Die Mode und wir.
Kaum eine gesellschaftliche Erscheinung hat so viel Diskussionen aufgewirbelt wie die moderne Sportbewegung und die heutige Mode. Was allein schon über die turzgeschnittenen Haare der Frauen geschrieben und geredet worden ist, würde Bände füllen, in denen alle Barteien zu Worte tämen und deren Inhalt gewiß ein interessanter Querschnitt der geistigen und sozialen Strömungen unserer Zeit wäre. Ob dabei die Inquisition gegen den Bubitopf immer von den politisch reaktionären Schichten ausgeht, ist eine Frage für fich; wir wiffen ja längst und nicht nur aus einer Erfahrung heraus, daß politische Frondeure nicht unbedingt kulturelle Fortschrittler fein müssen und daß leider nicht nur alte Kleider, sondern auch Meinungen im Hinterhaus aufgetragen werden.
Bei allen Angriffen auf eine Moderichtung scheinen mir drei Gefichtspunkte wichtig; erftens: ift fie ä ft hetisch befriedigend, aweitens: ist fie prattisch und hygienischen Anforde. rungen entsprechend, drittens: ist sie moralisch. Dieses Schema ist allerdings alles andere als starr, denn schließlich find fich die meisten Menschen nur in der Beantwortung der aweiten Frage einigermaßen einig. Das Schönheitsideal ist ebenso wie das moralische so sehr dem Wandel der Zeit( viel mehr als dem persönlichen Geschmad) unterworfen, daß die Bejaher der Gegenwart ewig mit den Anhängern vergangener Geschmacks. richtungen und Sittenbegriffe auf Kriegsfuß stehen werden. Es gibt ja heute, wo die knabenhaft elastische Schlantheilt Triumph ist, der fünstlerisch wohl am besten der Bildhauer Flori in seinen herben, feingliedrigen und dabei etwas eckigen Figuren Ausdruck gibt, noch eine Menge Liebhaber mittelalterlicher Gretchen- und Madonnentypen und der foloffalen Weiblichkeit Rubensscher Frauengestalten. Und ebenso tönnen sich altfränkische Zanten und Ontel niemals mit den förperenthüllenden Sitten der Freibäder und Sportpläge wie auch nicht mit der Selbständigkeit der modernen weiblichen Jugend befreunden.
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für die Phantasie par exllence waren, wird das nicht leugnen. Und wenn man gar noch auf ganz frühe Völker zurückgreift, um bei denen vernünftigere Kleiderfiiten zu entdecken, so erinnere ich nur an die Liebhaberei des Schminkens und Puderns bei den Aegyptern und führe einen Ausspruch des Geschichtsforschers Ragel an: Bon vielen Naturvölkern fann man jagen, daß der größte Teil ihrer Bölker sind in ihren Kreisen größere Modenarren als es die in der Gedanken und ihrer Arbeit der Berzierung ihres Körpers gilt. Diese Kultur höchststehenden sind."
bringen, sie sei nur das Gehirnprodukt eines amerikanischen oder Nein, die Mode ist gewiß nicht auf die einfache Formel au Bariser Schneiderfünstlers. Sie ist eine soziale Erscheinung wie die Kunst und fast mehr als diese der zuverlässigste Kulturspiegel, den wir befizen. Evolutionen und Resolutionen der Gesellschaft haben fich in erster Linie die menschliche Kleidung ausersehen. Und wenn nicht geräuschvoll erschüttert hat, so hat fie in der Mode einen die große geistige Befreiungsbewegung der Frauen die Erde auch Seismograph gefunden, der ihre Willens- und Zietrichtung mit der Genauigkeit eines sehr feinen und empfindsamen Instrumentes registriert. Margarete Bauer.
Wenn Akademikerinnen reden...
anstaltete in den letzten Monaten eine öffentliche BortragsDie Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit verreihe über das Thema: Die Frau in der Kultur der Gegenwart. Borweg muß leider festgestellt werden, daß dies überaus zeitgemäße, an padenden Broblemen überreiche Thema erstaunlich dürftig und unbefriedigend behandelt wurde; es gab dauernd Begriffe statt blutvoller Wirklichkeit, Abstraktionen statt Leben. Die Rednerinnen waren durchweg Meisterinnen der Kunst, mäßige Gedanken formschön und bedeutend auszudrücken, aber der Ertrag zerrinnt einem unter den Händen.
