Das glatte Viereck ist durchaus nicht die glücklichste Form eines Raumes; man fann sie leicht durch eine Nische behaglicher machen. Eine Wandhälfte zur Nische genommen, ergibt im Nachbarraum wieder eine Nische; damit läßt sich manches Hübsche anfangen. Auch die Anregung zur Blumenzucht könnte vom Hause ausgehen; es braucht nur jedes Fenster gut in den Bau eingegliederte Tonkästen mit Erde zu befizen und der Wettstreit schöner Blumenfenster wäre geboten. Wenig würden die paar Gleichgültigen befagen, wenn Jedes Fenster sommerlang von fröhlichen Farben umfäumt ift. Dann kann sogar eine Mietskaserne hübsch sein. Für unschädlichen Abfluß von Gießwasser kann die Konstruktion forgen.
Ein paar Anregungen; sie lassen sich im Nu verzehnfachen. In Amerika hat gesundes praktisches Denken zu Bauweisen geführt, die wir uns einstweilen für die Allgemeinheit nur träumen tönnen. Ein Teil aber des Vernünftigen und Schönen läßt sich auch bei uns fordern, und Frauen, die in öffentlichen Aemtern stehen, müßten recht energisch sagen, daß nicht nur Wohnungen zu bauen find, sondern daß man auch hören foll, was sie an Berbefferungen dringend zu wünschen haben, damit aus dem lieblosen Ding der Mietswohnung ein Heim werde.
Baut nicht weiter ohne Frauenrat!
Elsa Maria Bud.
Selbstvertrauen.
In einer österreichischen Versicherungsgesellschaft arbeiteten zwei Frauen seit dem Jahre 1919( dem Infrafttreten des Betriebs. rätegefeges) im Betriebsrat mit und hatten sich bei den Kollegen und auch bei dem Unternehmer eines gewissen Ansehens erfreut. Da plößlich fühlten sich die männlichen Betriebsräte in ,, ihrer Arbeit gehindert", es tam zu Zwiftigkeiten und nun gab es eine Gruppe von Angestellten, die unter der Führung der„ behinderten Betriebs räte" gegen die Weiber" losgingen. Da gab es Argumente, die bis ins vorige Jahrhundert hineinreichen, ganz abgesehen von dem geistreichsten: Mir brauchen fane Weiber, die Kittelwirtschaft muß, aufhören." Als nun zum Termin der Betriebsratswahlen der bisherige Obmann eine Lifte ohne die Frauen aufstellte, entschlossen fich die Frauen und gaben eine Liste heraus, in der eine Frau als Listenführerin und eine an dritter Stelle stand.
Die Wahlagitation wurde von der männlichen Gruppe" faft im Stile einer Nationalratswahl gemacht, während die Frauen nur zwei Flugblätter, fachlich und vornehm, erscheinen ließen. Am Wahltag stellte sich nun heraus, daß es den männlichen" Wahlwerbern nur mit einer Gruppe von anſtaltsfremden Inkassanten und den„ weiberfeindlichen" Ranzleigehilfen gelang, die Mehrheit mit fünf Mandaten zu erringen. Immerhin errang die Liste der Frauen drei Mandate und es zogen die so angefeindeten beiden
,, Weiber" in den Betriebsrat ein.
Es dürfte dies der erste Fall sein, daß im Wahlkampf weibliche Listenführer vorkamen, zeugt aber von dem Selbstvertrauen der Frauen, die wußten, daß nicht nur die Frauen, sondern auch die vorgeschrittenen Männer nicht mehr den Mann", sondern den tüchtigen Menschen als ihren Vertreter wählen.
Auch bei den Beamten der städtischen Elektrizitätswerke in Wien zeigte sich dieselbe Tendenz und auch dort haben die Frauen eine eigene Liste aufgestellt, wovon ebenfalls zwei gewählt wurden.
Hausangestellte vor dem Arbeitsgericht Die Prozesse der Hausangestelltenkammern am Berliner Arbeitsgericht haben in unvorhergesehenem Maße zugenommen. Bu der Kammer 37 find die Kammern 37a, b und c gekommen; in der letzteren werden vor allem die Portiersachen verhandelt, die bis dahin an alle Rammern verteilt waren.
Seit dem 1. Juli 1927 find im ganzen 28 500 Prozesse beim Arbeitsgericht anhängig geworden, davon entfielen 3300 auf die Hausangestelltenkammern, bis zum 31. Dezember 1927 wurden davon ungefähr die Hälfte erledigt, hiervon fast zwei Drittel durch
Bergleich.
