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Frau und Organisation.

Wohl nirgends herrschen in der Produktion schlechtere und will fürlichere Zustände als in der Heim industrie. Dies trifft ins­besondere für die Branchen zu, in denen ausschließlich oder über­wiegend Frauen arbeiten. Der Grund dafür ist, daß diese Frauen zum großen Teil organisationsfremd sind. Dieser Zu­stand hat sich auch sehr wenig gegenüber der Vorkriegszeit geändert, trotzdem die Frau auf Grund der republikanischen Verfassung völlig gleichberechtigt ist.

Die Heimarbeiterin als Frau und Mutter überläßt gewöhnlich diese Sorge ihrem Ehemann. Der größte Teil der Ehemänner füm­mert sich ganz gleich, aus welchem Grunde nicht in dem Maße um die Lohn- und Arbeitsbedingungen wie um die Organisationszu­gehörigkeit seiner Frau und Mitverdienerin, um sie vor Ausbeutung ihrer Arbeitskraft durch den Unternehmer zu schützen.

Es genügt, ein Beispiel aus dem praktischen Leben herauszu= greifen, um die zweckmäßigkeit und den Wert einer Organisation vor Augen zu führen.

Betrachten wir uns z. B. unsere Eisenbahn. Achtlos geht der größte Teil des Volkes an diesem organisierten Apparat vorüber und gerät höchstens mal in Wallung, wenn da oder dort ein Unglück passiert. Betritt man den Fernbahnhof einer größeren Stadt, um eine Fahrt zu unternehmen, so kann man schon beim Kauf der Karte das Organisatorische an dem planmäßigen Auf- und Ausbau er­kennen. Die Fahrzeiten werden fast mit größter Genauigkeit ein­gehalten, wozu natürlich wieder eine planmäßige Vor- und Aus­arbeitung notwendig war. Dazu kommt noch das Signal- und Weichensystem, der Fernsprecher und Telegraph, also riesige technische Hilfsmittel. Ein Anruf nach der Blockstation, ein Hebeldruck und der Zug kann auf der Strecke zum Halten gebracht werden.

Das ist Organisation!

Dieses Beispiel fönnte man auf viele Gebiete ausdehnen. Doch was mit dem Beispiel getroffen werden soll, ist folgendes:

Genau so achtlos, wie man an dem ganzen Eisenbahnapparat vorübergeht, betrachtet man es als selbstverständlich, daß er funt= tioniert. Man fann etwas hören und erleben, wenn die Abferti gung an dem Schalter nicht flappt oder der Zug Verspätung hat. Dann wird über die schlechte Organisation räfonniert.

Der große Teil unserer Volksgenossen bekundet damit, daß ihm der Begriff Organisation" nicht wesensfremd ist. Man fordert fie in allen Nüancen und besteht auf strikte Durchführung. Für die eigene Person lehnt man jedoch vielfach die Eingliederung aus irgendeinem fadenscheinigen Grunde ab, da hiermit Pflichten verbunden sind. Trotzdem erkennt man an, daß nur durch Organi­fation, und zwar durch eine gute, etwas geleistet und erreicht werden kann.

Für uns Arbeiter und Angestellte bedeutet eine gute Organi Jation in erster Linie eine möglichst restlose Eingliederung in diese, jedoch soll und darf das nicht allein ausschlaggebend sein; denn Or­ganisation ist gleichbedeutend mit Organismus, was etwas Lebendiges darstellt. Von einem gesunden Lebewesen aber ver­langt man, daß nicht nur ein Teil, sondern alle Glieder in Tätigkeit sind. Neben der restlosen Eingliederung ist also in zweiter Linie die Mitarbeit oder das Sich- zur- Berfügung stellen des ein­zelnen Mitgliedes notwendig, sonst ist die Arbeit des Organisators bis zu einem gewissen Grade als vergeblich zu betrachten. Eine Arbeiter- oder Angestelltenorganisation, deren Ziel die Erringung menschenwürdiger Lchn- und Arbeits­bedingungen ist, bedarf ebenfalls cines feingegliederten Dr­ganisationsapparats, um allen Anforderungen gewachsen zu sein. Technische Hilfsmittel kommen hier so gut wie gar nicht in Frage, sondern jedes Mitglied muß helfen, das Material zusam­menzutragen und den Organisator von allem zu unterrichten, was von Interesse für die Organisation ist. Dieses trifft bei Tariffragen und insbesondere bei Aufstellung von Stücklöhnen zu, die nicht von individuellen Gedanken und Leistungen getragen sein dürfen, sondern in dem der Gemeinfinn vorherrschend sein muß.

