darauf hin, dah Familienstellungen in diesem Zusammenhang als felbständige Stellen bezeichnet werden. 143 Kinder gärtnerinnen gingen in eine Famille. So bleiben tatsächlich nur 186 Schülerinnen unter 668 übrig, die nach dem Examen eine geiftig und wirtschaftlich felbständige Arbeit übernahmen, das sind 27-28 Bro3. Man muß sich nur einmal vorstellen, was für Familien fit eine Kindergärtnerin halten können und wollen, um sich auszumalen, welch' geistiger Unfreiheit die Kindergärtnerin unterstellt ein wird, und zwar desto mehr, je stärker fie innerlich überzeugte Sozioliftin ist. Außerdem ist immer zu berücksichtigen: eine Familienftellung fann für die Kindergärtnerin meist nur Durchgangsftation fein; die Kinder wachsen heran, also wird die Kindergärtnerin überflüffig. Je äter sie wird, desto mehr sehnt sie sich nach einem eigenen Heim, also nach selbständiger Stellung. hat sie einmal die Bierzig überschritten, wird sie felten genug noch Frische und Elaftizität befigen, um fleine Kinder in der Familie pflegen und erziehen au fönnen.
Bergleicht man die Zahlen des Jahres 1925 mit dem vorjährigen Ergebnis, fo läßt fich bei Rindergärtnerinnen eine Zunahme von 39 Proz., bei den Hortnerinnen um 70 Brez. feststellen. Nach dem gegenwärtigen Seminarbefuch zu schließen, wächst der Zuftrom zu diefen Berufen weiter rapid, so daß wohl der Arbeitsmartt bald überflutet sein wird. Von einem der größten Seminare hörte ich, dah es bis zum Herbst 1927 teine Schülerinnen mehr aufnehmen fann. Daß dieser steigenden Menge der Stellungfuchenden ein er höhter Bedarf entsprechen wird, ist bei der allgemeinen tatastrophalen Wirtschaftslage faum anzunehmen. Gemeinden und Staaten rechnen die Ausgaben für Wohlfahrtspflege, Erziehung und Unterricht noch immer nicht zu den werbenden. Solange die Gemeinden nicht verpflichtet werden, Kindergärten einzurichten, werden sie weder genügende Kleinkinderheime schaffen, noch der Kindergärtnerin die ihr entsprechende Stellung in bezug auf Gehalt und Pension geben. Der Zusammenschluß der Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Jugendleiterinnen zur Berufsorganisation hat ja wohl den mir ervergangenen tandalösen Zuständen ein Ende gemacht zählte eine alte Kindergärtnerin voll Stelz, daß fie noch für 30 M. Monatsgehalt( alles in allem!) gearbeitet habe, heute set man doch viel unbescheidener(!) geworden doch ausreichend find die Gehälter immer noch nicht. Wenn 3. B. eine Jugendleiterin ohne freie Station monatlich nur 110 M. erhält( und zwar nach mindestens 3% jähriger Ausbildung mit Lyzealvorbildung), dazu in einem großen Anstaltsbetrieb an verantwortlicher Stelle steht, so spricht hier im Grunde noch die alte Einstellung mit: Erziehung und Bflege der unteren Bolksschichten" ist Sache der Wohltätigkeit, geleistet von den„ gebildeten Ständen", die nicht fe aufs Geld zu sehen brauchen! Mit dieser Anschauung müffen wir endlich brechen. Entweder ist je de Arbeit ehrenvoll oder feine.
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Ein Wort noch in bezug auf die jüdischen Kindergärtnerinnen. Wie weit fie es schon während der Seminarausbildung schwerer haben als die anderen Schülerinnen, ist nicht leicht zu beurteilen. Jedenfalls habe ich Klagen jüdischer Schülerinnen über Antisemitis. mus gehört. Es scheint aber sicher zu sein, daß die Berufsaus. Jichten für fie am ungünstigsten sind. Kinderheime, Kindergärten, Rindererholungsstätten verlangen mandymal ausdrüdlich eine christ. liche Kindergärtnerin. So fommt es vor, daß ausgesprochen gute Schülerinnen feine Stellung finden, weil sie Jüdinnen find.
