Zumpenproletariat. Ele verkaufen ein Stück nach dem anderen und entblößen ihren Haushalt vom lehten wertvollen Stüd, ehe fie vom Rate derjenigen städtischen Einrichtungen Gebrauch machen, an denen sie ein gefeßmäßiges Anrecht haben. Sie wollen Haus damen und Reisebegleiterinnen werden. Obgleich auch lie wiffen müßten, daß die wirtschaftliche Lage so ist, daß nur sehr wenige Familien fich folchen Lurus leisten können.
Wie
Solche Damen umzustellen wird wohl taum gelingen. soll der, welcher nicht einmal den Mut hat, zum Arbeitsnachweis zu gehen oder zur Berufsberatung, den Mut finden, sich ein neues Leben, eine neue Eristenz aus eigener Kraft aufzubauen? Und der Wille zum Leben ist eben auch hier, wie beim Kranken, die Hauptsache, das einzige Heilmittel, das Erfolg verspricht.
Frauen aber, die solchen Mut in fich fühlen, sollten nicht warten, bis sie sich von ihren lehten Wertstücken getrennt haben. Sie sollten mit fester Hand, mit Hilfe der Berufsbera. tung versuchen, sich eine neues Leben, eine neue Eristenz aufzubouen, auch wenn dieser der äußere Glanz und Schimmer der früheren, ewig verlorenen, fehlen sollte. Stadtrat S. A. Hermes, Steglih.
Der Pflichtkindergarten.
füllen; Wartung und Erziehung der Kinder übergibt man Kindergärtnerinnen und Hauslehrern. Die antifoziale Anschauung dieser Stände ist zu bekannt, als daß man ausführlich darüber sprechen müßte. Nur ein Beispiel: Kinder aus Berlin unterhalten sich, und ich höre gerade, wie ein Mädel erzählt:„ Da sind wir 4. Klaffe gefahren, und da haben wir uns die Arbeiter angecha ut!" etwa wie die Bären im Zoologischen Garten.
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Die wirtschaftlichen Nöte verschärfen sich von Tag zu Tag. Die Schwierigkeit der Familiengründung wächst. Bürgerliche Gesinnung herrscht und wird immer wieder aufs neue in die Seelen der empfänglichen Kleinkinder gepflanzt. Die fleinfindlichen Eindrücke find aber maßgebend für die feelische Struktur des älteren Menschen. Wir müssen also zu einer neuen Erziehungsgemeinschaft fommen. Der Kindergarten wird eine dringende Notwendigkeit für jedes Kleinkind, gleich, ob es aus Die einzelne profetarischem oder bürgerlichem Milieu stammt. selbst bei vorhandenem beften Wiilen Famille kann heute das Kleinkind weder genügend und richtig, ohne Verzärtelung, ohne Mangel, pflegen, noch fozial, felbständig und selbstverantwortlich im Fühlen, Denten und Handeln erziehen.
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Daß diese Kindergärten den Kleinkindern Licht, Luft, Sonne
Bequemlichkeit, Faulheit, Tradition und Standesgeift werden aber nur überwunden durch eine Zwangseinrichtung. Der Kindergarten muß Verpflichtung werden für jedes Kind vom 3. Lebensjahre an. Gemeinde und Staat müssen durch Gefeh geAls ich als wiffenschaftliche Lehrerin an einem Berliner Kinder. gärtnerinnenfeminar tätig war, wurde gegen mich eine Beschwerde zwungen werden, genügend Kindergärten einzurichten. Die Einerhoben: ich lei Anhängerin des obligatorischen Kindergartens"! beitsschule fordert den Einheitstindergarten. Eine solche Einstellung war in dem dortigen bürgerlichen Kreis, für den Familienerziehung das A und O bedeutete, beinahe ein Verbrechen, jedenfalls aber ein Berstoß gegen die geheiligte Tradition. Wie fonnte ein Mensch es wagen, gegenüber dem festen Fundament der Familie eine andere Grundlage anzuerkennen! Wie durfte er wagen, eine eigene Ueberzeugung zu vertreten! Die Frei heit der Lehre war ein theoretischer Begriff dort, wo Fröbels 3bce der nachgehenden, jreien Erziehung eine Stätte finden sollte.
