Chejcheiüungswaisen.ii.Das Gesetz setzt heute fest: Wird der eine Elternteil für schuldigerklärt, so werden die Kinder dem anderen Teil zugesprochen.Werden beide Eltern für schuldig erklärt, erhält die Mutter dieKinder bis zum sechsten Jahr, danach bleiben ihr die Töchter, undder Bater erhält die Söhne.Diese Entscheidung ist eine ganz s ch e m a t i s ch e, die sicherziehlich nicht rechtfertigen läßt. Die Frau, die im Sinne desGesetzes schuldig ist, kann eine sehr gute Mutter sein. Vielleicht hatsie den Ehebruch auf sich genommen, um der Hölle des ständige»Zusammenlebens mit einem brutalen und dauernd betrunkenenGatten zu entgehen. Ebenso schematisch ist der Vorschlag, den KarinMichaelis macht, indem sie einfach bestimmt: Kinder gehörenimmer zur Mutter. Selbst wenn dieser Vorschlag nur für daserste kindliche Lebensjahr gelten sollte, würde ich ihm widersprechen:es gibt leider genügend Mütter, die ihre Pflichten schon dem Säug-ling gegenüber nicht erfülle» wollen— solche Frauen haben keinAnrecht auf ihre Kinder. Ganz undiskutabel aber ist die Forde-rung, die man aufgestellt hat: Ehen mit Kindern dürfen überhauptnicht geschieden werden. Vom Kinde aus gesehen, würde dies inden meisten Fällen eine Verewigung der Qual des Ehescheidungs-zustandes bedeuten. Seelische Heimatlosigkeit wäre die geringsteZudem ist im Eheleben der Begriff„Schuld" reichlich proble-matisch. Auch ist es unerziehlich, ein Freundschafts- und Vertrauensverhältnis zwifchen Voter und Tochter oder Mutter und Sohneinfach zu zerstören, weil das Gesetz es so vorschreibt. Zudem be-deutet das sechste Jahr schon durch den Schulbeginn einen Ein-schnitt in das Leben des Kindes. Diese Krisis wird verschärft, wenntn dieser Zeit plötzlich der Junge der Mutter entrissen und in ganzneue Lebensverhältnijse gebracht wird. Abweichungen von dem heutegesetzlich festgelegten Schema sind wohl möglich, kommen aber fürdie Praxis kaum in Betracht, weil das Gericht meist gar nicht im-stände ist, diese schwer greisbaren seelischen Momente zu erfassenund zu beurteilen.Auf der Tagung des Bundes entschiedener Schulresormer imHerbst 1926 in Berlin machte Dr. Gerhard Danziger folgende be-merkenswerte Abänderungsvorschläge: Der Schuld-begriff lvon dem heute auch die Unterhaltspflicht abhängig ist)soll in Ehescheidungsprozessen beseitigt werden. Eine Ehejchei-dung muh schon möglich sein auf Grund unüberwindlicher gegen-seitiger Abneigu-pg. Damit fällt die Unterhaltsgewährung auch fürdie Kinder auf Gnind festgestellter Schuld weg. Die Unterhalts-Verpflichtung wird Sache des wirtschaftlich stärkerenTeils. Jugendamt und Vormundschastsgericht müssen im Interesseder Kinder miteinander arbeiten. Ersteres erhält Einblick in denEhescheidungsprozeß und ist bei notwendigen Zeugenvernehmungender Kinder heranzuziehen. Die endgültige Entscheidung über dasSchicksal der Kinder trifft allein das Vormundschaftegericht.Grundsätzlich bleiben die Kinder bei dem sozial stärkeren Elternteil.Diese ausgezeichneten Vorschläge— nur der letztere könnte alseine grundsätzliche Benachteiligung der Frau in der heutigen Zeiterscheinen— haben natürlich zur Voraussetzung, daß Vormund-schaftsrichter und Jugendamtshelfer Menschenkenntnis und psycho-logisches Verständnis besitzen und sozial-wirtschastlich so gründlichgeschult sind, daß sie für Eltern und Kinder die beste Entscheidungtreffen können.Jedenfalls sind die heutigen Nöte der Chescheidungswaisen sogroß, daß gesetzliche Aenderungen