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Kampf öer MmöerwertigkeLt! Die gewaltigen Fortschritte de« Maschinenzeitalters haben das Machtgefuhl de« Kapitalismus  , als auch das persönliche Gefühl der Ueberlegenheit des Mannes ins Unnatürliche gesteigert. Und dieser zwiefältigen Machtüberlegenheit stehen zwei Wenschengruppen hilflos gegenüber, nämlich das Weib und das Kind- Denn beide, das Kind im allgemeinen und das Weib iin speziellen, besitzen weder Machtmittel noch Autorität, sie haben nichts als nur sich selbst in die Wagschal« der allgemeinen Beurteilung zu werfen. Und da sie ihre eigene Persönlichkeit mit dem gering- schädigen Maße ihrer Umgebung und unter dem Gesichtswinkel alter Vorurteile messen, wird in ihnen, fast unbewußt, ein bitteres M i n d e r w e r t i g ksi te g es ühl wach, da» ihnen die Kraft zu ernstem Wollen und den Mut zu sich selber nimmt. Beide Gruppen leiden besonders stark, sofern sie zum Proletariat gehören. Sie sind ja der Willkür und Ueberlegenheit männlicher und kapitalistischer Ueberhebung schutzlos preisgegeben. Das Kind fühlt sich, sobald es zu denken beginnt, dem Lebenechaos gegenüber stets unsicher und bleibt am liebsten in seiner eigenen kindlichen Welt. Durch seine Umgebung und durch oi« gegenwärtige Gesellschaftsordnung in freier Entwicklung ge- Iiemmt, trankt es von Jugend aus an den sogenannten Milieu« chäden, die nicht nur geistige, sondern auch Organschäden ver- anlassen. Durch Vergleich mit anderen Kindern und deren Spott werden ihm leine geistigen Mängel und körperlichen Schäden be- «ußt und seine Selbsteinschätzung fällt von Tag zu Tag niedriger aus. Durch allerhand Verzerrungen und Schiefheiten der Umgebung wird es ganz von dem Gefühl der Minderwertigkeit überwältigt und nur schwer wieder davon frei,»«mal da der Erziehurrgsmodus der alten Schul« sich nicht um die Seele de» Kindes kümmert. Im Gegentell, der Lehrer als Autorität bestärkt das Minder- wertigkeitsgefühl des Kindes, indem er es gewohnheitsmäßig vor sich selbst erniedrigt und ollen Stolz und Glauben an sich selbst in ihm tötet. Das Proletarierweib ist durch die jetzige Plutokratie nicht nur sozial, sondern auch wirischastlich und sexuell ganz und gar vom Manne abhäimig. Obwohl auch der proletarische Mann durch die heutige Gesellschaftsordnung von kultureller Mitproduktion aus- geschlossen ist, genießt er noch immer mehr Rechte und Freiheiten al» die Frau. Die kleinbürgerliche Denkweise vieler Pro- letarlersrauen ist die Ursache, daß sie sich still und stumpf der Verfügungsgewalt des Mannes fügen; und wenn man sie fragt, mit welchem Menschenrecht der Mann diese Autoritätsgewalt über sie ausübt, dann hört man al» Antwort, daß es doch s ch o n i m m« r so gewesen fei, und da die Frau ja gesetzlich so viel rechtloser al» der Mann sei, müsi« sie doch auch geisria minderwertiger sein. Dies« Denkweise dreht sich wie«in ewiger Kreislauf herum und ver« erbt sich von Geschlecht zu Geschlecht, wenn die Frauen sich nicht selbst dagegen«oehren. Also aus zum Kampf gegen die Minderwertigkeit, ihr Mädchen und Frauen! Diesen Kampf müssen wir selbst aussechten. Fort mit der alten, anerzogenen Denkweise, ihr Frauen! Schafft euch«igen« vegrisfe! Lernt selbst klar und praktisch denken! Uebt euch darin an einfachen, oraktischen Dingen, damit der vllck stch erweitert! Ruft euch irgendein Erlebnis,«ine Begegnung Mit irgendeinem Menschen ins Gedächtnis zurück und denkt darüber bis in alle Einzelheiten nach,«troo fünf oder zehn Minuten lang, Und laßt die Gedanken nicht davon fvrtschweisen, was sie so sehr gern tun. Aus dies« Weise wird sich bei regelmäßiger täglicher Denk- Übung bald von