Auch dies würde sich ändern, wenn es uns möglich würde, wirt. lich freie Seminare, die in unserem Sinne arbeiten, ins Leben zu rufen. Wir müffen duhin fommen, daß im Menschen der Mensch" erkannt und gewertet wird. Henny Schumacher.
Ein Kurfus zur Fortbildung von Jugendleiterinnen, Wohlfahrtspflegerinnen, Berufs-, Fachschul- und landwirtschaftliche Lehrerinnen, die sich ein Jahr lang für eine wiffenschaftliche Weiter: bildung freimachen fönnen, wird im Herbst in der Atademie für foziale und pädagogische Frauenarbeit, Berlin B. 30, Barbaroffaftr. 65, beginnen.
Der Kursus bezweckt, den Angehörigen der sozialen und sozialpädagogischen Berufe ein tieferes Eindringen in die geistige Grundlage ihrer Arbeit zu ermöglichen. Es werden auch Akademikerinnen, die den Uebergang in soziale und lozialpädagogische Arbeit fuchen, zugelaffen. Borbedingung zur Teilnahme ist für die Angehörigen der sozialen und pädagogischen Berufe, daß sie nach abgeschloffener Berufsbildung mindestens drei Jahre ihren Beruf ausgeübt haben; für Akademikerinnen, daß fie ihr akademisches Studium abgeschloffen haben.
Der Kursus umfaßt Arbeitsgemeinschaften über Hygiene, Psychopathologie, Heilpädagogit, Soziologie, Berwaltungsfunde, Wohlfahrtspflege, Rechtsfragen, Arbeits- und Wirtschaftspsychologie, Hauswirtschaftliche Betriebslehre usw.
Als Lehrkräfte find unter andern gewonnen: der Nervenarzt Prof. Dr. J. H. Schulz, Stadtarzt Dr. Harms, Minister a. D. Do. minicus, Oberregierungsrat Dr. Ruppert, Referentin vom Landwirtschaftsministerium Käthe Delius, Dr. Ing. Sinner, Frau S. Wronffy, Alice Salomon , Direktor Mennice.
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Das Programm ist durch die Geschäftsstelle der Akademie zu beziehen.
Die Hörgebühren betragen für das ganze Jahr 100 Mart. Es steht zu hoffen, daß die Behörden ihre begabtesten Sozial beamtinnen und Lehrerinnen für den Kurfus beurlauben werden, und daß für einzelne Fälle auch Beihilfen durch die Behörden und Ministerien zu erlangen fein werden.
So viele Madonnen hat diese Stadt.
So viele Madonnen hat diefe Stadt,
Die wiegen Ihr Kind nicht auf dem Knie.. Sie müffen zur Arbeit blaß und matt Und dennoch wird ihr Kind faum Jatt.
So viele Madonnen hat diefe Stadi
Und sie trugen ihr Kind doch wie jene Marie.
So viele Madonnen im grauen klei, Die hoffen, daß ihr Kindlein lacht, Wenn ihnen die Maschine Ichreit Und bitter singt ihr Herzeleid, So viele Madonnen im grauen Aleid, In dunkler, flernenloser Nacht.
So viele Madonnen im lichten Schein, Der über ihren Häuptern liegt... Ihr mfides Blut wird roler Wein, Erlöserkraft geschenktes Sein.
So viele Madonnen im lichten Schein, Wenn rol die Weltenfahne fliegt.
Bruno Schönlant.
Des Kindes Wirklichkeit.
