Warum werben wir für unsere Partei?
haben wir uns gegen die Zölle gewehrt, die die Bürgerblockregierung im vorjährigen Sommer gemacht hat, und die jedes Lebensmittel, jeden Nähfaden, jedes Kleidungsstück verteuerten. Darum verlangen wir Mittel für den Wohnungsbau; Sonne und Gesundheit soll in die Stuben kommen. Darum haben wir die Gefeßgebung vorwärts getrieben zu einem besseren Arbeiter, Frauen-, Jugend- und Kinderschuh. 3u einer besseren Versorgung der Schwangeren, Wöchnerinnen und Säuglinge, der Kranken, Invaliden und Kriegsopfer. Ja, wäre die Sozialdemokratische Partei nicht da, dann wäre es um diesen gesetzgeberischen Schutz schlecht bestellt. Denn den bürgerlich- kapitalistischen Parteien ist nicht der Mensch in der Arbeit die Hauptsache, sondern der Profit.
Wir wissen, wie schwer die Not der Zeit auf allen| Er soll satt sein und froh, damit er gut sein kann. Deshalb Menschen lastet, die von ihrer Hände oder ihres Kopfes Arbeit leben müssen. Wir wissen, daß die Sorge jedes Tages: was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns fleiden, die Frau, die Mutter am meisten bedrückt und am schnellsten zermürbt. Wir wissen, daß die einzelne threm harten Schicksal machtlos gegenübersteht und daß doch jede nach Erleichterung der Last, nach ein bißchen Freude und Schönheit sich sehnt. Und wir wissen, daß die Sehnsucht allein keine Aenderung unseres Schicksals herbeiführen kann. Darum muß sie der Antrieb zur Tat werden. Diese Tat heißt heute: 3usammenschluß, Kampfgemeinschaft aller, die ziel bewußt ein anderes Leben für die arbeitenden, schaffenden Menschen wollen. Darum werben wir für die fozialdemofratische Partei, denn sie ist diese Kampfgemeinschaft.
Nur Arbeit, förperliche und geistige, schafft Werte, Kultur, Aufstieg eines Boltes. Darum müßte die Arbeit einen Ehrenplay haben in der menschlichen Gesellschaft, müßte die Arbeiterklaffe Führung und Macht besigen in Staat und Wirtschaft. Warum ist es nicht so? Weil die arbeitenden Menschen sich noch nicht als Kulturmasse begriffen haben. Weil sie noch nicht eine Gemeinschaft der Arbeit bilden. Weil sie in ihrer Schwäche als einzelne mutlos werden und so der kapitalistischen Ordnung der Dinge zu immer längerem Leben verhelfen.
Das gilt besonders für die Frauen. Sie möchten eine neue Zeit und stüßen tatsächlich die alte. Wir wollen sie befreien aus ihrer Gebundenheit und Mutlosigkeit. Sie sollen in unseren Reihen erfahren, wieviel neuen Lebens- und Kampfmut das Gefühl der Zusammengehörigkeit geben fann. Sie sollen erfahren, daß das Streben aller für alle glücklicher macht und die Last des Alltags erleichtert. Darum werben wir für unsere Partei, weil sie die Kampfkameradschaft ist für Mann und Frau, für jung und alt.
Ausgang und Ziel unseres Strebens ist der Mensch.
Wir wollen, daß das Menschentum in jedem einzelnen zu höchster Bollendung reifen kann, darum fämpfen wir gegen das wirtschaftliche Elend. Jeder soll fühlen, daß er Mensch ist und jeder soll Verantwortung empfinden für fich und für die Gesamtheit. Darum lehnen wir uns auf gegen jede Knebelung des Geistes; darum fämpfen wir um jeden Fortschritt in der Erziehung der Kinder.
Weil die gegenwärtige Bürgerblockregierung in einem neuen Schulgesetz die freie geistige Entwicklung hemmen, weil sie die Erziehungsmöglichkeiten verschlechtern will, darum schon sollte jeder Vater und jede Mutter gegen diesen Bürgerblod fämpfen. Mit uns fämpfen in unserer Partei, denn nur fie führt ernstlich den Kampf um die geistige Freiheit.
Wir werben für unsere Partet, weil unser Bolk fret werden soll von seinem wirtschaftlichen und kulturellen Elend, weil die Arbeiterschaft die Machtstellung im Staat einnehmen soll, die ihnen gebührt. Weil wir wollen, daß ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und des menschlichen Glückes ersteht. So geht der Alltagskampf um hohes Ziel. Kämpft Clara Bohm- Schuch . mit uns.
Wege und 3rrwege der Liebe.
Aus der Praxis der Eheberatung.
