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Die Kleine Wohnungsreform". Praktische Vorschläge zur Abhilfe dringender Not.

Dem Referat von Dr. Hertha Krauß auf der Kieler Frauen­fonferenz entnehmen wir diese Ausführungen über praktische Ab­hilfsmaßnahmen gegen die Wohnungsnot.

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Wer viel mit Familien in mehr oder minder hilfsbedürftiger Lage zu tun hat, kann sich des Eindrucks nicht verschließen, daß leider eine ganze Menge Not und Unglück durch die ich möchte fast fagen-reaktionäre Einstellung vieler Frauen in bezug auf alles das bedingt ist, was ihren Haushalt und ihre eigene Wirtschafts­führung angeht. Sie wehren sich mit Händen und Füßen gegen eine fleine billige oder fostenlose Neuerung, die nichts anderes ver­langt, als eine innere Umstellung oder ein Abgehen von irgendeiner Gewohnheit. Man muß manchmal recht optimistisch sein, um überhaupt daran zu glauben, daß nach und nach auf dem Wege einer planmäßigen Aufllärung, einer ganz intensiven Gemeinschafts­erziehung hier doch noch Wandel geschaffen werden kann. Ich will Ihnen ein trasses Beispiel nennen. In Tausenden von Wohnungen schlafen die Bewohner zu dritt oder viert in einem Bett, trante, schwache oder schlaflose Menschen mit Kindern. Selbstver ständlich ist das ungefund, und wir wünschen, daß jeder nach Mög­lichkeit sein eigenes Belt hat. Dann kommt die Erwiderung: wir haben keinen Blag für ein weiteres Bett. Ich habe diese Unt­mort in Familien gehört, wo ein Wocheneinfomen von 70 und 80 Mart vorhanden ist, auch dort, wo aus Mitteln der Wahlfahrts­pilege tostenlos Betten zur Berfügung gesteilt werden foilten, um 3. B. die Isolierung eines lungenkranken Menschen durchzuführen. Warum wird diese Antwort gegeben? Well das Ledersofa in der Wohnküche wichtiger ist. Dort fann man aber als Erwachsener nur frumm wie ein Fiedelbogen liegen. Das Kind fällt von dem schmalen Sofa dauernd herunter. Die Antwort hören wir auch, well das Vertiko unbedingt nötig ist. Wir können es ruhig auf machen, es liegt teine Bäsche darin, auch tein notwendiges Geschirr, sondern allerhand Pappfartons mit Dingen, die man gern in der Bohnung hat. Schlimm ist es aber, wenn für die fleinen Kinder oder den franken Mann fein zweites Bett aufgestellt werden kann, meil eine Frau es häßlich findet, wenn Betten übereinander stehen. Das gibt es nur bei den Soldaten, unsere Wohnung ift teine Referne," heißt es dann. Das ist menschenunmürdig" folglich schlafen wir lieber zu viert in einem Bett! Gegen eine folche sentimental- fächerliche Auffassung scheint es mir notwendig, mit allen Mitteln der Bernunft und schließlich auch des Spostes und der Ironie vorzugehen, wenn durch sie die Gesundheit und schließlich auch das Leben gefährdet ist.

