Frauenstimme
Nr.16+ 43.Jahrgang Beilage zum Vorwärts
5. August 1926
Schutz der arbeitenden Frau.
unterstützt wurden, und zwar traten damals merkwürdiger weise auch schwedische Genofsinnen dafür ein, daß der Arbeiterschutz für Männer und Frauen gleich sein solle. Die Gründung der Liga wurde zwar abgewehrt, hauptsächlich dank der Gegenarbeit der deutschen Delegierten und der Engländerins nen und Amerikanerinnen, die in der Internationalen Bereinigung für gesetzlichen Arbeiterschuh tätig waren. Aber immerhin setzte man ein fleines Komitee ein, um die Frage zu bearbeiten, und diese Arbeit hat wie es scheint, jetzt in Paris ihren ersten Sieg davongetragen. Neuerdings setzt sich die Frauenpartei in Amerika , die sich aus allen Schichten der Bevölkerung rekrutiert, besonders lebhaft dafür ein, daß die gefeßliche Bestimmung, die ein Verbot der Frauennachtarbeit vorsieht, wieder aufgehoben wird. Das ist ein Rüdschritt, der sehr zu bedauern ist.
Wir blättern in dem Bericht, den der Direktor des| derinnen aus, die vor allem von den Skandinavierinnen Internationalen Arbeitsamtes, Genosse Albert Thomas , der achten Session der Internationalen Arbeitskonferenz erstattet hat. Der Hauptteil ist naturgemäß den allgemeinen Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Ländern gewidmet, aber es finden sich auch eine Anzahl von Seiten, auf denen ganz speziell der Schutz der arbeitenden Frauen behandelt wird. So lesen wir, welche Staaten die Bestimmungen des Washingtoner Abkommen über das Verbot der Frauen| nachtarbeit ratifiziert haben. Von fünfzehn Staaten ist die Konvention anerkannt worden: von Südafrika , Dester reich, Belgien , Bulgarien , Estland , Frankreich , Großbritan nien, Griechenland , Indien , Irland, Italien , Niederlande , Rumänien , der Schweiz und der Tschechoslowakei . Andere Staaten haben erklärt, daß sie diese Frage noch im Laufe des Jahres prüfen wollen. Wir lesen ferner, daß das Verbot der Nachtarbeit auch auf die in der Landwirtschaft arbeitenden Frauen ausgedehnt werden soll und daß einige Staaten diesen Arbeiterinnenschutz bereits durchgeführt haben. Es wird berichtet über die verschiedenartigen Maßnahmen der Staaten in bezug auf das Verbot der Frauenarbeit vor und nach der Geburt sowohl bei den Frauen, die in der Industrie arbeiten, wie bei den in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiterinnen.
Natürlich sind in diesem Bericht nur die Tatsachen zu sammengestellt. Wir erfahren nichts von der unendlichen Arbeit, die von dem Arbeitsamt sowohl wie von den Arbeiterparteien und den Gewerkschaften der verschiedenen Länder geleistet werden muß, ehe solche Schutzbestimmungen Gesetz werden und den Arbeiterinnen zugute kommen. Aber wir wissen ja alle, wie jeder Schritt breit Boden erkämpft werden muß, und wie nötig es ist, daß alle fortschrittlichen Elemente fich vereinigen, um den Arbeiterinnenschutz weiter auszubauen. Da berührt es doppelt merkwürdig, daß selbst unter den Frauen durchaus noch nicht Einmütigteit darüber herrscht, daß ein besonderer Frauenschuh notwendig ist. Genoffin Adele Schreiber berichtet im Juliheft der ,, Genoffin", daß auf dem Internationalen Frauenstimmrechtsfongreß in Paris in der Kommission für gleiche Arbeitsbedingungen beider Geschlechter starke Kräfte am Werke waren, um den besonderen Arbeiterinnenschutz zu verhindern, daß es der deutschen Delegation zwar gelungen sei, den bedenklichsten Entschließungen zu begegnen, daß aber doch durch eine Bufallsmehrheit eine Resolution Annahme fand, die den Schwangerenschutz in Frage stellt. Eine sehr große Minderheit der Delegierten, 161 gegen 168, hat darauf eine energische Erklärung für den obligatorischen staatlichen Schutz der schwangeren Frau zu Protokoll gegeben.
