Herzen der Maffen rückhaltios begeistert, während heute die ethisch- kulturelle Betonung ihrer sozialistischen Weltanschauung ein weites Echo, zumal in unserer Jugendbewegung gefunden hätte. Doch das sind fruchtlose Betrachtungen. Ihr Erbe, das sich erst der heutigen Generation von Sozialisten ganz erschließt und noch auf Jahrzehnte hinaus fruchtbar bleiben wird, bestätigt das von Lily so geliebte Goethe- Wort: Wasfruchtbar ist, allein ist wahr."
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noch eine Fülle, denn durch die Vermittlung des Genossen Bebel wurde ich bei Genossen Manz einquartiert, der einen richtigen Salon besaß. In einem Alkoven, der sich an den Salon anschloß, befand fich mein Bett. Die Garnitur im Salon erweckte meine Bewunderung und auch sonstige Dinge boten sich zum erstenmal meinen Bliden dar, obwohl die Wohnungsinhaber einfache Parteigenossen waren und Lurus sowie Pracht nur für meine Augen existierten.
Diese erste Züricher Reise war für mich eine Lehrmeisterin. Ich lernte, wie man reift, wie man sich vorbereitet, nicht um es zur Luxusreisenden zu bringen, sondern um den Anforderungen einfachfter Hygiene und einer berechtigten Bequemlichkeit zu entsprechen. So wie man ja alles erst lernen muß, denn wer, der aus einer Umwelt tommt, wie die überwiegende Mehrzahl der dem Proletariat entstammenden Genossen und Genossinnen, fonnte in der damaligen Zeit vom Reisen etwas verstehen! Das war ja ein Vorrecht der Reichen und erst die emporkommende Arbeiterbewegung zählt hier aus der Heldenzeit der Bewegung anfangs der hat auch das Reisen demokratisiert und den Arbeitern und Arbeiterinnen möglich gemacht.
Die Vorkämpferin der Arbeiterbewegung in Desterreich er
neunziger Jahre.
Jede junge Bewegung ist streitbar. Ohne Kampfeslust und Ohne Kampfesluft und Kampfesmut würde es ja nicht gelingen, eine Sache aufwärts und vorwärts zu bringen. So ist es erklärlich, daß im Anfang der Sozialdemokratischen Arbeiterinnenbewegung, die wenigen Genoffinnen, die im Vordergrund standen, peinlich darüber wachten, nicht übergangen zu werden. Als daher im Sommer 1893 die Sekretärin von Friedrich Engels in Wien erschien, um mit den Genossinnen Fühlung zu nehmen und sie aufzumuntern, am Internationalen Sozialisten- und Arbeiterkongreß in Zürich teilzunehmen, fielen ihre Worte auf fruchtbarem Boden. Die Genossinnen, die damals das erste Frauenorganisationsfomitee bildeten, beschlossen, In diesem Sinne zu handeln. Ich wurde beauftragt, in der Korporation, die damals die Organisation Wiens und Niederösterreichs zu leiten hatte, diese Forderung der Frauen zu vertreten.
Mit nicht wenig Herzklopfen, aber mit großer Entschlossenheit begab ich mich in die Sizung. Genosse Bittor Adler, den die Genoffinen von ihrem Wunsch unterrichtet hatten, erschien als treuer Freund und Förderer jeder gerechten Sache, die die Genoffinnen au vertreten hatten, ebenfalls in der Sigung. Als nach langer, leidenschaftlicher Debatte endlich mein Antrag angenommen war, wandte sich Genosse Adler zu mir, nahm mich bei der Hand und Jagte: Jegt stecken Sie aber das Schwert wieder ein und nehmen Sie einen guten Rat von mir an. Wenn Sie wieder einmal gefiegt haben, dann laffen Sie sich nicht anmerken, daß Sie fich des Sieges bewußt sind, sondern fun Sie so, als würden Sie glauben, die anderen haben recht behalten."
Ich fann wohl sagen, daß ich diesen Rat nie vergessen habe und mich redlich bemühte, ihn zu befolgen.
