Die liebe Familie.
and
Wir fennen ihn alle, den Typ des beliebten, tüchtigen Genossen, der ein so fatteffefter Sozialist ist, daß er überall als solcher geschätzt und geachtet wird. Und nur eine Gemeinschaft, der er gehört, merft und hält nichts von seinem Sozialismus: die eigene Famille. Es ist geradezu, als tobten sich hier, in den engsten Schranken, noch einmal alle„ bürgerlichen Rückstände" des geschätzten Genossen aus. Das kann, für die nicht näher Beteiligten, manchmal wie ein guter Wit wirken; wenn z. B. der radikale Genosse, der in Jeiner Familie die Weihnachtsfeier abgeschafft( wirklich abgefchafft, nicht umgebogen!) hat, auf die Frage der anderen, ob Jeine Frau denn mit ihm da einer Meinung gewesen sei, antwortet:„ Na, das wäre gelacht, darüber bestimme ich, schließlich bin ich doch Herr im Haufe!" Aber das bringt auch manche Tragödie es braucht nicht immer gleich in die Zeitungen zu kommen, wie vor einigen Monaten, wo ein junger Arbeiter in der Notwehr feinen Bater und der Vater war überall als guter Kommunist beerschlug fannt. Der Sohn gehörte einem Arbeiter- Sportverein an, und der
SUP
-
-
Bater wollte ihm die„ Mucken von dem eigenen Baddelboot" handgreiflich austreiben. Der Bater stand unter Utfohol.**.
-
Aber, ehrlich, es sind nicht nur die Bäter, die in der Famille fo ein Reservat für ihre bürgerlichen Instinkte wahren möchten. Wie viele Mütter, die sich längst mit der Bartzitätigkeit ihres Mannes abgefunden haben, sträuben sich noch gegen den Anschluß der heranwachsenden Kinder an die Jugendbewegung. D. h.: denn von den Jungens hat Besonders gegen den der Mädchen denn von den Jungens hat man ja jo mie so nischt!" Aber von den Mädeln, da kann und da möchte man was haben! Nicht nur, daß sie von ihrem Verdienst genau so viel abgeben müffen wie die Jungens: Es war erschütternd, in der Wochenendaussteilung die Mappen mit den Auffäßen der Berufsschülerinnen über ihr Wochenende" durchzublättern! Die Mädel, die genau so wie die Jungen schon im Beruf standen, wurden fast alle nicht nur am Sonnabend, sondern auch noch den größten Teil des Sonntags zu den Wirtschaftsarbeiten herangezogen, und man hatte in den meisten Fällen durchaus nicht den Eindruck, daß dies unter dem unausweichlichem 3wang wirtschaftlicher Berhältnisse geschah. Es war eben eine Auswirkung der in der Familie noch lebendigen bürgerlichen Ideologie: Die Frau gehört ins Haus! Und Mutter brummt ganz heimlich ein:„ Ich hab's ja auch nich anders gehabt!"
-
Die heranwachsende Jugend in der Familie ist ein befonderes Problem. Denn nichts ift fonfliftreicher, als diese Zeit, bis sich der junge Mensch endgiftig von der elterlichen Familie löft. Hier feiert der Egoismus der Eltern meist seine letzten Triumphe. Die Selbständigkeit der jungen Menschen wird so lange wie möglich unterdrückt, und auf Grund der gesetzlichen Unmündigkeit" werden die Kinder auch in proletarischen Familien oft direkt ausgebeutet. Ein Beispiel: Die kleinz Stenotypstin, die, als Vater arbeitslos war, gern ihr ganzes Gehalt abgegeben hat, bekommt auch später, als der
-
Bater längst gutbezahlte Arbeit fand, nur ganze 10 Mark Talchengeld monatlich davon war bei schlechtem Wetter auch noch das Fahrgeld zu bestreiten! Den Rest von 100 Mart behielt die Mutter; der Achtzehnjährigen wurden auch noch die Kleider von der Mutter an geschafft. Unfreudig und verdrossen orbeitete das Mädet, aber es bedurfte erft der Intervention eines Genoffen, um dem Mädel zu einem vernünftigen Abfommen mit den( sonst sehr radifalen) Eltern zu verhelfen.
-
-
-
Der Engländer hat ein gutes Sprichwort: Charity begins at home, d. h. die Wohltätigteit( Barmherzigkeit) foll im eigenen Haufe beginnen. Es läge nun nahe, hier den Sozialismus in der eigenen Familie" zu predigen. Und sicherlich muß hier von den Genossen untereinander noch ein gutes Stück Erziehungsarbeit geleistet werden. Darüber hinaus soll man aber nicht vergessen: Die heutige, auf dem Autoritätsprinzip aufgebaute Familie wider. Ipricht schon in ihrer ganzen Struktur dem Wesen des Sozalismus, angefangen von dem„ Er soll Dein Herr fein" bis zu der Stellung der Kinder, denen gegenüber so viele ach, fo gute Genossen heute noch kein anderes Argument tennen als Ka Bentops und Jagdhieb. Die Familie baut sich auf auf der Ideologie von dem für alle forgenden, alle beherrschenden Familienoberhaupt, und diese Fassade wird auch im Proletariat noch frampshaft festgehalten, trotzden durch die wirtschaftlichen Verhältnisse ihr von Tag zu Tag mehr der Boden der materiellen Tatsachen entzogen wird. Diese Famille " im alten Sinne ist die Keimaette des Obrigkeitsstaates mit dem( natürlich treuforgenden) Landesvater an der Spize, dieses Obrigkeitsstaates, in dem die Landeskinder" ebenso wenig zu lagen hatten, wie heute noch die Kinder in der Familie.