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Schon auf den ersten der Vorträge von Dr. Marianne Weber Was sich über die Schönheit der Mode unserer Tage sagen läßt, über„ Die Frau und die Kultur des Geschlechtsdas berührt sich aufs engfte mit der Frage, wie man überhaupt zu lebens" trifft dieser Vorwurf vollauf zu. Zahlreich erschienene dem modernen Ideal des weiblichen Körpers steht. Daß aber für fuchende Jugend, die glaubte, von der Lebensgefährtin des be den festen, schlanken, in der Anmut der Bewegung geschulten Körper deutenden Max Weber Richtungweisendes für den eigenen Weg zu die alle überflüffigen Stoffmengen vermeldende, schnörkellose, nur empfangen, fah sich getäuscht. Der Vortrag bestand fast durchden Adel der Linie betonende Moderichtung die entsprechendfte, lach weg in einer Gegenüberfstellung des Paares Wilhelm und Karoline lichste und schönste ist, läßt fich taum leugnen.( Freilich gewiß von Humboldt und des Buches von Alexandra Kollontay Wege der nicht immer für die üppigen und rundlichen Frauen, für die besonders Liebe". Sie vergaß ganz, daß es zwischen diesen beiden äußersten der wadenfreie Rod faum verteilhaft ift.) Daß natürlich jede Mode Bolen, zwischen einer vollkommenen, idealen Ehe und der entseelten, alberne und unschöne Uebertreibungen hat, erleben wir nicht erst rationalisierten Triebbefriedigung eine Unzahl zwischenstufen gibt, heute. In der Zeit der mehr als ein Jahrhundert herrschenden die überhaupt erst die eigentliche Problematik bergen. Der AusSpanischen Tracht war die ganze Mode für unsere heutigen Begriffe nahmefall zweier Ausnahmemenschen ist für unser gegenwärtiges eine einzige häßliche llebertreibung mit ihren Schleppen, Schnüre Ringen so wenig maßgebend, wie die Kollontanschen Konstruktionen, brüsten und Gänsebäuchen und ob die Mühlsteinkrausen, die spigen zumal bei uns in Deutschland , für einen neuen Frauentyp beHauben der mittelalterlichen Hausfrauen und die ungeheuren zeichnend sind. Am Eigentlichen, das uns tausendfach aufwühlt und Schinkenärmel denen zusagen würden, die mit dem heutigen Schön innerlich bewegt, redete Marianne Weber vorbei. Der zweite heitsbegriff der Mode unzufrieden find, ist auch noch die Frage. Bortrag über: Das Persönliche im heutigen GefellBom Standpunkte der Zweck dienlichkeit und der Geschaftsleben" von Dr. Marie Offenburg brachte leider keine fundheit ist, das läßt sich gar nicht bestreiten, die moderne Erholung. Ueber die Griechen, das Rokoto und die geistreiche Frau Frauenkleidung wohl aber das Bollkommenste aller bisherigen der Romantit als Mittelpunkt erlejener Geselligkeit ging es in die Moderichtungen. Sogar die gepriesene griechische Tracht mit Gegenwart mit ihrer Berfachlichung und gleichzeitig Bersönlichkeitsihren bis zu den Füßen reichenden Chitons und ihren gerafften und differenzierung. Infolge ihres Einführungsvermögens sprach Offenbauschigen lleberfällen war dagegen unpraktisch ausgenommen burg der Frau eine besondere Fähigkeit für die Fürsorgearbeit die kniefreien Chitons der damaligen Tänzerinnen und Sportsdamen, au. Unseres Erachtens dürfte man folche Urteile erst in hundert die auch die Jünglinge(!!!) trugen von der römischen Tracht mit Jahren fällen, wenn die Frau erst einmal die Möglichkeit zur BeIhrer repräsentativen Toga, deren Anlegen sehr zeitraubend war, tätigung auf allen Gebieten gehabt hat. Bei jeder Gelegenheit ganz abgefehen. Wie oft haben mir Frauen fchon gefagt: Die wiederholt sich in der bürgerlichen Frauenbewegung der Fehler, das heutige Mode ist doch wundervoll vernünftigt" und haben sich damit Wesen der Frau als etwas Feststehendes, Unmandelbares zu bezur Emanzipationsbewegung des weiblichen Geschlechts befannt, die trachten und damit auf die sich entfaltenden Kräfte einen Druck in auch in der Mode die beengenden und degradierenden Attribute: das einseitiger Richtung