Die bürgerlichen Kreise gehen nicht nur von der Anschauung aus, daß die Familie die beste und notwendig grundlegende Er aiehungsgemeinschaft bedeutet; fie behaupten zudem: ein Kindergarten darf immer nur Ergänzung, grundsäglich aber niemals Ersatz der häuslichen Erziehung darstellen. Im Gegenteil: der famillenhaft eingerichtete Kindergarten wird rückwirkend die Familien.
und Bewegungsmöglichkeiten, dazu beste Pflege und Ernährung geben müffen, ist selbstverständlich. Wir müssen weiter dafür Sorge tragen, daß eine freiheitliche, entwickelnde Erziehung im sozialen Geifte gewährleistet wird. Dazu ist aber notwendig, daß wir Erstehungsseminare erhalten, die die Kindergärtnerinnen mit fozialistischem Geiste erfüllen. Weltliche Schule, Gemeinschaftsschule und weltliche Akademien müssen ergänzt werden durch sozialistische Kindergartenfeminare. Die heutigen Seminare begünstigen nicht die freiheitliche, soziale Entwicklung des jungen Menschen, sie loffen ihn auf der familiären Stufe erstarren.
träfte erneuern und stärken, ſo daß in kommenden Zeiten jedes Kind Berufsaussichten der Kindergärtnerin.
wieder von Bater und Mutter erzogen wird.
Eine solche Theorie hat etwas Bestechendes. Es tauchen vor unferen Augen die Ludwig- Richter- Bilder auf, aus denen uns Ge. mütlichkeit und häusliches Behagen entgegenstrahlt. Auch wiffen wir alle, daß ein fleiner, liebewarmer Lebensfreis tiefe Entwicklungs möglichkeiten für die Kindesfeele bietet. Mutterliebe und Bater kraft find nicht durch intellektuelles Berstehen zu ersetzen.
Troydem obligatorischer Kindergarten?
Ja! Er ist heute schon eine dringende Notwendigkeit und wird in Zukunft die natürliche Lebensgemeinschaft des Kleinkindes dar stellen müssen.
Denn die Familie verliert immer mehr ihre Kraft als Eraichungsgemeinschaft. Schon in Bebels Buch„ Die Frau und der Sozialismus" wird die zunehmende Auflösung der Familie, die Zerstörung ihrer wirtschaftlichen und feelischen Kräfte nachgewiesen. Heute ist es Tatsache, daß teine proletarische Familie mehr imftande ift, ihren Kindern das an Pflege und Erziehung zukommen zu laffen, was ihnen notwendig ist. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Wohnungsnöte, Krankheit machen eine gesunde, fräfteweckende Umgebung zur Unmöglichkeit. oft häuslicher Hader, eheliche Zwiftigkeiten, Bitterfeit und Haß erziehen niemals tampfgemute Menschen. Die bürgerliche Klaffenfultur wird in ihrer Seichtheit und ihren Auswüchsen vom Proletarier übernommen und mit ihr alle Unfitten und Erziehungsfehler. Bürgerliche Anschauungen beherrschen immer noch die Masse des Proletariats.
