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Frauenstimme

Nr.26+ 43.Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

23. Dezember 1926

Das Fest der Mutter und des Kindes.

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Weihnacht- Märchenland! Traum der Kinder voll| Tannenduft, Lichterglanz und fröhlichen Gaben! Fest der Liebe, der Freude, des Ausruhens und Stilleseins für die Erwachsenen? Verflungene Afkorde! zu schwer lastet die Not der Zeit auf Millionen Familien, auf Millionen Ein­samer, die faum wissen, wohin sie ihr Haupt legen sollen. Armut verbittert, Not macht hart. Haben wir noch das Recht, in so harter Notzeit dieses Fest zu feiern, dessen stiller Zauber an alle Herzen rührt. Das gerade darum die Elenden doppelt elend macht. Ja. Und weil wir So­zialisten sind, hat dieses Recht fich längst zur Pflicht für uns erweitert: zur Pflicht der Ge­meinschaft.

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Liebe, Freude, Friede haben nicht alle ein Recht dar­auf? Sind wir nicht alle unter einer Sonne geboren? Sind wir nicht alle gleiche Kinder ihres Lichts? Sonnenwendel Wir wissen, daß jedem Winter der Frühling folgen muß und wir feiern den Tag dieser Ge wißheit, wenn die Sonne ihren tiefften Stand überwunden hat. Wir zünden den Freuden, den Lichterbaum an. Mag Frost und Schnee noch fommen, mögen dunkle Wintertage uns noch be­brücken und Stürme uns um heulen, die Sonne tommt wieder. Knospen und Blühen, Wärme und Leben wird wieder um uns fein.

Warum ist unser Glaube an eine bessere Zukunft so ohne Zuversicht geworden? Weil so olelen unserer Brüder und Schwestern der Tag so dunkel ist, daß sie Weg und Ziel ver­fieren. Dann laßt uns helfen, daß sie den Weg wiederfinden, daß sie wieder an sich selbst und an die Zukunft der Arbeiterklasse glauben lernen. Laßt uns auch

schaftsordnung hat das letzte getan, um Heiliges und Größtes roh und gemein zu machen: sie hat die Liebe und den Willen zur Mutterschaft unter die Hungerpeitsche genommen.

Lohnt es nicht, dafür zu kämpfen, daß dieser Wille wieder frei werde, um das Menschentum jeder Frau in ihrem Muttersein zu vollenden? Sollten nicht alle Frauen gemein­

Blaß getürmt in schwarzer Nacht, an der Großstadt totem Rand, ragt gespenstisch Mauerwand, klafft hinab der bumpfe Schacht, grundlos tief. Himmelsferne. Lautlos starr. Mietstaserne.

Draußen hat den feierlichen Bogen über andachtsstumme Wälder weit schweigend prächtig Weihenacht gezogen, übersprüht von Sternenseligkeit. Threm tiefen Liebensfrieden neigen sich die Wesen all, sanfter Schall

süß erblüht aus teusch verhaltnem Schweigen. Hold in eins verschränkte Liebeschöre weben durch fristallentiare Sphäre. Lauschen, Antwort, Seligkeit ringsum. Nur die toten Mauern

in verfteintem Traueru trogen, starren stumm.

Fenster sind von Leib vergittert, Höfe ganz in Gram verschlungen, an der trüben Wand verzittert weh der Schall, ins Nichts verflungen. Kein Licht, fein Singen, teine Sterne. Not, Frieren, Hunger.- Mietstaferne.­

Auf, so laffet uns erlösen fene armen, toten Mauern. Ueberströmt von Liebesschanern sollen sie zum Heil genesen. Licht soll hluter Fenstern blühen, Rinderlachen füß entspringen, und bet weihnachtlichem Singen Glanz auf ernste Zweige sprühen. Erste, wahre, hetlige Weihenacht, wenn die dunkle Sehnsucht sich erfüllt, Jubellaut aus allen Wesen quillt, und der große Aufruf groß vollbracht.

sam ringen um dieses Ziel? Wenn wir Sozialisten fämpfen um einen Ausbau der gesetzlichen Wochenhilfe und Wochenfür forge, des Schwangeren- und Wöchnerinnenschutzes, um die Hergabe von öffentlichen Mitteln für die Kinderspeisung und Kin dererholungsförforge, um die Abschaffung der gewerblichen Kinderarbeit, um die Herab­setzung der Arbeitszeit und aus­reichende Ferien für die Jugend­lichen, um bessere Arbeits- und Lohnbedingungen für alle arbet­tenden Menschen, so ist das der mirtliche Kampf um Mutter und Kinder­glück!

Wir wissen, daß der Erden­not fein Erlöser vom Himmel tommen fann, aber wir wissen auch, daß jedes Kindlein Zu­funft bedeutet. Eine freie, lichte, schöne Zukunft wenn es ohne Knechtung, in Berantwor tung und Liebe geschaffen, wenn es in stolzer Freude zu Welt ge­tragen wurde. Es ist die sittliche Pflicht der Gemeinschaft, die Staat heißt, an so stolzem Werke bauen zu helfen, indem er für seine ärmsten und schutzlosesten Kinder mit aller Kraft eintritt. Nur, wenn der Staat die volle Verantwortung für den einzel nen anerkennt, tann er wieder die volle Verantwortlichkeit des einzelnen für das Ganze ver langen. Kinder und heran­wachsende junge Menschen er zieht man nicht durch Moral

Weihnachten einen Aufruf sein zu neuem Kampf. Die| predigten zu ſittlicher Größe, sondern durch das Beispiel der fromme Legende berichtet, daß in der heiligen Nacht in Tat. Darum darf kein Kind hungern, fein heranwachsender teffter Armut ein Kindlein geboren wurde, über deffen Haupt junger Mensch ohne Arbeit und Obdach sein in einem ver­ber Stern der Liebe stand. Durch Liebe sollte es die Mensch- antwortlichen Staatswesen. Der soziale Aufbau ist die wirt­heit von aller Not erlösen und seine Mutter Maria wurde samste Tat. Daran mitzuhelfen und so den Frieden zu zur Gottesmutter, obwohl ihr Mann nicht der Vater des sichern, die Kulturentwicklung der Menschheit zu fördern, ist Kleinen Jejustnaben war. So ist dieses Fest die schönste Ber  - unsere Pflicht. herrlichung des Menschwerdens, die Heiligsprechung der Mutterschaft. Und was ist daraus geworden im Laufe der Beit? Die Bertreter des Besizes und der Kirche haben das heilige Wunder der heugung und Geburt zu einer Angelegen heit der Erbfolge entwürdigt; haben die Mutterschaft ge­trennt in eheliche und uneheliche, haben sie gewertet in moralische und unmoralische. Und die tapitalistische Wirt

Dem brutalen Egoismus, der, durch Krieg und Inflation gestärkt, noch die Gegenwart beherrscht, laßt uns immer Don neuem unseren Gemeinschaftsgeist entgegenstellen. Aus der Tiefe muß die Erlösung fommen, nur in der großen Gemeinschaft des Sozialismus fann sie uns werden. Und so laßt uns auch Weihnachten feiern. Das Fest der Liebe, das Fest des Lichtes. Clara Bohm- Schuch  .