Bom Beruf ausgeschlossen!
Die Reichsverfassung sagt im Artikel 109 Absatz 11:„ Männer und Frauen haben grundsählich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten." Trogdem bleiben den Frauen, troh Eignung und Befähigung, Berufe verschlossen. Im Landwirtschaftsaus. schuß des Preußischen Landtages stand dieser Tage eine Eingabe der Trichinenbeschauerin B. aus Anflam zur Beratung. Die Betentin hat in ihrem Heimatbezirt feit 20 Jahren dem Amte einer Trichinenbeschauerin vorgestanden. Da sie durch dieses Verdiensteinkommen ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht als gesichert anjah, wandte sie sich mit einer Eingabe an das Landwirtschaftsministerium mit der Bitte um Zulassung zur Prüfung als Fleisch beschauerin. Das Ministerium lehnte den Antrag mit der Begründung ab, daß nach der Prüfungsordnung für Fleischbeschauer nach§ 3 der Verordnung nur männliche Bewerber zugelassen werden. Die Ausführungsbestimmungen B zum Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschauer vom 3. Juli 1900 feien Sonderbestimmungen, die durch den Artikel 128 Abs. 2 der Reichsverfassung alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt nicht aufgehoben seien.
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Die Betentin wandte sich nun an den Preußischen Landtag . Bei der Beratung im Ausschuß erklärte der Regierungsvertreter unserer Berichterstatterin: Die Prüfungsbestimmungen für diesen Beruf find reichsgefeßlich geregelt. Das Landwirtschaftsministerium hat sich deshalb mit dem Reichsinnenministerium in Verbindung gefeßt. Von diefem ging dem Landwirtschaftsministerium folgende Antwort zu:
,, Es besteht eine alte Bundesratsverordnung, nach der Frauen zu diesem Beruf nicht zugelassen werden dürfen. Der Reichsinnenminister steht auf dem Standpunkt, daß die Frauen physisch dieser Arbeit nicht gewachsen sind, es ihnen auch an der nötigen Energie fehlt, die für diesen Beruf notwendig ist! Daher wird die Zulaffung zur Prüfung als Fleischbeschauerin abgelehnt! Der Landwirtschaftsminister in Preußen schließt sich diesen Maß
nahmen mit an."
Die Berichterstatterin wies wiederholt darauf hin, daß dies Gutachten des Reichsinnenministers falsch ist, da die Frau durch ihre 20jährige Tätigkeit in einem ähnlichen Beruf bewiesen hat, daß sie ihre Aufgaben erfüllt hat. Auch der Hinweis, daß die Reichsver faffung Ausnahmegefeße für Frauen beseitigt hat und daß, wenn die betreffende Frau eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen würde, die Gerichte zu ihren Gunsten entscheiden müßten, wurde die Eingabe nicht zur Berücksichtigung überwiesen, sondern mit den Stimmen des Zentrums, der Deutschnationalen und der Volkspartei dem Ministertum nur 3 ur Erwägung" übergeben.
Damit bleibt es in Preußen bei der ablehnenden Auffassung des Ministers. So muß also der Reichstag für die Aufhebung der alten Bundesratsverordnung sorgen. Toni Wohlgemuth, MdL.
,, Grete hat mich gebissen!"