Die Wirklichkeit des Kindes ist eine andere als die des Erwachsenen. Die Dinge der Umwelt werden von seiner Phantasie ausgestattet mit einem Eigenleben, mit heimlichen Beziehungen, die ganz antropomorph, d. h. nach Art des Menschlichen gestaltet sind. Die Naturnähe des Kindes schaft eine Bertrautheit und Vertraulich feit mit den Naturobjekten, die ihm diese zu Gefährten, zu Anteil nehmern an feinen Freuden und Leiden werden läßt. Im Bäum chen, an das man fich anschmiegt, im Kähchen, dem man sein Leid ins Ohr flüstert, in der Blume, zu der man fich neigt, findet man den Tröfter. Tränen versiegen. Neuigkeiten und frohe Erlebnisse ellt man, diefen lieben Kameraden mitzuteilen. Man ift erfüllt von Mitleid und Sorge für fie, fann Tränen vergießen, wenn ihnen was zuftößt. Selbst die leblosen Dinge werden beredt von der Phan tafie, werden zu Freunden, zu kindlichen Liebesobjekten, deren Ber luft schmerzhaft empfunden wird. Das Kind trägt Berlangen nach ihrer ständigen Nähe. Buppe und Spielzeugpferd, Bilderbuch und Kreisel wandern mit ins Bett, wenn Schlafenszeit ift. Erlittene Bersagung und Ungerechtigkelt verlieren ihren Stachel, wenn man es fie entgelten laffen fann.
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Ebense phantaftebetont find die Borstellungen des Kindes von den Menschen der engeren und weiteren Umgebung, von denen, über die es( prechen hört. Jeder derselben bildet einen Borstellungsfomplex, der mit zahlreichen Attributen ausgestattet ist. Jeder Gegenstand eines besonders gearteten inhaltsreichen Erlebens. Urtelle der Erwachsenen übereinander, über Dinge und Borgänge fließen ineinander, verschmelzen mit den eigenen Beobachtungen des Kindes au eigentümlichen Feststellungen und absonderlichen Begriffsbildun gen. Das ihm unverständliche in den Beziehungen der Men fchen ergänzt und deutet das Kind durch Eigenbildungen, durch seinem Empfinden und Berhalten analoge Annahmen.
Seine eigene innere Beziehung zu den Menschen entspricht seinen Borstellungen von ihnen, ist demgemäß inhaltlich bestimmt und abgestuft. Es fann an eine Person Erwartungen fnüpfen luftoder unluftvoller Natur, Bertrauen und Kameradschaftlichkeit, Be
wunderung und Liebe, Scheu, Mißtrauen oder Furcht, ja Haß. Dem gemäß wird er fich ihr mehr oder weniger nah, fremd oder abges stoßen fühlen. Bon einer Tracht, einer Umgebung eder einem Worte, einer Redewendung, einer Handlung, einer Tätigkeit, einer Erzählung, von einem Gegenstande, einem Erlebnis, mit dem sie in Berbindung steht, kann die Berfon eines Menschen für die Bora ftellung des Kindes ihr Gepräge erhalten, ihr Kennzeichen. Alles, was das Kind weiter von ihr erfährt, wird in Berbindungen ges bracht, die sich diesem Kennzeichen einordnen.
Das Interesse für das, was die Erwachsenen sprechen, erwacht früh, aber das Kind gibt ihm Deutungen, die feinem Auffassungsvermögen entsprechen, bringt es in geradlinigen Bufammenhang mit den Inhalten seines Erfahrungslebens, ergänzt Lücken durch Bhans tafiegebilde. Symbolische Worte werden realistisch gedeutet. So era halten die Rede Inhalte der Erwachsenen für das Kind häufig einen ganz anderen Sinn, dem dann das Geschehende nicht entspricht. So muß ihm das Handeln der Erwachsenen oft willkürlich, widere spruchsvoll, ungerecht erscheinen.
Aber die Folgerichtigkeit des findlichen Dentens faßt die Era wachsenen auch bei den wirklichen Widersprüchen, zwischen Worten und Taten. Es felbft fennt ursprünglich nicht die Zweifpaltung. Seine Natur ist einheitlich, Jein Denken und Handeln steht zueinander im Verhältnis einer logischen Felge. Erst seine Beobachtungen an den Erwachsenen, ihr Beisplet bringt es zur Erfenntnis, daß man anders handeln fann als man denkt und spricht. Auch die Naturnot wendigkeit, sein Denten und Tun vor den Erwachsenen zu ver bergen, um deren Mißbilligung, Mißachtung oder Straf zu entgehen, führt dazu.
Die Wirtlichkeit des Kindes ist unabhängig von den Raum- und Beitgefehen der Erwachsenen. In seiner Phantasie vera tragen fich Dinge, Borgänge, Ereingiffe im Neben und Racheina ander, die der Logit des Erwachsenen sich nicht einfügen. Es bee