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Frauenstimme

Nr. 8+ 43. Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

15. April 1926

Kennt ihr eure Pflicht, Frauen?

Von Adelheid Popp  - Wien  , Mitglied des Nationalrats.

den Gedanken durchzusehen, daß Frauenarbeit zwar anders sein kann und sehr häufig anders ist als die des Mannes, daß es aber allen Grundsägen der Gerechtigkeit widerspricht, diese Arbeit, die gleich notwendig und unentbehrlich ist wie irgendeine Männerarbeit, herabzusehen, weil sie von der Frau und Mutter gemacht wird. Und zu welcher Verkehrung der Begriffe treibt die Empörung darüber, daß Frauen gleichbewertet werden wollen, daß Frauen seit der republika­

Mensch im All.

Weichet ihr Schatten! The dunklen Wölbungen hebt euch empor! Leuchtend zum Morgen aus nächtlichem Grauen jubelt der Thor.

Nacht war's und Finsternis; reißender Strom

trug mich zum strahlenden Ewigkeitsdom.

Mit stolzer Befriedigung haben die sozialdemokratischen Frauen aller deutschsprechenden Länder, mit Ausnahme der Schweiz  , im Monat März den internationalen Frauentag abgehalten. Imposante Frauenscharen sind herangezogen, um den Worten der Rednerinnen über Sinn und Zweck des Frauentages zu lauschen. Es fonnte nicht anders sein, als daß alle Reden das Hauptgewicht auf die aktuellen Tages fragen legten. In Deutschland   war es die Fürstenenteignung, in der Tschechoslowakei Steuerdrud und Militärlasten, in Deutschösterreich bie sozialen Forderungen für die Alten und Arbeitsunfähigen, für die arbeits­lofen und hilfsbedürftigen Frauen und Kinder. Der Frauentag fonnte nicht anders ausklingen, als in den Ruf an die Erschienenen, nicht nur die Pflicht des Augenblicks zu erfüllen, sondern fich auch der Aufgaben für die 3utunft bewußt zu sein. Also: hinein in die Organisation und in das Lesen der Partei­preffe! Wie töricht wäre es von den Frauen, wenn sie sich durch den Um­stand, daß fie die politische Gleichbe rechtigung erlangt haben, verleiten ließen, anzunehmen, daß damit Sinn und Zweck der Frauenbewegung er­füllt sei. Die Frauenbewegung ist nicht Selbstzwed, vor allem nicht die sozial­demokratische, sondern sie ist einer der vielen Zweige, die zusammen die große Internationale Sozialdemokrati­sche Partei ergeben, die dafür kämpft, Glück, Freude für alle Menschen zu verwirklichen. Das Frauenwahlrecht ist uns daher nicht Ziel, sondern nur ein Mittel, das wir zur Erreichung des Zieles anwenden sollen. Wieweit wir aber vom Ziele| noch entfernt sind, lehren uns anschaulich die Vorkommnisse des täglichen Lebens. Daß die Frauen des großen Deutschen  Reiches noch vieles zu fordern und zu erreichen haben, lehrt uns die Lage der Frauen, die in Fabriken und Werkstätten, in Bureaus und Kanzleien ihre Arbeitskraft verkaufen. Obwohl politisch gleichberechtigt, ist die Frau sozial noch immer nicht gleichgestellt. Nicht weil der Ruf: gleicher Lohn für gleiche Arbeit" noch nicht erfüllt ist in dieser abstrakten Form wird er sich nie erfüllen sondern weil die Arbeit der Frauen bewußt und gewollt herabge drückt und herabgesetzt wird, um sie niedriger entlohnen zu können. Selbst wenn eine Frau an die Stelle eines Mannes tritt, der hochqualifizierte Arbeit geleistet hat, so wird diese

Licht ward's; die Augen geblendet vom Schein Schloffen sich felig um sehend zu sein.

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nischen Staatsverfassung auf die Ge­feggebung Einfluß haben und sich be­mühen, vorhandene Ungerechtigkeiten zu beseitigen.

Einige Beispiele aus Desterreich, die in Deutschland   ihre Gegenstücke finden werden. In der verfassung. gebenden Nationalversammlung haben unsere Genossinnen einen Antrag ge= stellt, die Alimente an geschiedene Ehegattinnen, die sich nicht selbst ver­sorgen tönnen, an uneheliche Kinder usw. dem jeweiligen Geldwert anzu­passen. Tatsächlich haben die Gerichte sich dieser Forderung angepaẞt und jelbst solche Alimente, die vertrags­mäßig in der Borkriegszeit beschlossen waren, erhöht. Die Frauen haben ein Unterhaltungsgejeg beantragt, und es ist im Nationalrat angenommen wor den. Illegitime Väter werden nach diesem Gesetz durch Geld- und Arrest strafen leztere dürfen in Geld­strafen nicht umgewandelt wer­den die Sorge um die unehelichen Kinder den Müttern tragen zu helfen. Als stärkstes Argument zur Begrün­dung dieses Gesetzes wurde darauf verwiesen, daß Bauernföhne, die auf dem Hof der Eltern arbeiten, junge Dienstmädchen zu Müttern machen; bei Entdeckung der Schwangerschaft werden diese vom Hof gejagt und zur Verzweiflung, sehr oft zum Selbst­morb oder später zum Kindesmord getrieben. Diese Art un ehelicher Bäter hatte sich immer darauf berufen, kein eigenes Einkommen zu haben und von den Eltern erhalten zu werden, also keine Hilfe leisten zu können. Nach dem nun geltenden Unterhaltungsgefeß wird durch das Gericht ver­anlaßt, festzustellen, was der hoffnungsvolle junge Mann an Einkommen hätte, wenn man alles berechnet, was er im Hause der Eltern bezieht. Danach wird seine Unterhaltungs­pflicht bemessen.

Hans Maria Ehringshausen

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Arbeit von dem Augenblick an als eine minderwertige bezeichnet, too sie von weiblichen Händen verrichtet, von weiblichem Geist beeinflußt wird.

Diese Geringschägung und geringere Bewertung von allem, was Frauenleistung heißt, geht bis in das Proletariat. Wir tommen über die Tatsache nicht hinweg, daß alte Vorurteile, alte Ideologien nicht mit einemmal aus der Welt zu schaffen find. Es bedarf einer langen zähen Erziehungsarbeit, um

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Unsere Genossinnen haben aber im Nationalrat auch ein Gefeß beantragt, daß

die Stellung der Frau im Familienrecht ändern soll. Dieses Gesez hat feinen frauenrechtlerischen Charakter, im Gegenteil, die Antragstellerinnen sind von der Erwägung ausgegangen, daß ein Drittel der Volkswirtschaft von Frauen geleistet wird; die Frauen also zu einem Drittel in Arbeit und Erwerb stehen. Das Gesetz steht auf dem Boden der vollständigen Gleichheit und legt die Unterhalts pflicht auch für die Frau fest, wenn sie die wirtschaftlich stärkere ift.