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Eine dramatische Szene aus einem Proletarierkindergarten tommt mir in den Sinn: Die Kinder spielten frei im Garten, die Kleinsten im Sande, einige Buben hatten ihre Taschentücher an Gerten gebunden, schwenkten begeistert ihre Fahnen" und machten einen Demonstrationszug. Laut tlang ihr Singen: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!" Drüben in der Ede, durch Tischchen und Stühlchen angedeutet, war eine Wohnung. Da spielte man mit großem Eifer Mutter und Kind". Ein Weilchen war alles in Schönster Harmonie, bis ich plötzlich einen lauten Aufschrei hörte und ein Mädchen weinend auf mich zulief. Ihre Kamerabinnen folgten, aufgeregt durcheinanderrufend. Was ist geschehen?" rief Was ist geschehen?" rief ich erschrocken; denn Anni, das kleine blonde Dingelchen, war sonst immer die Lustigste beim Spiel. Gretchen hat mich gebiffen!" Und wirklich sah ich auf ihrem entblößten Oberarm den Abdrud fefter Kinderzähnchen. Gretchen stand freidebleich und schuldbewußt abseits. Auf mein Rufen tam fie langfam näher. Nun fag' bloß mal, Gretchen, wie ist denn das gekommen?" Ich merkte dem leicht erregbaren Kinde die furchtbare Angst vor Strafe an, darum vermied ich es, besondere Strenge in den Ton zu legen. Es war auch nicht leicht, eine Antwort zu erhalten. Endlich fam's unter Tränen, stockend: Ich sollte der Hund sein und ich sollte die Anni pacen und da und da da hab' ich zugeschnappt!" Ernst machte ich ihr nun flar, daß auch das schönste Spiel uns nie die Besinnung rauben dürfe. Ich hab ihr ja gar nicht weh tun wollen!" schluchzte sie noch, aber nun schon viel ruhiger. Und die verständige Trude meinte: Beim Spielen muß man doch nur so tun! Ich ließ die kleine Missetäterin nun ein nasses Tuch holen, das sie der Anni um die gebissene Stelle band. Dann gingen wir friedlich ins Haus, es war Effenszeit geworden.
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Am Nachmittag gab es noch ein Nachspiel, das bezeichnend war für die Erziehungsmethode, die Gretchens Mutter zu Hause anwendet. Je näher die Zeit rückte, wo die Kinder abgeholt werden sollten, umfo aufgeregter erschien mir unser Gretchen. Sie war unverträglich, weinerlich, fam einige Male: Tante, der will mich hauen!" was aber völlig unbegründet war. Als endlich die Mutter erschien, fing Gretchen ganz zu weinen an und beklagte sich auch bei bleser, daß ein Kind sie so geärgert hätte. Den Schlüssel zu des Kindes fonderbarem Wesen gab mir aber die
Mutter selbst. Ich suchte Gelegenhelt, mich mit ihr über des Kindes auffälliges Verhalten auszusprechen. Ihr erstes Wort auf die Schilderung des Vorgangs vom Vormittag war:„ Na, haben Ganz verblüfft sah sie mich an, als ich ihr tarmachte, daß eine Sie ihr da nicht tüchtig den Hintern versohlt? derartige Erziehung" ein schweres Unrecht am Kinde, besonders am Kleinkinde sei.
Wir hatten dann eine günftige Gelegenheit, beim nächsten Elternabend uns eingehender mit dieser, für die häusliche Erziehung des Kindes so wichtigen Frage zu beschäftigen. Schade um jeden Klaps, der daneben geht!" Wir haben als Kinder auch Haue gekriegt und find davon nicht gestorben!" Dies sind so die üblichen Antworten. Aber die Verlegenheit, mit der dies oft behauptet wird, zeigt doch schon, daß vielen der erzieherische Erfolg fraglich erscheint. Und da heißt es einhafen. Wenn wir es bei den ver nünftigen Eltern so weit gebracht haben, daß sie jeben vors schnellen Schlag als einen Beweis für ihre falsche Erziehung ansehen, haben wir schon sehr viel gewonnen. Gewiß, ein Klaps ist eine so einfache Sache als Antwort auf eine geftüms. Rachen wir uns doch flar, welch ungeheuren Schaden er uns unangenehme oder unbequeme Aeußerung des findlichen U beim fleinsten Kinde schon anstiften muß. Es hat im Elfer fa gar nicht die Absicht, zu schaden ober zu stören folglich hat fich's auch teine Strafe verbient". Da wird ein ruhiges Wort viel besser nügen können, auf keinen Fall aber das findliche Gemüt so schädigen, wie es der ungerechte und brutale Schlag ohute Zweifel tut.
Kirchenaustritt...