Und nun ging es an die Vorbereitungen der Reise nach Zürich . Die Wiener Genossen waren, da die Sache entschieden war, äußerst galant gegen mich. Alle männlichen Delegierten fuhren am Abend des 4. August im Waggon dritter Klaffe nach Zürich zum Kongreß. Für mich aber beschlossen sie, daß ich zweiter Klasse fahren dürfe, weil ich noch am 5. Auguft als Expertin in einer parlamentarischen Enquête zu erscheinen hatte und dann bei Nacht allein reisen mußte. Aber auch da fand sich noch Rat durch die Güte wohlgefinnter Genoffen. Der damalige Parteitaffierer( später mein Gatte), Genosse Julius Popp, verstand es, den Genossen Hugo Schmied aus Jägerndorf , der als Delegierter Schlesiens nach Zürich zu fahren hatte, zu bestimmen, ebenfalls erst am 5. Auguft und auch zweiter Klasse mit mir gemeinsam zu fahren, weil man doch das junge Mädchen nicht allein die weite Reise machen lassen kann".
Als ich am Bahnhof erschien, bestand meine Ausrüstung für die große Reise und einen sieben Tage dauernden Kongreß aus einem kleinen Handtöfferchen, den ich schon früher für meine Agitationsreisen getauft hatte. Ich kam direkt aus dem Barlament, wo ich meine Aussagen als Erpertin der Textilindustrie gemacht hatte, und trug alles, was ich an repräsentativen Kleidern besaß, auf dem Leibe. Eine leichte Schoß unten und eine Stoffschoß darüber. Der Leib", wie man damals das Kleidungsstüd nannte, das heute in eine Bluse verwandelt ist, hatte ich an und die zweite war in Zeitungspapier eingerollt, mit einer Spagatschnur umwickelt, am Henkel des Röfferchens festgebunden. Zur Berabschiedung" hatten sich einige Genoffen am Bahnhof eingefunden. Der eine überreichte mir einen gebratenen Rapauner als Wegzehrung, der andere ein Fläschchen Rognat gegen llebelteiten und der dritte saure Durstzuckerln. In Verwendung tam nur das Rognaffläschchen. In dem heißen Coupé zweiter Klaffe, das vollbesetzt war, während im Rorridor noch Leute auf ihrem Gepäck faßen, stellte sich die Seefrankheit zu Lande ein und ehe ich noch den Kapauner angerührt hatte, befolgte ich den Rat der Mitreisenden und nahm einen Schluck Rognat. Damit war das llebel vollständig besiegelt. Nie konnte ich in Zukunft beim Reisen den Widerwillen gegen alkoholische Gerüche überwinden. Den Kapauner aßen schließlich andere. Denn ich war, solange ich mich in der Eisenbahn befand, nicht imftande, etwas zu mir zu nehmen. In Zürich aber war für mich vorgesorgt. Um 5 Uhr nachmittags etwa rollte der Zug in die Halle des Züricher Bahnhofes. An der Seite des Genossen Schmied, mein Köfferchen in der Hand, entstieg ich dem Zug und wurde von Genoffen August Bebel empfangen. Noch heute sehe ich, wie Genoffe Bebel, den ich schon ein Jahr vorher bei einer Versammlung in Wien fennengelernt hatte, mir mein„ Gepäck" abnahm. Das Zeitungspapier war mittlerweile zerrissen und der rote Leib" bot sich entschleiert allen Blicken dar. Aber tein Zug im Geficht des Genossen Bebel verriet, daß er von meiner armseligen Ausrüftung etwas bemerkt hatte. Für mich gab es der Ueberraschungen
In meiner Erinnerung aber lebt der Augenblick fort, wie der berühmte große August Bebel meine Tasche mit dem daran hängenden Leib" trug.
Dämmerung.
So fräumen still und tatenlos. Die Hände liegen in dem Schoß,
Der Tag verrinnt. Das Dämmern fließt Geheimnisvoll und Dunkel gießt Und Dunkel webt und hüllt dich ein Und alles Sorgen wird so flein.
Bruno Schönlant.