selbst«in klares Denkvermögen einstellen. Und ihr werdet dann auch selbst erkennen, au» welchen Gründen Unser« Gesellschaftsordnung bemüht ist, die breite Malse des Volkes in geistigem Dunkel zu belaflen! Um da» Minderwertigkeitsgefühl in Selbstbewußtsein zu ver- Edeln, bedarf es vor allem erhöhter geistiger Arbeit. W. Förster sagt z. B.:Es gibt gar keinen Beruf im Leben, nicht in«nen geistigen Beruf verwandelt werden könnte durch Art, wie man st« auffaßt und in Beziehung setzt zu dem, wa« allein Wert hat im Leben, der Kultur des Charakters." Und Alfred Adler   beweist uns in feinem Buch:Studie wer Minderivertigteit von Organen"(Derlag Urban u. Schwarzen- derg, Wien   IM), daß jedes von Ratur mlndenvertige Organ im Gebiete des Biologischen die Tendenz hat, dies« Minderwertigkeit auszugleichen, durch gesteigerte Leistung m komoensieren. Da» Zentralnervensvstem überniinmt es. dielen Ausgleich zu be- iverkstelligen. wenn vis natürlichen Gegebenhetten des Organs nicht ausreichen. So sehen wir den stotternden Demosthenes zum größten Redner Griechsillands sich entwickeln, den gelähmten StUicho zum Mächtigen Feldherrn, den ohrerileldenden, später tauben Beethoven  zum bedeutendsten Musiker. Die Kompensation findet aus dem Ge- biete statt, wo die Minderweptigkelt liegt, und die natürlich schwache Leistungsfähigkeit wird zu künstlich erhöhter Leistung angespornt. Uno weil das Weib als Mutter durch lhre Denk- und Lebens- weise dem neuen, kommenden Geschlecht die Kraft des Selbstbewußt- feins wesentlich erhöhen oder zerstören kann, darum ist das Weib als Mensch, heute mehr als je, dazu verpflichtet, sich ails dem Zu­stand der Abhängigkeit zu befreien. Ihr dürft euren Wert als Mensch nie nach äußerem Besitz einschätzen. Denn am verächtlichsten bleibt das Perlengnen eures Selbst. Ganz gleich, ob Ruf oder Stellung gefährdet werden, wenn du dich nur offen zu dem bekennst, was du in Wahrheit bist. Nicht kriechen vor denen die da mehr besitzen, nicht mit Hoch­achtung nach denen fchieten, die in Pelz und Seide«in Drohnen- leben führen. Nein, nein und abermals nein, sie sind nicht einen Deut mehr wert als du und ich. Und ihr mitunter auf unehrenhafte Weis« erworbener Besitz darf uns weder Neid noch Hochachtung ad- nötigen. Denn, wenn dies der Fall wäre, dann wären wir tat- sächlich minderwertig. Alles hängt von der Einstellung ab. Jeder ist fo elend, wie er glaubt" fagt Seneca  . Darum auf zum Kampfe gegen die Minderwertigkeit! Fried«! Schneider. Margaret Cchel Macöonalü. Ein Buch, in dem Macdonald ein Lebensbild seiner iin Jahre 1S11 verstorbenen Frau cirfzeiämct, ist kürzlich In deutscher Ueber- fetzung erschienen.*) Ein Frauenlobsn, voll von ernstem Idealismus, enthüllt sich vor unseren Austen. Mütterlichkeit im weitesten Sinn des Wortes. Hilf»- unv Opferbereitschaft, das waren die Grund- pfeller dieses Lebens. Margaret Ethel Macdonald«ntstammte einer streng gläubigen Familie, in der«in starkes Interesse an wissen« fchaftlichen Fragen Tradition war. Schon in ihrer frühesten Er» ziehung«virkte des wohlhabenden Vaters Fürsorge für di« Armen als Vorbild auf st««in. Von den Uoberiieferungen ihrer Familie entfernt« sie sich, al» ihre erzieherische Tätigkeit in Arinenschuien ihr die starken sozialen Unsterechtigkeiten immer bewußter macht«. Vorurteilslos versuchte sie den Wurzeln des Hebel« nachzugehen. Di« Tochter aus reichem konfervatwen Haus kam zu Gedankengängen, die sich immer inniger berührten mit der sozialistischen   Ideenwelt, wie sie in der jungen, aufstrebenden Arbeiterpartei lebte.Mein Sozialismus erwächst ganz aus meiner Religion", fchrieb sie in jener Zeit, und zeitleben» blieb sie eine