Frauenkurfus in Tinz .

Die Heimvolkshochschule Tinz labet zur Teilnahme an ihrem fechsten Frauenturfus ein. Die Lehrfächer, die in den Frauentursen im Bordergrunde stehen, sind: Wirtschaftslehre, Geschichte, Psychologie, Erziehungsfragen, Frauenfrage, Gewerkschaftswesen, Wohlfahrts wesen. Aufnahme finden Bewerberinnen im Alter von 18 bis 30 Jahren, die teine höhere als Boltsschulbildung genossen haben. Die Bewerberinnen haben an die Schulleitung ein Gesuch und einen felbstgeschriebenen Lebenslauf einzureichen, aus dem neben den allgemeinen Daten über Alter, Staatszugehörigkeit, Berufsaus­bildung usw. der Bildungsgang und der Zweck, der mit dem Besuch der Schule angestrebt wird, hervorgeht. Ferner ist ein Aufsatz ab­zuliefern, über den den Bewerberinnen von der Schulleitung nähere Mitteilung gemacht wird.

Des Schulgeld, in dem die Kosten für Wohnung und Verpfle­gung inbegriffen sind( Bettwäsche ist mitzubringen), beträgt für Sen ganzen Kurfus für Thüringerinnen 125 M., für die übrigen Reichsdeutschen 150 M., für Ausländerinnen 200 M. Das Schulgeld ist bei Kursusbeginn zu entrichten. Hierzu tritt die Verpflichtung, durch regelmäßigen Arbeitsdienst( 6 Stunden wöchentlich) an der Erhaltung der Schule mitzuarbeiten.

Der Kurfus beginnt am 1. August 1927 und dauert bis Weih nachten 1927. Die Bewerbungen sind spätestens bis 15. März 1927 einzureichen. Die Entscheidung des Lehrerfollegiums über die Auf­nahme erfolgt in der zweiten Maihälfte.

Anfragen und Bewerbungen ist Rückporto beizufügen.

Die Leitung der Heimvolkshochschule Tinz ( Thüringen ).

Unvermeidliche Frauenarbeit.

Eine Leserin unserer Frauenstimme" schicht uns folgende Bu­schrift zu einem brennenden Problem der Gegenwart:

Lieber Vorwärts"! Durch Ihre Vermittelung an die Deffent lichkeit haben Sie schon manchem Uebel abgeholfen, deshalb bitte ich nachfolgende Zeilen zu veröffentlichen: Im Anfangsstadium unserer Republik war ein Gefeß herausgekommen, wonach Frauen, beren Männer eine ausfömmliche Stellung hatten, nicht beschäftigt werden durften. Das war eins der gerechtesten Gesetze, die es je gegeben hat. Es wird sich wohl heute noch statistisch nachweisen laffen, daß es zu jener Zeit wenige. Erwerbslose unter den allein­stehenden Frauen mit und ohne Kinder gegeben hat.( Auch Männer im gesetzien Alter.) Ich gehöre zu denjenigen Frauen, welche für sich und ein Kind zu sorgen haben, bin aber leider schon über 40 Jahre, habe auch noch eine alte Mutter zu ernähren. In den meisten Betrieben sind zurzeit, wenn nicht ganz junges billiges Per fonal( bis 22 Jahre), zur Hälfte verheiratete Frauen tätig. Ich rede nicht von jenen finderreichen Familien, wo Krankheit oder schlechte Bezahlung des Ernährers eine Mitarbeit absolut not­wenbig macht, ic; rebe von jenen Frauen, die schon im Besitz einer Wohnung, ihre Ehe auf Kinderlosigkeit einstellen, um die Mittel zu haben, dem Lugus zu fröhnen. Man wird mir darauf antworten, es hätte jeder das Recht zur Arbeit; gewiß, aber fene Frauen erft dann, wenn alle anderen Mitschwestern, welche den Ernährer ihrer Familie vorstellen, thren Pflichten durch Arbeit nachkommen können. Das wäre wohl das sozialste Gesetz, welches die Republik dem Bolle schenken tönnte, es würde dadurch unsäglicher Berarmung und Ver­elendung vorgebeugt werden.

