Gefühlssozialisten. Und heut« fühlen wir Sozialisten uns mehr und mehr al» Träger einer neuen Kultur und Menlchheitsgemeinschast. Von diesem Wollen her erhält die»Umwälzung de» ökonomischen Unter- baues'«rst ihre Berechtigung und ihren letzt«« Sinn. Wir wollen au» der Arbeiterschaft nicht ein sattes Kleinbürgertum, sondern neue Menschen schaffen. Unsere sozialistisch« Jugend empfindet am tiessten, nicht allein aus Unterdrückung und«irtschastlicher Not, sondern auch au» einseitigem Lerstandeskult der kapitalistischen Um- well heraus d!« Sehnsucht nach einer menschlichen Demcinschosts- ordnung. Hier sind Triebkräfte lebendig, die noch über Gefühl und Verstand hinaus den ganzen Menschen bis in die Wurzeln seine» Wesen» hinab erfassen. 2n unseren großen Arbeiters esien und unseren Arbeiterdichtern wird diese« Neu« zum erstenmal vor- ahnend Gestalt. Wir Frauen aber find von diesem Hauch de» neuen Wesen» noch am wenigsten berührt. Wir pendeln noch zwischen den beiden Extremen, dl« fast die einzigen Möglichkeiten der»ergangenen Epoche darstellten: verstand und Stimmung,«nd weil uns di« Gelegenheiten zur Lerstandesbildung fast völlig»erschlossen waren, schlägt die Wagschol« meist zugunsten der Sttmmung au». In diesem Sinn« war b!« Kritik des Bersasier,»on»Gesühl oder Ver- stand?' voll berechtigt. Di« Frauenagitation rechne«, manchmal aar zu bequem nur aus die Stimmung und vernachlässigt« dl«»er- standesviäßige Ausbildung. Allerdings fand sie dabei in der see- lische» Beschaffenheit der wenig vorgebildeten und surchtbor a» beitsüberlosteten Frauen»in« Entschuldigung. Heute aber gilt es, bewußt neu« Wege zu b«schr»tt«n gort mit der Sil n, mung» mach«, und Gefühl und Verstand jede» an seinem Ort! Klarheit und Wissen um D-nge ter Politik und Wirtschaft sei in unserer Frauenarbeit, Erlebnis d« Kommenden in unseren Feiern. Dann können wir beides in höherer Syuthefe oereinigen: Gesühl und Velstandl y. E.
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