Da die Schaffung von Tarifen mit die Hauptaufgabe einer wirt­schaftlichen Organisation ist, verlohnt es sich auch, die Frage zu streifen: Was ist ein Tarif?

Es herrscht vielfach die Ansicht, daß die tarifliche Regelung des Arbeitsverhältnisses durch Reichsgesetz festgelegt sei. Das ist aber nicht der Fall und kommt nur bedingt in Frage.

Ein Tarif ist ein Abkommen zweier Parteien, welches gegen­feitige Leistungen festlegt und nun als Gesetz gilt, d. h. beide Parteien haben auf diese Leistungen ein flagbares Recht. Allgemeines Recht erlangt ein Tarif jedoch erst, wenn er durch das Reichsarbeits­ministerium für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Mit der Kündigung einer oder beider Tarifparteien und Auf­hebung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifs hat also ein der= artiger Kollektivvertrag seine gesetzliche Kraft oder allgemeines Recht verleren; an deren Stelle trift dann der individuelle Ar­beitsvertrag, dessen Gestaltung immer von der augenblicklichen Wirtschaftslage und von Angebot und Nachfrage abhängt. Eine derartige Regelung liegt aber in der heutigen Zeitepoche nicht im Interesse von Lohn- und Gehaltsempfängern, fogar nicht im Interesse der gesamten Volkswirtschaft; denn die Konsum fähigkeit wird hierdurch wesentlich beeinflußt, womit wiederum der Produktionsprozeß allmählich eine Abdroffelung erfährt. Das find unvermeidliche Folgeerscheinungen, wie sie uns die Pragis be reits lehrt.

Die hier aufgezeichneten Schwankungen, die das Wirtschaftsleben gefährden, müssen nach Möglichkeit eingedämmt werden.

Hierzu

bietet das Tarifwesen den geeigneten Faftor, wobei natürlich jedes konservative Erstarren vermieden werden muß. Die beste Gewähr bietet hierfür eine gute Organisation. Die Steigerung des Konsums darf nicht auf Kosten und durch Ausnugung der mensch lichen Arbeitskraft erreicht werden. Dieses Problem soll und muß Sache der Techniker und Ingenieure sein.

Darum, ihr werttätigen Frauen, nur durch Selbst= hilfe könnt ihr euch die Gleichberechtigung erzwingen. Alle Geseze und deren Bestimmungen sind nur Hilfsmittel in diesem Kampf und nur Papier, wenn ihr nicht für die Verwirklichung eintretet, um dem tolen Buchstaben Leben zu verleihen.

sich

Es darf darum nur eine Parole geben:

Hinein in die Organisation!

Sp Sinein i

Die Frauen in den Gewerkschaften.

W. L.

Die 1800 000 gewerkschaftlich organisierten Frauen verteilen

in der Hauptsache auf folgende Länder:

Gewerkschaftliche Landeszentrale

in

Deutschland  , ADGB  .

AfA.

England Desterreich Tichechoslowakei Belgien Dänemark

Bolen Schweden. Ungarn  Schweiz  Niederlande  Jugoslawien  . Lettland  Memelgebiet.