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Wir erhalten aus dem Leserkrets folgende Zuschrift: Eine große bürgerliche Zeitung brachte vor einiger Zeit in interessanter Zusammenstellung die Urteile leitender Wirtschafter über Frauenarbeit. Aus diesen ging hervor, daß die Arbeitsleistung der Frau feineswegs hinter der des Mannes zu rücsteht. Die Fabriken- Oberleitung der AEG. erfennt an, daß die Leistungen der Arbeiterinnen durchaus denjenigen der männ­lichen Arbeiter entsprechen", daß sie sogar die Arbeitsanweisungen zuverlässiger und genauer einhalten", und die Verwaltung der Firmen des Siemens- Konzerns bestätigt gleichfalls, daß sich die Frauen an allen Stellen, b. h. als Bureauangestellte, Techniterinnen und Wohlfahrtsbeamtinnen. durchaus bewähren". Leider ist dieser theoretischen Anerkennung bisher noch nicht die praktische in Form gleichen Lohnes für gleiche Leistung gefolgt.

In diesem Zusammenhang seht es in Erstaunen, wenn der Geschäftsführer der Berliner Konsumgenossenschaft Mirus als ein ziger der Befragten von weniger guten Leistungen der weiblichen Kräfte zu berichten weiß. Sein Urteil lautet: Ich habe die Beobachtung gemacht, daß im allgemeinen Frauen nicht mit dem Ernst und dem Streben ins Erwerbsleben treten, wie das bei den Männern der Fall ist.... Sie rechnen damit, daß sie früher oder später durch Berheiratung zur Gründung der eigenen Birt schaft gelangen und dann nicht mehr in diesem Maße auf Erwerb angewiesen sind. Das Streben, sich im Berufsleben zu vervoll. tommnen, wird durch diese Aussichten meines Erachtens etwas unterbunden." Dieses Urteil wirkt um so überraschender, als vorher gehend der Syndikus des Verbandes deutscher Waren- und Kauf­häuser über die weiblichen Kräfte im Kontor und im Verkauf diese beiden Tätigkeitsgebiete fommen ja auch für die Konsum genoffenschaft hauptsächlich in Frage aussagt, daß biese sich

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ebenso bewährt haben wie die männlichen Angestellten" und ihre Stellungen voll ausfüllten". Es ist unwahrscheinlich, daß die web liche Angestellte freiwillig im tapitalistischen Betrieb mehr leistet als im genossenschaftlichen; eher tönnte man annehmen, daß ble aus der Blanlosigkeit des Haushaltes heraustretende Frau vor. fäufig noch einer gewiffen Disziplinierung bedarf und ihre geringere Leistung im genossenschaftlichen Betrieb mehr ein psychologisches Problem der Leitung ist als der weiblichen Angestellten.

Die Perltasche.

Wie oft werden eure Augen auf einem Gegenstande gewellt haben, der in den feinen" Straßen der großen Städte bei den Juwelieren und anderen vornehmen" Geschäften ausgestellt war: der Berltasche.

Perlen, von der Größe eines fleinwinzigen Samenforns, zu Hunderttausenden vereinigt und oft eine italienische Landschaft, oft Blumen und phantastische Muster darstellend, wundervoll mit foft barem Stoff und mit zierlichem Silber eingefaßt, jedem begehrlich erscheinend. Aber, wenn ihr dann den Preis hörtet, dann tam ein Derschämtes Lächeln in euer Gesicht und die kostbare, ach! so herr liche Berltasche blieb hübsch dort, wo sie war Wie jedoch solch eine Berltasche entsteht, darüber werden sich wohl die wenigsten von euch schon jemals den Kopf zerbrochen haben.

Ich will deshalb die Entstehung einer solchen Tasche kurz be schreiben. Vor einiger Zeit tam ich zu einer Familie, wo eben diese Taschen hergestellt werden, und nun fann ich feine mehr an schauen, ohne in tiefem Weh an jene unglücklichen Geschöpfe denken zu müssen, die, einer Modelaune zuliebe, ihre Gesundheit und ihre Augen einer Oberschicht opfern, die für eben diese Geschöpfe, wenn fie einmal frant und elend sind, ganz gewiß feinen Pfennig übrig hat.