Man faßt sich an den Kopf und fragt, wie es möglich ist, daß Frauen, die durch ihren Kampf für die politische Gleich berechtigung beweisen wollen, daß sie nicht zu den Reaktiorären gehören, sich gegen diesen Schuh der arbeitenden Frau wenden tönnen, und man stellt mit Bedauern fest, daß doch leider die Welt in den letzten fünfzehn Jahren auf diesem Gebiete nicht viel weiter gekommen ist. Die Versuche, den Standpunkt durchzusehen, daß auch in bezug auf die Arbeitsbedingungen zwischen Mann und Frau völlige Gleichheit herrschen müsse, find nämlich schon recht alt. Im Jahre 1911 wurde sogar gelegentlich des Internationalen Frauenstimmrechtstongreffes in Stod holm versucht, eine Liga gegen den gesonderten Arbeiterin nenschutz zu gründen. Die Anregung ging von den Hollän
Die Argumente der Frauen, die den besonderen Arbeiterinnenschutz ablehnen, sind im allgemeinen die, daß nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer in der Arbeit geschützt werden müßten. Lasse man einen besonderen Frauenschutz zu, so könne man sich auch nicht für die gleiche Bewertung von Frauen- und Männerarbeit einsetzen. Man mache die Frauenarbeit zu einer minderwertigeren. Wer die politische Gleichberechtigung wolle, müsse auch für die gleiche Behandlung im Arbeitsprozeß eintreten. Diese Auffassung lehnen wir ab, und erfreulicherweise gibt es in Deutschland wohl auch keine Frau in den bürgerlichen Organisationen, die sie sich zu eigen machen würde. Natürlich wollen auch wir den Schutz der männlichen Arbeiter. Das versteht sich von selbst, daß keine Worte darüber verloren zu werden brauchen. Aber vor allem anderen müssen wir den besonderen Arbeiterinnenschutz fordern, weil die Frau nun einmal außer ihrer Erwerbsarbeit noch die Arbeitsleistung der Mutterschaft zu bewältigen hat. Und es genügt nicht, der werdenden Mutter eine kurze Spanne Ruhe vor der Entbindung zu verschaffen. Es gibt Arbeiten, die den Körper der Frau lange vor der Schwangerschaft so schädigen, daß sie gar nicht in der Lage ist, gesunde Kinder in die Welt zu setzen. Oft genug ist an dieser Stelle darauf hingewiesen worden, wie schädigend bestimmte Industrien auf den weiblichen Körper einwirken, wie überlange Arbeitszeiten den Frauenkörper schwächen, wie die Nachtarbeit vor allem an der Gesundheit zehrt, und wie das alles zurückwirkt auf ihre Fähigkeit, dem Kinde die nötige Kraft mitzugeben.
Wir brauchen nicht alle diese Gründe wieder aufzuzählen, wir brauchen auch nur daran zu erinnern, daß die Frau ja neben der Arbeit in der Fabrit, auf dem Feld, im Kontor und Bureau noch die andere Arbeit im Haus zu leister hat. Nicht nur, wenn sie verheiratet ist. Auch die unvers heiratete Arbeiterin muß doch in unendlich vielen Fällen zu Hause noch mit zugreifen, wenn sie müde von der Fabrik fommt. Diese Doppellaft macht unsere Frauen so frühzeitig alt, und wir versuchen, ihr die Laft durch vernünftig gebaute und eingerichtete Wohnungen etwas zu erleichtern. Aber alles das ist doch nur ein Notbehelf. Unbedingtes Erfordernis ist der Schuß der Frau im Betrieb selbst, das Verbot der Nachtarbeit und das Verbot der gesundheitsschädlichert Arbeiten vor allen Dingen. Mit der theoretischen Gleichheif im Arbeitsprozeß können wir nichts anfangen. Die theoretische Gleichheit ist in der Praxis tatsächlich eine doppelte Belastung und eine Zurücksetzung der Frau.
Es ist eine der vornehmsten Aufgaben des Internationalen