dringend notwendig werden.H. S.Man wirb klüger.Die bewußte Geburtenbeschränkung, früher vorwiegend eineAngelegenheit der aufgeklärten besitzenden Kreis«, macht rapideFortschritte mich bei denen, die sie am nötigsten brauchen. Eineninteressanten Einblick gewähren Untersuchungen, die Ansang vorigenJahres gelegentlich der gesundheitlichen Prüfungen von Schul-anfängern in Berlin vorgenommen wurden. Nach den Anxobenvon Stadtschularzr Dr. Benjamin in der„Zeitschrist für Schulgesund-heitspslege" handelt es sich dabei um Reviere im Wedding mitzirka 3S0 000 vorwiegend proletarischen Einwohnern, und bei derschulärztlichen Untersuchung uni etwa 17 6lX> Kinder in 19 Gemeinde-schulen. Durch Befragen der Eltern wurde die Zahl der lebendenGeschwister festgestellt.Dabei ergab sich folgendes Bild: Im Durchschnitt entfallen2 ,0 9 Kinder auf die Familie. Ein Unterschied läßt stch Hinsicht-lich der Konsession feststellen, denn in den evangelischm Schulenkommen nur durchschnittlich zwei Kinder auf die Familie, in denkatholischen dagegen 2.36. Der auf unbeschränkt« Kinderzahl hin-wirkende größere Einfluß der katholischen Kirche macht sich alsoin einigen, wenn auch längst nicht allen Familien geltend. Innerhalb der evangelischen Familien schwankt je nach La?« der Schuleund den verschiedenen sozialen Verhältnissen In den Strahenzügendie Zahl auch zwischen 1,82 und 2,15 Kindern pro Familie. Dieweltlichen Schulen kommen auf einen Durchschnitt von 2,34 Kindern,erreichen also fast die Zahl der katholischen, was mit den elendensozialen Verhältnissen in jenen Bezirken zusammenhängt.Denn je schlechter die soziale Lage, desto größerdie Kinderzahl Ohne Berücksichtigung der Konfessionen stelltdie Untersuchung fest, daß in bestimintcn Straßenzügen mit elendenWohnverhältnissen und ungelernter Arbeiterschaft der Kinderdurch.schnitt 2,11 und 2,05 Kinder pro Familie ist, während in Straßenmit besseren Wohnungen und gelernter Arbeiterschaft aus die Familienur 1,91 und 1,9g Kinder entfallen. Daß die Geburtenbeschränkungauf bewußtem Handeln beruht, wurde dem befragenden Schularztgegenüber„häufig genug in drastischer Weise zum Ausdruck p«>bracht". Der Erfolg ist denn auch, daß in 75 Proz. der Ehen miteiner Ehedauer von weit über 6 Jahren nur 1 oder 2 lebendeKinder vorhanden sind.Es ergibt sich aus den Untersuchungen, daß die tnpische großeProletarierfamilie mit dem Dutzend Kindern, von denen die Hälfte amLeben blieb, auf dem Aussterbeetat steht. Damit erlischt auch derursprüngliche Wortsinn des„Proletariers" als des„Kinderreichen",und es wird wenigstens auf diesem privaten Gebiete, wo ihm keinKapitalist und kein Staat hereinreden kann, der Ansang mit einemmenschenwürdigen Dasein gemacht.Sarggeburten.Der hervorragende Berliner Frauenarzt Prof. Dr. W. L i e p.mann hielt kürzlich auf dem Konserenzabend des DeutschenInstituts für Frauenkunde einen von Filmvorführungen begleitetenaufsehenerregenden Vortrag über das Problem der Gebärfähigkeitder aus dem Körper der Mutter entfernten Gebärmutter. Es handeltsich dabei um eine von der Frauenkund« schon mehrfach beobachtete,aber in ihren Ursachen und Wirkungen bisher noch nicht genügenderforschte Erscheinung, die in der wissenschaftlichen Literatur unterder Bezeichnung„Leichen- oder Sarggeburt" bekannt geworden ist.Es ist in vereinzelten Fällen vorgekommen, daß Frauen, die währenddes Geburtsaktes gestorben sind, noch ein Kind zur Welt gebrachthaben. Für diese Erscheinung hat man die Erklärung