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53. S
Die Geschichte fing damit an, daß der Mann mit einem Schrift stück in den Händen, das seinen Austritt aus der Staatsfirche be zeugte, das Bureau der Behörde verließ. Seine Frau lächelte et wenig bei der Betrachtung dieses Dokumentes und legte es dann beiseite. Bald darauf hüllte sie sich in ein Tuch, nahm den Milch frug und ging zum Nachbarn, der unter all den fleißigen Kleinbauer den größten of besaß. Obzwar der Nachbar selbst das meiste Band hatte, fonnte er sich doch nur zwei Kühe halten und mußte selbst jeden Morgen sieben Kilometer nach jenen Gruben marschieren, wo die Dorfbevölkerung sich den ganzen Tag abplagte, um das Notwendigste zum Lebensunterhalte zu verdienen. Die Frau des Klein bauern verkaufte die Milch, die sie selbst nicht verbrauchen fonnte und von dem Erlös bezahlten die Leute die Schulden ab, die auf ihrem Hause lasteten. Jeder Pfennig hatte für sie also eine große Bedeutung.
Die Nachbarin trat ein, um die Milch zu holen, die sie dort jeden Tag taufte. Die Bäuerin tam ihr entgegen, indem sie mit einer vielfagenden Gebärde die Arme über die Brust treuzte. Du Gottes lästerin wagst es, über meine Schwelle zu treten! Glaubst du, daß wir die Milch von unseren Kühen, die der Pastor segnete, an die Diener der Hölle verkaufen? Nein, wir wollen uns nicht den Segen der Kirche durch eine derartige Handlung verscherzen. Lieber will ich die Milch dem Herrn Pastor zum Geschenk machen." Damit wurde die Tür mit einem Krach zugeknallt.
So, das hatte sich also schon herumgesprochen. Gut! Nebenaw wohnte eine arme Witwe, der sie dann und wann einen Gefallen er konnte. Aber auch hier wurde sie abgewiesen. Um Gottes willen wiesen hatte, und die ihre blaue Milch nicht so leicht los werdent geh weg! Gewiß bin ich arm, aber ich bin trotzdem gottesfürchtig Die Witwe betreuzigte fich und schloß schleunigst ihre Tür. Der Frau blieb nichts anderes übrig, als sich im Nachbardorfe Brot und Mitch zu verschaffen. Aber der bedauernswerte Schlächter jenes Ortes verAntichriftfamilie" weiterhin bediente. lor allmählich seine Kunden, als es ruchbar wurde, daß er die
Seelenheil und die Furcht, sich die ewige Gnade zu verscherzen, um nebelten den Verstand der Dorfbewohner.
Fanatismus und zitternde Gottesfurcht, Angst ums eigene
Der eifrige Pastor versäumte es dann auch nicht, während der Predigt in feinem Warenhaus zum großen Erbarmen" feine Schafe vor dem bösen Wolfe, der dem Satan diente, zu warnen. Er gab praktische Anweisungen, wie man dem Satan beikommen fönne, der in Gestalt des Vermessenen, der aus der Landestirche ausgetreten war, unter thnen wandle. Am Schlusse seiner Predigt gab er ein Extravaterunser zu und versuchte dadurch seinen Zuhörern die Ueber zeugung beizubringen, daß er ihre unsterblichen Seelen rette. Ließ fich der Abtrünnige oder seine Frau auch nur im Dorfe blicken, jo wurden sie mit hämischen Mienen begafft, und die Kinder riefen ihnen Schimpfworte nach. Oftmals streifte sie auch ein Stein, im Namen der chriftlichen Gesinnung.
Eines schönen Tages standen sie auf der Straße. Unter irgend einem albernen Vorwande hatte der Hauswirt die Erlaubnis er halten, die Leute aus der Wohnung zu entfernen. Endlich!" seufzte das befreite Dorf auf. Der Pastor sorgte mit großem Gifer dafür, daß eine linderreiche Familie auf Kosten der Kirche in der freige wordenen Wohnung untergebracht wurde. Das tapfere Ehepaar mußte in einer provisorischen Hütte außerhalb des Dorfes fampieren und obendrein noch darauf vorbereitet sein, daß die christliche Nächstenliebe sich auch hier um sie bemühen werde...
Diese Geschichte ist nicht etwa ein Märchen, sondern sie schildert eine wirkliche Begebenheit, die erst vor furzer Zeit in einem Dorfe des Saargebietes geschehen ist. M. H.-A.