überzeugte, leidenschaftliche Christin. Durch di« Hand Macdonalds ließ sie der Arbeiterpartei Mahlgelder zukommen, lernt« ihn bald darauf persönlich kennen und heiratet« ihn«in Jahr später. Ihr Heim wurde zum Mittelpunkt eine» großen Freunde»- kreifes, der sie mit allen Teile»» der Welt verband. Weite Reis« führten sie nach Ameritn, Südafrika  , Australien   und Indien  . Fast oll« Kongresse der sozialistischen International« besuchte sie. Jchre Hauptarbeit lag«n«f sozialpolitifchem Gebiet. Sie stellte gründliche Untersuchungen an über die besonderen Arbeits- und Lebensverhälb ntfle der Frauen in verschiedenen Berufen(Kellnerinnen, Friseusen, Hausangestellte, Fabrikarbelterinnen, Arbeiterinnen in Buchdruck«- reien, Heimarbeiterinnen). Besonderes Interesse brachte sie der ge- werblichen Ausbildung der Mädchen entgegen. Macdonald schreibt, daß sse über jede di« Frauen betreffende Frage, die in den Iahren 18961811 öffentlich besprochen worden ist sich gründliche Kennt» niss« aneignete und sie m Resormvorschlagen benutzte. Ihre rein polittsch« Tätigkeit tritt neben diesen sozialpolitischen Arbeiten zurück. Mütterlichkeit war der bestimmende Zug ihres Wesen«. Fünf Kinder hat sie geboren. Sie betrachtet« ihr« Kinderals ihrer Obhut anvertraute Schätze, die sie zu behüten hatte, aber nicht nach ihrem Ebenbild zu modeln. Sie waren Einzelwesen mit eig«. nen vererbten Anlogen, nicht Anhängsel, und sie hielt es für ihre Pflicht, ihr Leben zu bereichern, indem sie sie lehrte, ihr« eigenen Gaben mtd Fähigkeiten aufs beste zu benützen. Den Tcd ihre, fünffährigen Knaben konnte sie nie verwinden. Einer Freundin schrieb sie:Diese Sterbllchkeitsftotistiten von Kindern sind für mich unerträglich geworden. Ich war gewohnt, sie in dumpfer wissen- schaftlicher Art zu lesen, nun scheint es mir, als kenn« ich den Schmerz, der hinter jeder Zahl steht... Es Ist nicht wahr, daß ander« Kinder es einem vergessen machen können, noch, daß die Zeit den Kummer heilt. Sie tut es nicht; es wird schlimmer und schlimmer." Macdonald setzt in seinem Buch der ernsten Arbeit und dem edlen Menschentum seiner Lebensgesährtin ein ruhmvolle» Denkmal. Für di« deutschen Sozialisten ist da» Lebensbild dieser grau zugleich «in Bild der seelischen Unterschiede zwischen der engftschen und deut- scheu Arbeiterbewegun«. Ein Vergleich zwischen Margaret Ethel Macdlmald und Lily Braun   drängt sich, trotz der Verschiedenheit de» Wesens beider Frauen, unwillkürlich auf. Beides Frauen aus der.Oberklasse". Beide Frauen haben in ihren jungen Jahren ssch von ihrer Klasse getrennt. Beide lösten sich unter heftigen inneren und äußeren Kämpfen von stark empfundenen Familien banden. Ihrem heftigen Gefühl für die Not der Arbeiterinnen genüg!« e» nickt mehr, von außen zu Helsen  . Sie stellten sich in dl« Reihen der Aroeiterinnen, um führend dem Befreiungekampf der Arbeiterschaft voranzugehen. Bride sind sicher nur in seltenen Stunden von den Arbeiterinnen als wirklich zu thnen gehörig empfunden worden. Das häufiger« Gefühl wird das eines frohen Danke» für die Mit- streiterin gewesen sein, di« nicht von ihren materiellen Interessen, sondern von ihren starken Gefühlen tn die Reihen de» Proletariat» getrieben wurde. In England ist die Grundlage dieses Gefühls«in« weitgehende Toleranz. Die Grenzen zwischen der Hilfe von oben und der Selbsthilfe werden hier nicht so scharf gezogen. Unbefangen wird die Mitarbeit von Margaret Ethel Macdonold angenommen, von der man weiß, daß sie in der gleichen Woche Vorlesungen hält ') Margaret Ethel Macdr-uald von I. Ramsai? Macdonald. Uebersetzt von Regine Deutsch  . Verlag Herbig. Berlin  . 149 Seiten. Preis 3 M.