auszuüben. Dritte Bortragende war Dr. Ger Korsett, den falschen Zopf( ebenso wie den echten) und die Dußende trud Bäumer über„ Die Frau und das geistige Schaffen". höchft überflüffigen Unterröcke beiseite warf. Nach einer guten Darstellung des geistigen Schaffens am objettiven Wert erweiterte sie dies auch auf die Bildung am Menschen, womit sie die Leistung unzähliger Frauengenerationen gerecht würdigte. Geistiges Schaffen ist nicht nebenamtlich, die Konzentra tion darf nicht in persönliche Dinge aufgelöst werden, die Frau darf nicht denken, fie brauche nicht zu schaffen, wenn fie liebt, hatte Bäumer die hauptsächlichsten Hemmungen des geistigen Schaf fens der Frau treffend gekennzeichnet. Aber auch ihr Vortrag mangelte völlig der konkreten Beispiele und Untersuchungen, auch er verschwebte im Wesenlosen der Begrifflichkeiten, und die Heranziehung der Frau zum geistlichen Amt als einzige abschließende Zu funftsordnung dünft uns ein recht mageres Ergebnis. Den Be Schluß machte Ministerialrat Helene Weber mit dem Thema: Frau Was nun aber die Unsittlichkeit der modernen Mode und Staat". Wie hätte sich gerade bei diesem Thema aus dem betrifft, in deren Beurteilung sich alle Kleriter einig, in deren Bollen schöpfen lassen! Frau Weber aber wußte wesentlich nichts Bekämpfung fie aber ebenso ohnmächtig sind wie die mittelalterlichen anderes zu sagen, als daß die Frau nach leberwindung ihrer BaffiviMagistrate mit ihren Kleiderverordnungen, so müßte man in dem tät und Berantwortungsfcheu( aus übertriebenem BerantwortungsBunfte alle übrigen Moden mit Ausnahme vielleicht der unschein gefühl) ihre geistige Mütterlichkeit im Staate einzulegen häfte. baren grauen der englischen Buritaner verdammen. Jebe Mode war Unseres Erachtens follte man das entfeßlich mißbrauchte, geschundene immer zugleich Diplomatin der Liebe und versucht fie heute ihre Wort„ Mütterlichkeit" mal für einige Jahre in diesem Zusammenleberredungsfunft mit den kniefreien Röcken, so trieb sie fie früher hang nicht mehr aussprechen. Nach unserer Ueberzeugung hat die vielleicht noch schamlofer mit Dekolletés, mit anzüglichen Wattie Frau Recht und Pflicht zur Mitarbeit im Staate an jeder Stelle rungen und in der Männermode des Mittelalters mit einer folch fraft ihres Menschen- und Staatsbürgertums und ihrer sachlichen aufdringlichen Betonung der Geschlechtsteile, daß man sich darüber Leistung. Auch daß die Frau dank ihrer Liebestraft den Weltfrieden nur mit Komit entrüften fann. Ja, in der Reizbetonung des bejahen muß, ist angesichts der zahlreichen Anhängerinnen revancheSeruellen ist wohi faum eine Mode fo zurückhaltend wie die heutige! durstiger Rechtsparteien eine anfechtbare Behauptung. Auch auf das Wer an die Bollbusigtelt, Schnürtaille und Breithüftigkeit der Mode Schund- und Schmutzgeseß, das der Rednerin besonders am Herzen von vor fünfzig Jahren und an die ebenso Schwangerschaft verlag, da sie in der Zentrumsfraktion tatkräftig an feinem Zustandebergenden wie vortäuschenden Krinolinen denkt, die ein Reizmittel fommen mitarbeitete, tam sie zu sprechen, indem sie die Freiheit der
Es sei widerspruchslos zugegeben, daß frühere Moden auch ihre Reize hatten, an denen wir uns noch heute auf Stichen und Gemälden erfreuen. Die würdevolle, mit reichem Schmuck beladene Kleiderpracht der Renaissance wird ebenso wie die graziös- foketten Seidengewänder des Rototo und die sinnige löckchenbehangene Bürgerlichkeit des Biedermeier auch den Gegenwartsmenschen entzüden. Aber, um Gotteswillen, wo nähme die arbeitende Frau von heute, auch die arbeitende der höheren Kreise, die natürlich nicht Fabrifarbeiterin, sondern Aerztin und Rechtsanwältin ist, die Zeit und den Sinn her, sich eine turmhohe Frisur, eine mehrere Meter lange Schleppe und einen Reifrock, für den man in der Straßenbahn awei Pläge bezahlen müßte, bauen zu laffen?
damit