Wir hören sehr oft, daß für viele Mitglieder der Familie teine Stühle vorhanden sind. Sie figen auf dem Tisch, auf dem Bett beim Effen, meil tein teh für ihre Stühle vorhanden ist. Gonz abgesehen davon, daß es für das Bett fehr unhygienisch ist, sprechen noch andere Gesichtspunkte dagegen. Barum feine ordentliche Sig gelegenheit? Sur deshalb, weil sie sich nicht entschließen Fönnen, ten Hocker anzuschaffen, ten Stuht ohne Lehne, den man unter den Tisch schieben kann, unter das Bett, wenn man etwas Platz braucht. Die übervölkerten fleinen Wohnräume, die zum Kochen, Wohnen, Schlafen, Waschen dienen, leiden so sehr unter dem Aufstapeln der notwendigen Borrätz. Da liegen die Kohlen, Zwiebeln, Kartoffeln, in einer Ede die schmuzige Wäsche, die Schuhe. Für nichts ist Raum zur Aufbewahrung vorhanden. Gewiß hat die Proletarierfrau recht, wenn sie sagt, fie fann sich feinen Schrant anschaffen, wenn er heute 60 bis 80 mart softet. Sie kann sich aber ein paar fleine Risten, Obst oder Margarinefiften, befchaffen. Wer wirklich ver fuchen möchte, den feinen Staum nach besten Kräften auszurufen, sollte auch diefe feinen Mittel nicht verfchmähen, um etwas Ord­nung und Raum zu schaffen darauf fommt es an, damit die Kinder nicht zwischen all den unhygienischen Dingen herumtriechen. Wa die ganze Erde belegt ist mit allen möglichen Dingen, die erst zusammengelefen werden müssen, fann nicht so leicht Sauberteit herrschen. Biel Arbeitsaufwand muß hineingesteckt werden, um die gründliche Reinigung zu vollziehen, die doppelt notwendig ist, wo viele Menschen in einem oder zwei Räumen hausen.

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Wir haben in unseren alten Häusern unverhältnismäßig hohe 3immer im Vergleich zu den Siedlungswohnungen In den Siedlungen wird weniger hoch gebaut, meil nach der ehrlichen Ueber­zeugung der Architekten und Hygienifer über drei oder vier Meter Hähe der Luftraum feinen Wert hat. Bir tönnen in den alten Wohnungen diesen Raum dadurch ausnuten, indem wir eine Art fürstlichen Hängeboden schaffen. Mißverstehen Sie mich nicht, ich deute nicht an jene furchtbaren Schwalbenfästen, in die man in Berlin die Hausgehilfinnen hineinpreßt, was absolut un mürdig ist. Jdy dente an einen Hängefrant, an eine Aufbewah rungsmöglidfeit für Kleider, Schuhe, für Dinge, die feftener ge­braucht werden. Ich habe das felbft ausprobiert. Es ist mit ganz billigen, einfachen Mitteln möglich, am Ende eines schmalen Raumes durch Anbringen von eifernen, rechtwinkligen Hafen zwei oder drei

Bretter so quer durch das Zimmer zu legen, drei Meter über dem Fußboden, daß niemand dadurch belästigt wird, um so eine Ablage= fläche und Stellfläche von mehreren Quadratmetern entstehen zu laffen, deren gesamte Kosten ein paar Bretter sind. Ich will noch hinweisen auf die Ausnüzung der Türfüllungen zwischen zwei Räumen, deren Türen nicht benutzt werden. Wie piele Regale laffen sich da anbringen! Wie gut läßt sich anstatt eines neuen Sofas, wie wir es heute leider noch in sehr vielen Familien finden, ein Liegebett hinfteilen, das zum Schlafen wie auch zum Sigen benutt

werden tann.

In vielen Häusern tritt die Uebervölkerung dadurch in die Er­scheinung, daß erwachsene Kinder mit kleineren Kindern oder mit den Eltern im selben Raum schlafen müssen. Wir halten es selbst­verständlich für unwürdig, daß 15, 18- und 20jährige Burschen mitten zwischen den tleineren Geschwiffern schlafen. Was läge näher, als daß mehrere Familien desfelben Hauses oder alle Familien eines nicht zu großen Hauses sich verständigen und alle ihre großen Burschen zusammen in einem Zimmer unterbringen, in dem sie schlafen! Dasselbe wäre für die Mädchen möglich. Das große Kind ist dann nachts von der Familie entfernt, ohne daß die Ge­meinschaft mit der Familie aufgehoben wird; denn es tommt zum Effen, hat feine Wäsche, feine Kleidung und feine sonstige Wohnung bei der Familie. Die Schattenfeiten einer solchen Einrichtung sind mir gewiß nicht unbekannt; aber sie sind nicht so wichtig, daß der jetzige Zustand, der noch viel mehr Schattenfeiten aufweist, erhalten bleiben müßte. Es ist auf die Dauer unhaltbar, daß der fleine Junge mit dem großen Bruder im selben Bett oder der 18jährige Junge mit der 12jährigen Schwester zusammenschlafen muß. Der große Bruder hat eine bestimmte Arbeitszeit, er tommt spät nach Haufe, er steht früh auf, so daß die Kinder dauernd gestört werden. Das Zusammenfchlafen von verschiedenen Burschen verschiedener Familien ist nicht so unmöglich. Beim Militär hat man das ja auch gemacht. Es gefchicht in den Ledigenheimen, in den Ferien der Burschen, auf ihren Wanderfahrten usw. Es gibt Mittel und Mege, um das Zusammenschlafen einer größeren Gruppe von jungen Menschen in gefunden Formen zu halten.