Aus diesem Landesvatertum" find wir num im staatlichen Leben glücklich heraus, und fein Sozialist wird sich danachy zurückfehnen. In der Familie aber, in der der Egoismus des einzelnen so stark mitspricht, steden wir noch mitten im„ Obrigkeitsstaat." Und leider ift es durchaus noch nicht allen Sozialisten aufgegangen, daß es nicht ihre Aufgabe ist, die Fassade der bürgerlichen Familie aufrechtzuerhalten, sondern daß fie ale Gemeinschaften zu stärtan haben, die einst diefen bürgerlichen Begriff der Familie überwinden fönnen: Bon der Gemeinschaftsschule bis zur Jugendorganisation.
Bor allem aber die Frauen sollten eines begreifen: Die Aufrechterhaltung der Kuliffe der bürgerlichen Familie im Proletariat geschieht nur auf Kosten der Frau. Für die Frau der Arbeiterftaffe gibt es fein Zurück zu einer friedlichen, umfriedeten Frauenwzit". 60 wie das Staatsfeben sich in seinem Inhalt gewandelt hat und nur durch diese Wandlung die politische Frziheit des Individuums ermöglicht wurde, so muß sich auch das Familienleben wandeln, damit die Frau endlich zur- nicht nur theoretischen Gleichberechtigung tommt. R. Ewald.
1946
-
Standesdünkel gegen Cheberatung.
1 Mitte Juni wurde unter Borfih des Berliner Stadtmedizinalrats, Dr. von Drigalffy, in Berlin der Berfuch gemacht, die etwa hundert in Deutschland und Desterreich bestehenden Eheberatungstellen organisatorisch zufammenzuschließen. Die sich bei diefer Gelegenheit ergebende Aussprache war in verschiedener Hinsicht interessant und zeigt den Charakter der nunmehr„ offiziell" gewordenen Eheberatung. Es wurde sehr viel und sehr gelehrt von Vererbung und biologischen Faftoren geredet, aber um das Kernstück aller zeitgemäßen Gheberatung, die Berhütungsfrage und die Möglichkeit einer bewußten staatlichen Bevölkerungsregulierung auf der Grundlage der Eheberatung, redete man herum. Ein Redner fang fogar das Hohe Lied der deutschen Frau, da bei den amtlichen Stellen das Verhältnis der Frauen, die Kinder haben wollen", zu denen, die keine Kinder haben wollen" felbft in dieser schweren Motzeit 10: 1 fei. Diesem Weltfremdling ift es offenbar entgangen, daß die wegen Berhütung ratsuchenden Frauen sich aus gesundem Instinkt lieber an die weniger offiziellen Auskunftsstellen des Bundes für Mutterschutz und in Desterreich an die des( nebenbei und mit tieffter Berachtung behandelten) Genoffen Ferch wenden, der rund 20 000 Frauen von der Qual und Angst des unerwünschten Kinderlegens befreit hat. Gegen die Klassifizierung der Frauen seitens diefes Herren hätten sich die anwesenden Frauen gern zur Wehr gefeht, wenn ihnen geschäftsordnungsmäßig die Möglichkeit dazu gegeben worden wäre! 80 Broz mindestens aller wegen Berhütung ratsuchender Frauen find doch bereits mehrfache Mütter! Diese Tatsache wurde allseitig und mit ,, wissenschaftlicher Objektivität“ ignoriert.
Auch sonst zeigten sich unsere Herren Medizinmänner von ihrer unerfreulichsten Seite! Es hatte gerade noch fomeit gereicht, auch Bertreter des Bundes für Mutterschuh, der bekanntlich als erste Organisation Cheberatungsstellen geschaffen hat, sowie die Bertreter nicht reinärztlich geleiteter Beratungsstellen( Hamburg , Karlsruhe ) zu laden. In den provisorischen Borstand wurde keine dieser Berfönlichkeiten, als Richtfachleute" hineingelaffen. Mit dem offiziellen" Bund für Mutterschuh ist den amtlichen Stellen die Zufammenarbeit offenbar peinlich, und dem Leiter der neugeschaffenen Hamburger Beratungsstelle, ein Jurist, wurde nach einem unerquicklichen Hin und her schließlich bestätigt, daß man ihn nicht ats Fachmann eftimiere. Mit Recht betonte dieser Herr, daß die Ehe
un