Eheberatung, sei sie eine kommunale Einrichtung oder getragen von einer bahnbrechenden privaten Bereinigung( Bund für Mutter fchutz) verlangt wie faum ein Zweig der sozialen Hilfsarbeit Einfühlungsvermögen und absolute Vorurteilslosigkeit. Hier kommt die Jeguelle Not unserer chaotischen Uebergangszeit traß und unverhüllt zum Ausdruck, hier sieht man Menschenschicksale stranden an eigener Unzulänglichkeit oder der Widrigkeit der äußeren Verhältnisse, hier glaubt man oftmals in Abgründe der Verworfenheit zu blicken, wenn man nicht immer und immer wieder durch tiefes Verderben ein menschliches Herz" wahrnehmen würde. Wer mit der These" Der Mench ist gut" an eine solche Arbeit herantritt, erlebt bittere Ente täuschungen, wer da glaubt,„ Der Mensch ist böse", hat unrecht; nur wer erfannt hat," Der Mensch ist schwa ch", gewinnt die richtige Einstellung zu den Wirrnissen, die sich vor seinen Blicken auftun.
Die Nöte, aus denen tragische Ehe- und Sexualschwierigkeiten entstehen, sind immer wieder die gleichen: Wohnungsnot, Arbeitslofigkeit, Trunffucht, Bererbung, Unwiffenheit, neurotische Störungen, Sterilität und, unendlich bedeutsamer ihr Gegenteil, die llebergeburt lichkeit. Laffen wir nunmehr die markanten Fälle einer Sprechstunde der Sexual- und Eheberatungsstelle in bunter Wahllosigkeit, wie in der Praxis felbft, an uns vorüberziehen.
I.
Eine ärmlich, aber sauber gefleidete Frau tritt ein. Sie ist schwanger. Seit einer Reihe von Jahren hat sie ein inniges Ber hältnis mit einem unglücklich verheirateten Manne, dem nunmehr das vierte Kind entsprießen soll. Der Mann hat fein eheliches Kind, er hängt mit abgöttischer Liebe an feiner außerehelichen Familie, aber die Ehefrau will sich in hartnäckiger Berbitterung nicht scheiden laffen. Wir überlegen mit der Frau hin und her alle Möglichkeiten, die Ehefrau zur Scheidung zu veranlaffen bzw. von der Seite des Mannes aus einen Grund" zu finden, aber es ist umsonst. Der tote Gefchesbuchstabe tettet aneinander was nicht mehr zusammengehört und trennt die natürlich Verbundenen Im Hauptpunkte fönuen wir unserer Besucherin nicht helfen, aber pledeicht tönnen wir durch kleine Erleichterungen ihr hartes Los für die Zukunft eimas mildern. Der doppelte Haushalt übersteigt weit die finanziellen
Kräfte des Mannes, eines einfachen Arbeiters, der über das gesetzliche Maß hinaus rührend für seine Kinder sorgt. Wir fordern also die Frau auf, bald nach der Entbindung zu uns zu kommen, um einem weiteren Kinderfegen unter diesen schwierigen Berhältnissen die Frau lebt mit ihren Kindern in einem Zimmer vorzubeugen und macht schlechtbezahlte Heimarbeit. Ihr Blick leuchtete auf: Gibt es das, das habe ich ja noch gar nicht gewußt?" Zum viertenmal wird diese Frau, die in ihrer Auffassungsgabe und Ausdrudsfähigkeit durchaus über dem Durchschnitt steht, uneheliche Mutter, und weiß nicht einmal, daß es unchädliche Mittel der Borbeugung gibt! Wir belehren sie weiterhin, daß sie sich in der Republit ohne formale Schwierigkeiten die Bezeichnung Frau" zulegen darf, die sie durch die Leistung der vierfachen Mutterschaft wahrlich verdient hat. Damit ist das lächerliche Odium des vier. fachen" Fräulein Mutter" von ihr genommen. Dankbar und erund doch dünkt es uns so unendlich leichtert verläßt uns die Frau wenig, was wir für die Arme haben tun können!
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II.
Als nächster erscheint ein etwa zwanzigjähriger junger Mann mit findlich offenem Gesicht, zu dem das scheue und verlegene Wefen in eigentümlichem Gegensaß steht. Er will durchaus nicht mit der Sprache heraus, erfundigt sich mehrfach, ob er hier auch an der richtigen Stelle wäre und gibt sich erst auf unsere Ermunterungen hin einen Stoß. Zögernd und stotternd kommt er damit heraus, daß er nächtliche Bollutionen hat und diese Erscheinungen für Anzeichen einer fchrecklichen Erkrankung hält. In ruhiger Sachlichkeit, mit der das Heifle der Situation bald überwunden wird, flären wir ihn auf, daß diese Erscheinungen bei seiner gefunden, unberührten Jugend etwas durchaus Natürliches sind und zu feinen Besorgnisfen Anlaß geben. Wir empfehlen ihm Sport, gesunde und einfache Lebensweise. Ganz erleichtert verläßt er uns, der in seiner Unwissenheit und unaufgeklärtheit das Gegenstück zu dem noch immer an den Klapperstorch oder die Befruchtung durch einen Auß glaubenden jungen Mädchen darstellt. Liegt hier nicht eine schmere Berfäumnisschuld der Eltern vor?
III.
Nummer drei ist wieder eine Frau in reifen Jahren, die vor nervöser Unruhe und Geniertheit nicht ruhig auf dem Stuhl zu lizen vermag und abwechselnd rot und blaß wird, während ihr vor Erre