Weibliche Mitglieder der gewerkschartlichen

Internationale

763 000

108 000

295 000

191 000

61.000

50 000

39 000

36 000

31 000

17 000

13 000

11 000

2500

2.000

300

Ungefähr 100 000 weibliche Mitglieder sind außerdem vorhanden in den gewerkschaftlichen Landeszentralen in Bulgarien  , Frankreich  , Italien  , Kanada  , Luxemburg  , Palä= stina, Rumänien  , Südafrika   und Spanien  , die über die Zahl der organisierten Arbeiterinnen keine besonderen Angaben gemacht haben.

Was tut Berlin   für seine Kinder?

Eine sehr bemerkenswerte Statistik ist vom Landesjugend­amt Berlin   aufgestellt worden. Es handelt sich um ein Ver­zeichnis der Tagesstätten für Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder von Groß- Berlin, geordnet nach Bezirken und gegliedert in Krippen und Lauftrippen" ,,, Kindergärten"," Horte", Tages­heime" und Horte für geistig zurückgebliebene, bzw. schwer erziehbare Kinder". Wichtig sind die Angaben über Träger und Organisation der verschiedenen Anstalten und über die Zahl der Pläge in ihnen. frippen. In Krippen finden Säuglinge bis zu einem Jahr Auf­Groß- Berlin hat nur 24 Krippen und Lauf­nahme, in Lauftrippen Kinder von 1 bis 3 Jahren. Diese 24 Krippen verteilen sich auf 20 Bezirke, und unter diesen 20 Bezirken sind 9, die weder eine Krippe noch eine Lauftrippe aufzuweisen haben. Darunter finden sich Bezirke mit vorwiegender Arbeiterbevölkerung, wie Weißenfee, Reinickendorf   und Friedrichshain  ! In diesen Be= zirken haben also die arbeitenden Frauen überhaupt keine Möglich­feit, ihre Säuglinge während der Arbeitszeit in ein Heim zu bringen, wo fie gepflegt und erzogen werden können. Man muß die Arbeiter­viertel Berlins tennen, die trostlosen Wohnungsverhältnisse, die gesundheitlichen und fittlichen Gefahren, denen gerade diese kleinen Kinder ausgesetzt sind, um zu wissen, was diese Krippenlosigkeit für das Berliner   Proletariat bedeutet.

In den bestehenden 24 Krippen fönnen nur 534 Kinder Auf­nahme finden. In einer Biermillionenstadt wie Berlin  ! Diese Zahl wäre lächerlich, wenn sie nicht so unfagbar traurig wäre! Leider liegen die Zahlen der letzten Bolkszählung 1925 für Berlin   noch nicht vor, so daß wir die Zahl der Säuglinge und Kleinkinder bis zum dritten Jahre nicht feststellen können. Auf 100 000 dürften wir sie aber ruhig schätzen.

Unter den 24 Krippen sind 9 ausgesprochen tonfessionelle Anstalten, darunter vier jüdische, drei evangelische und zwei katholische. Als Organisationen tommen hauptsächlich in Betracht: der Verband für Jüdische Wohlfahrtspflege, der Evangelische Ver­band für Kinderpflege und der Verband katholischer Kinderheime. Zehn Krippen gehören dem 5. Wohlfahrtsverband an, als Träger" treten hervor: ,, Berein Jugendheim" und" Berliner Verein für Bolkserziehung". Eine Krippe gehört dem Elisabeth- Frauenverein, und nur vier Krippen sind städtische Anstalten. Nun heißt es zwar, in den Richtlinien des Landesjugendamtes für die von der Stadt Berlin   unterstützten Kindergärten. Bewahranstalten und Horten": ,, Die Aufnahme der Kinder in die Tagesstätten hat ohne Rücksicht auf Glaubensbekenntnis und firchliche Gemeindezugehörigkeit zu er folgen." Und die Anstaltsverstände haben im Sinne der Reichs­verfassung dafür zu sorgen, daß jeder Gewiffens zwang ausgefchloffen wird". Aber es ist doch jedem Psychologen klar, daß konfessionelle Heime nicht anders als tonfeffionell beeinfluffend wirken können. abst wenn man es dort nicht wollte! Denn man kann sich selbst