gesunden,daß die gebärenden Organe während des Todes der Mutter ange-spannt waren, nach dem Tode erschlassten und so die Frucht von demschon toten Körper noch ausgestoßen werden konnte. Als wissen-jchaftlich einwandfrei bewiesen kann man bis jetzt nur ganz wenigeFälle bezeichnen. In der Regel macht man ja heute noch den söge-nannten Kaiserschnitt bei der Toten, um das Kind am Leben zuerhalten.Professor Liepman» hat— wie in seinen Filmausnahinen inallen Einzelheiten zu verfolgen war— einer schwer tuberkulösenFrau die Gebärmutter operativ entfernt und sie in Watte gebettet,möglichst wann gehalten und der weiteren Entwicklung überlassen.Die Gebärmutter hat dann die Gebärtätigkeit fortgesetzt und schließ-lich auch die Frucht ausgestoßen, lieber die Urasche dieses Vorgangeswaren die Teilnehmer an dem Konferenzabend sehr verschiedenerMeinung. Liepmann hält es für wahrscheinlich, daß die Gebär-mutter ein inneres selbständiges Zentrum besitze, und beruft sichdabei auf ähnliche Wahrnehmungen und Erfahrungen anderer be-rühmter Frauenärzte. Darüber hinaus machte er die überraschendeMitteilung, daß er im Naturhistorischen Museum in Stuttgart das150 Millionen Jahr« alte Skelett eines Ichthyosaurus untersuchtund dabei eine versteinerte Gebärmutter gesunden habe, die außer-halb des Körpers eine Frucht ausgestoßen hatte. Es scheint hieralso die Entdeckung einer zeugende» Kraft des tierischen und mensch-lichen Organismus vorzuliegen, deren wissenschaftliche Untersuchungund Erklärung für die Frauenheilkunde von ungeheurer Wichtigkeitwerden kann._Säuglingsschutz in Sowjetrußlanö.Eine besondere Kommission des Voltskommissariats der Arbeiter-und Bauernkontrolle hat in 15 Gouvernements Erhebungen überden gegenwärtigen Stand des Mutter- und Säuglingsschuhes ange-stellt. Insoweit die Rußlandsverehrer im Auslande begeisterteEinzelheiten über den Stand des Mutter- und Säuglmgsschutzes inder Sowjetunion verbreiten, sind die Ergebnisse dieser uinfangreichenErhebungen sehr belehrend. Laut diesem Bericht„spielen dl»Organisationen des Mutter- und Säuglingsschutzes keine b e-merkenswerte Rolle auf dem Gebiete der Volksgesun-dung". In vielen Verwaltungsbezirken liegt die Leitung der zahl-reichen Mutter- und Säuglingsschutzorganisationen in den Händeneines einzigen Beamten, der gleichzeitig noch mit vielen anderenPflichten überbürdet ist. Die Leiter wechseln mitunter zwei- bisdreimal im Jahre. Es besteht ein großer Mangel an Fachärzten fürFrauen- und Kinderkrankheiten. In den neunzehn Mutter- undKinderhelmen des Gouveniements Archangelsk sind nur insgesamt5 Aerzte angestellt. Die Geburtshilfe aus dem flachen Lande istgleichfalls in jeder Hinsicht unzureichend. In den Dörfern des Gou-vernement Leningrad wurde die Geburtshilfe durchschnittlich nur In20 Fällen von Hundert geleistet. In den Heimen für obdachloseMütter und Kinder herrscht ein großer Mangel an Wäsche und Ge<brauchsgegenständen. Die Kindersterblichkeit in den Säuglingsheimenist selbst in der Hauptstadt Moskau außerordentlich hoch.(„PrawdaNr. 20.)_Ein« pfychotechnische prusmu, für die Berusseignun« hat da»Bsrufsamt in Breslau für die Damenschneiderei der Zwang».Innung Waldenburg eingeführt. Dabei wird der Farbensinn, derTastsinn, die Geschicklichkeit beim Einfädeln, im Musternachzeichnenund ähnliches geprüft. Das Resultat ergab die überraschende Tat-lache, das nur die Hälfte der Bewerberinnen sich als geeignet fürden von ihnen selbst erwählten Beruf erwies.