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Ein Karton von der Größe eines Briefpapieres. Eingeteilt in ( Das muß man sich lauter Quadrate. Größe: ½ Millimeter einmal vorstellen, wie dann dieser Karton ausschaut!) Mitten durchgehend Linien nach allen Richtungen. Dies ist der Schlüssel". Wer das Geheimnis weiß, fann nun eine Berltasche stricken! Aber nun tommt das Entsetzliche: mit einem Bergrößerungsglas muß nun festgestellt werden, welche Anzahl Perlen von jeder Sorte in jeber Reihe enthalten sind. Alle Berlen tragen, je nach Farbe, eine be­stimmte Nummer. Eine Aufzeichnung schaut dann folgendermaßen aus: 28, 6-5 103 14, 22 usw., d. h., von den Berlen Nr. 28 find 6 Stück auf eine feine Schnur aufzureihen, von den Perlen 5 103 Stüd u. f. f., bis zuerst die ganze Tasche auf Schnüren auf­gezogen halbfertig daliegt. Schon diese Arbeit ist fürchterlich: mikroskopisch fleine Berlen mit einer äußerst feinen Nadel abge= zählt auf eine Schnur aufzureihen!! Und nun fommt das qualvolle: Stricknadeln, fein wie eine Nähnabel, treten in Tätigkeit und mit Hilfe des obenbesagten Schlüssels wird nun unter jedes maligem Miteinnehmen der Perlen 6 Stück 28 103 Stüd 5 die Tasche gestrickt. Die Frau, die ich durch Zufall bei dieser Arbeit sah, betrieb dieses Geschäft schon 15 Jahre! Aber fragt mich nicht nach ihrem Gesundheitszustand! Finger lang und spit, die Brust tief eingedrückt, die Augen ein unruhiges Flackern und Flim Nervenbündel, der bei dem geringsten Geräusch zusammenfuhr. mern, und die ganze Erscheinung ein einziger furchtbar empfindlicher Und was wird nun für diese Arbeit bezahlt? Eine kleine Tasche, die eine geübte Striderin in drei Tagen fertig bringt, 5 M., und für eine größere mit viel längerer Arbeitszeit 10 M.!! Dabei wird diese Arbeit von Frauen unter Opferung der Nachtruhe gemacht ( die meisten sind verheiratet!). Aber die Herren Arbeitgeber" ver laufen diese Taschen um 60 M. bis 80 M., ja unter Umständen noch teurer!... Das ist grauenhafte Ausbeutung. Karl Kühn.

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In der Gesellschaft für Serualreform sprach Justizrat Dr. Werthauer über" Sexualprobleme unserer Zeit in rechilicher Beziehung" Kein tiefschürfender, fein erschöpfender Vortrag. Aus dem ganzen Komplex wurden nur wenige Fragen herausgegriffen: Schundgeseh, fünftliche Sterilisation, Abtreibungsparagraph. Frage der fünftlichen Unfruchtbarmachung( gewollt oder zwangs weise) enthält sicher juridisch viel Interessantes; der Vortragende fam hier zur absoluten Ablehnung der Zwangssterilisation auch an Trunf süchtigen, auch an Kranten. Er verglich die Folgen dieses Eln griffes mit den irreparablen Justizmorden der Todesstrafe, und man fann ihm so weit zuftimmen, als es mehr als bedenklich wäre, dieser Justiz eine Machterweiterung zuzugestehen. Ueber den Abtreibungsparagraphen faate Dr. Werthauer nichts, was nicht jedem, der sich mit der Materie auch nur flüchtig befaßt hat, fremd ist.

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Eine Führerin der Frauenbewegung in der Tichechoslowakel, Dr. Elisabeth Krasnotoborffa, ist vor einigen Tagen in Prag gestorben. Sie hat im Jahre 1890 die Gründung des ersten Mädchen­gymnifiums in Prag veranlaßt und ist auch schriftstellerisch tätig ge wefen. Besonders ihre Uebersehungen von Lord Byron werden sehr gerühmt.

Ein nacheifernswertes Beispiel. Auf dem englischen Gemert­fchaftstongreß überreichte die bekannte Führerin der englischen fozialistischen Frauenbewegung, Margorete Bondfield, ein goldenes Ehrenzeichen an eine junge amerikanische Arbeiterin, die innerhalb eines Jahres nicht weniger als 500 neue Mitglieder für den Eintritt in die Gewerkschaften gewonnen hat.