Die bürgerliche Ehe geht ebenfalls dem Berfall entgegen. Karin Michaelis , die vor kurzem in Berlin sprach, bekannte, daß sie im ganzen Leben zwei glückliche Ehen kennengelernt habe. Jeder denkende und sehende Mensch wird eine ähnliche Erfahrung gemacht haben. In diesen Kreisen herrscht die Standes- und Geldehe. Die spätere Heiratsmöglichkeit und die Unfreiheit in der heutigen Ehe begünftigen ihren fittlichen Verfall. Die Zunahme der Ehescheidungen zeigt dies sehr deutlich. Standeshochmut, Klaffengeist, doppelte Moral und äußerliche Wohlanständigkeit" bei innerer Fäulnis find nicht Erziehungsfaktoren. Die Eltern glauben oft, die Kinder merken diese seelische Zerrüttung nicht. Sie sind fehr im Irrtum!
Im Aprilheft des Kindergartens"( Beitschrift für ble fozialpädagogischen Aufgaben in Familie und Boltsgemeinschaft) ist das Ergebnis einer Umfrage über die Anstellungen der im Jahre 1925 geprüften Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Jugendleiterinnen erschienen. An 62 Anstalten legten die Prüfung ab: 668 Kindergärtnerinnen, 195 Hortnerinnen und 74 Jugendleiterinnen. diefen 668 Kindergärtnerinnen übernahmen 522 eine Stellung, von den 195 Hortnerinnen 160 und von den 74 Jugendleiterinnen 59; d. h. durchschnittlich 80 Broz. der Schülerinnen fanden ein Arbeitsfeld. Von den übrigen 20 Broz. murde, so berichteten die Anstalten, eine Anstellung meist nicht gesucht. Entweder erstrebten sie eine Weiterausbildung oder sie verheirateten sich, oder fle fahen aus fonftigen Gründen von einem fcfortigen Eintritt in den Beruf ab.
Das find anscheinend sehr günstige Zahlen, insbesondere auch im Vergleich zu anderen Berufen, in denen die Arbeitslosigkeit erschreckend groß ist. Manches junge Mädchen wird durch diese Aufes auch den Bolksschülerinnen heute möglich ist, das staatliche Eramen ftellung veranlaßt werden, den Erzieherinnenberuf zu ergreifen. Da der Kindergärtnerin und Hortnerin( allerdings in einem a wei jährigen Lehrgang anstatt des sonst üblichen 1½jährigen) abzulegen- Borbedingung ist die Ablegung der Schulwiffenschaftlichen Borprüfung und der Nachweis einer zweijährigen praktischen Tätigfeit in Hauswirtschaft oder Kinderpflege werden auch sie gern in diesen Beruf hineingehen. Es scheint mir nötig zu fein, vor einer au optimistischen Anschauung zu warnen.
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eine Bratti fantinnenarbeit. Das bedeutet, daß sie noch Bon den genannten 522 Kindergärtnerinnen übernahmen 193 in eine weitere Lern- und Lehrzeit eintraten und damit auch wirtschaftlich nicht selbständig wurden. Bei freier Station erhielten sie 10-30 m. monatlich, der günstigere Fall; ohne frele Station 30 bis 80 m. Ich kenne Fälle, in denen nur das Fahrgeld gezahlt wurde. Nimmt man noch dazu die Tatsache, daß die Praktikantin im Kindergarten manchmal nur nominell Braftitantin ift, in Wirklichkeit aber etwas illuforisch, die Kraftausnugung aber desto größer wird, so erdie Stelle einer Gehilfin ausfüllen muß, so daß die Fortbildung" scheint die Berufsaussicht weniger günftig. Bon 668 Kindergärtne rimmen wurden also 339 erstmal wirtschaftlich nicht selbständig, und das ist die größere Hälfte der Eraminantinnen. Junge Kindergärtnerinnen nimmt man zudem nicht gern in verantwortliche Stellen, etwa in größere Bolfskindergärten, was ja verständlich ist. So bildet sich anscheinend immer mehr die Gewohnheit aus, jede Kindergärtnerin möglichst zuerst als Praktikantin arbeiten zu lassen. Wer in den Jugendleiterinnenfurfus eintreten will, muß ebenfalls zumindest ein Jahr eine Praftifantinnenstelle inngehabt haben.