Rationalisierung der Liebe?
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Wir sind mit tausend Fäden in die mechanisierte Wirtschaft unserer Zeit verflochten. Die Maschine, dic Organisation regieren unseren Tag, der vernunftgemäße Grundsaß, mit geringstem Kraftaufwand höchste Leistung zu erreichen, bestimmt unser Handeln. Eine solche mechanisierte Lebensweise steht im Begriff, auch die Bezirke anzutasten, die bisher unabänderlich erschienen, die Regungen unseres Herzens, die Liebesbeziehungen zwischen Mann und Frau. Ob es sich dabei nur um eine Wandlung von Formen und Anschauungen handelt oder um eine tiefgreifende Aenderung im Wesen der Geschlechter, insbesondere der Frau, läßt sich noch nicht erkennen. Die Formen, in denen sich das Liebesleben abspielt, haben ebenso wie die Moralbegriffe und felbft die Staatsgefeße mit jeder Zeit gewechselt. Als die Frau die äußere Gleichstellung mit dem Mann errang, als sie seine Berufe ergriff, zum Teil auch seine Rechte und Pflichten erhielt, da mußte sie ihm auch innerlich anders gegenüberstehen. Das Ideal der Hausmutter, der Dienerin verschwand. Der Mann lernte die neue Kameradin, die Genoffin schäßen. Die Freiheit im Verkehr der Geschlechter ist bereits eine Selbstverständlichkeit geworden. Trotzdem ist noch nie soviel von ferueller Not und fegueller Frage gesprochen worden als in unserer Zeit.
Es mag sein, daß diese Fragen zu jeder Zeit brennend gewesen find, nur daß sie heute ohne Hemmungen besprochen werden, während man sie zu anderen Zeiten totschmieg. Es mag auch sein, daß die schwierige äußere Lebenshaltung diese Not verstärken half. Aber das ist nicht das Wesentliche: Die Not entstand daher, daß die Frau, die sich dem Mann als gleichgestellt mit gleichen Aufgaben empfand, die ihr von der Natur gestellten eigenen Aufgaben ebenfalls zu erfüllen hatte. Die Arbeit des Gebärens, das Kind und seine Erziehung, diese Folgen der Beziehungen, die sie mit dem Mann leicht und frei knüpfte, die Berantwortung und die Dauer: even das Kind, verbleiben ihr. Kein Wunder, wenn sie das Kind als Störung, als Hemmnis empfand. Geburteneinschränkung ist nicht Ent artung, denn besser zwei Kinder ordentlich und gesund großziehen, als zehn frante und verhungerte. Aber auch aus inneren Gründen fordert die Frau das Recht zur Geburtenbeschränkung. Sie, die Anteil hat am öffentlichen Leben, die in Staat und Partei, in Fabrit und Kontor Arbeit leistet, will mehr sein als eine alljährlich gebärende und fäugende Ruh" Haus und Kinderstube fönnen ihren Gedankenkreis nicht mehr allein ausfüllen.
Mancherlei Hilfsmittel fönnen der Frau von heute ihr Leben erleichtern: rationelle Haushaltführung, Einführung der Maschine in das Haus. Auch die angestrebte Abschaffung des§ 218 gehört in diese Richtung. Das Wesentliche aber ist: die innere Einstellung der Frau zu dem Liebeserlebnis. Es ist eine alte Theorie, daß dem Mann seine Arbeit, sein Werk als oberste Triebfraft gelte, erst an zweiter Stelle stehe das Liebeserlebnis, während der Frau das Liebeserlebnis den Schwerpunkt ihres Daseins bedeute, hinter dem die Arbeit, das Werk zur Nebenfache werde. Schon von Natur aus scheint die Liebe ihr einziger Beruf zu sein. Wie aber, wenn sie, von der Mechanisierung des Lebens nun einmal in Welt und Wirtschaft getrieben, nicht mehr die äußere und innere Möglichkeit findet, diesen einzigen Beruf allein auszufüllen? Die Arbeit ist ihr mit der Zeit zum Freund geworden, die Verantwortung an der Gesellschaft