Diese tieinen Anregungen zur genossenschaftlichen Wohnungs­fanierung innerhalb der Altwohnungen möchte ich ergänzen durch den Hinweis darauf, daß kein Mensch den überbürdeten Hausfrauen, die alle keine Waschküche haben, verboten hat, fich zusammen zutun, um einen Raum des Hauses für die Wäsche freizumachen. Gerade in den übervölkerten Altmohnungen, die feine Waschgelegen­heit außerhalb der Wohnungen haben, hängt ein großer Teil der hygienischen Mängel mit dem ständigen Waschbetrieb zusammen, mit der Tatsache, daß dauernd Wäsche gefocht wird, die feuchte Bälche in demselben Raum hängt, wo gefocht, geschlafen und gelebt wird. Wir wissen, daß gerade in diesen Häusern Räume vorhanden find, die für eine Menschenwohnung vollkommen ungeeignet sind. Ich denke an die Räume unmittelbar an der Straße, an die Keller räumte ader an die Räume, die ungenügend beiichtet sind. Hier ließe fich fehr oft eine gemeinsame Waschküche fremachen. Natürlich müßte die Miete für diesen Raum gemeinsam getragen werden.

Auf derselben Linie liegt die Möglichkeit der Schaffung ge= meinsamer Kinderstuben, gemeinsamer Aufenthaltsräume für Kinder, menn tein Kindergarten vorhanden ist. Es scheint mir durch­Werkstatt oder Laden war, instandgesetzt wird, der dann unter Auf aus möglich au sein, daß ein größerer Raum, der vielleicht ehemals ficht einer Mutter oder unter wechselnder Aufsicht der Mütter als genofienschaftliche Kinderstube des Hauses dient, die dringend not­mendig ist.

Gefährlicher Naschkram.

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Beim Kaufmann steht ein ganzes Glas voffer Kieselsteine. Richtiger, fleiner, bunter Kiefeln, bei denen man faft meint, die geologische Herkunft bestimmen zu fönnen, und erft eine Softprobe überzeugt davon, daß alle diele Steinchen funstvoll gefärbter und geschliffener Bucerfant find. Die fleinen Steinchen find recht be­liebt, und manche Mutter mady fich den Spaß, von diefem billigen Nafchwerf eine Mitbringertüte" zu kaufen. Das wird ein Spaß fein, wenn Lotti oder Rolfi Steine effen sollen bis die Göhren merfen, wie süß die Steinchen sind! Freilich: Es gibt auch der nünftige Mütter, die auf diesen Spaß verzichten. Denn: Wie lange hat es gedauert, bis sich die Kleinen abgewöhnten, allen Rram in den Mund zu stecken. Und diese Mütter missen: Nun werden Lotti und Rolfi auf der Suche nach den füßen Steinchen jeden Kiesel ab lecken, und froh fann Mutter dann noch fein, wenn solch Steinchem Darumi: Wenn wenigstens nicht in die unrechte Kehle" fommt. man der Zuckerwarenindustrie schon die Herstelfrna diefer füßen" Späße nicht verbieten farm, fo follten doch die Mütter wenigftens dafür sorgen, daß sie nicht in die Hände der Steinsten tommen!

R. E.

Eine eigenartige Löhung der Frauenfrage mind jetzt in Berfien versucht, wo ein Frauenüberschuß vorhanden ist. Dort sollen alle Regierungsbeamten, die fich nicht bis zu einem bestimmten Beit verheiratet haben, aus dem Dienst entlassen werden.