Der Tendenz des Gesetzes, in allen Lagen des Prozesses zu einem gütlichen Ziele zu kommen, wird also in hohem Maße entsprochen. Das ist auch in sehr vielen Fällen wünschenswert und angebracht, jedenfalls da, wo auf beiden Seiten gefehlt ist, oder wo Mißverständnisse vorgeherrscht haben. Das kommt häufig vor, besonders bei temperamentvollen und heftigen Charakteren, die in der Erregung des Augenblicks sprechen und handeln. Bei solchen Anloffen zur Klage wird der Vergleich auch niemals Erbitterung zurücklassen, und oft verlassen beide Parteien zufrieden und erleichtert den Sigungsfaal.
Unvollkommenheit beim Ehelehrer.
Krach bei„ Ehenot".
Der Dr. van de Velde hat ein erfolgreiches Buch geschrieben, ein Buch über" Die vollkommene Ehe", ein Buch, in dem mit erfreulicher Offenheit die These aufgestellt und verfochten wird, daß für die vielen, notleidenden Ehen nicht allein wirtschaftliche und soziale Gründe maßgebend seien, sondern in noch weit höherem Maße das erotische Ungeschick der.Ehepartner. Und da in dem Buch nicht allein graue Theorie gepredigt wird, sondern ihm sozusagen eine Reihe von„ Ausführungsbestimmungen" beigegeben sind, so hat das Buch in kurzer Zeit ein großes zahlungsfähiges Publikum er worben.
-
Nun wurde ein Vortrag des Verfassers dieses vielleicht weniger bekannten als berühmten Buches angekündigt ein Vortrag in der Philharmonie, dem größten Konzertsaale Berli.is. Der Dr. van de Velde rief und alle, alle famen: Mann und Weib, Junge und Alte, Frauen vor und jenseits der gefährlichen Altersgrenze, furz, „ ganz Berlin "- jenes Berlin , das immer und überall dabei ge wesen sein muß. Denn ein Vortrag des so schnell bekanntgewor denen Mannes über„ Die Erotisierung der Ehe als Ret tung aus der Ehenot" mochte manchem und mancher allerlei Senfationen versprechen. Und so war trop der reichlich bemeffenen Eintrittspreise von 2-8 Mart der Riesenraum der Philharmonie bis auf den letzten Play, bis in den entferntesten Winkel gefüllt.
Als van de Velde, der im übrigen einem braven Neuphilologen entschieden ähnlicher sieht als einem dämonischen Professor der Liebeskunst, mit seinem Bortrag begann, erwies es fich, daß feine Stimme kaum über die ersten Reihen des offenen Parketts bedien Settengängen. Das Bublifum stürmte das Podium, stand reichte, zu schweigen von den überfüllten Balkons und den über. In dichtgeballten Massen in den Parkettgängen, i hts half. Sig napfeifen und Hausfhlüffel traten als Mufitinstrumente Riefensaales zu gleicher Zeit Reformvorschläge oder veranstalteten in Attion, lungenkräftige Volksredner machten in jedem Biertel des Protest versammlungen, die Schupo verlangte Freigabe eine Volksabstimmung mit zweifelhafter Majorität die Ber. der Saalgänge und drohte Räumung an, schließlich wurde durch lesung des Manuskipts einem fungenfräftigeren Herrn. übertragen, nachdem ein großer Teit des Publikums freiwillig auf die weiteren Genüsse des Abends verzichtet und den Saal verlassen hatte.
Sanitätsrat Dr. Magnus Hirschfeld übernalm nun als Rettungsengel die weitere Berlesung des Manuskripts, und so wurde der winden waren, dem im Saal verbliebenen Publikum endlich verVortrag, wenigstens soweit als mur akustische Probleme zu überständlich gemacht. In seinem Manuskript erklärt van de Belde, daß die Ehe nicht nur ein biologisches, ein wirtschaftliches, ein imeta physisches Problem, sondern auch vor allem und in erster Reihe ein erotisches Problem fel. Die Befriedigung der erotischen Bedürf im Ehekonto. Sei er vorhanden, so werde die Ehe trotz aller an nisse der Ehepartner in der Ehe sei der große Attivposten deren Schwierigkeiten nicht so bald zu den notleidenden Ehen zählen. der beiden Partner die Summe der Luftgefühle überstiegen, ohne Notleidend aber seien alle Ehen, in denen die Unluftgefühle eines Die Schwierigkeit liege nun darin, die Ansprüche der Ehepartner daß es darum zu großen Ehekatastrophen gekommen sein brauche. gegeneinander auszugleichen und verständlich zu machen und das set in den meisten Fällen leichter, als es auf den ersten Blick erscheine, benn es gäbe feinen„ absoluten Mann" und fein absolutes Weib, jedes der beiden Geschlechter verfüge in sih ja auch über genügend
Elemente des anderen Geschlechts, so daß ihm von dieser Bafis aus die Einfühlungsmöglichkeit in die Seele und in die Sinnenweit des anderen Geschlechts gegeben sei. Nur die Erotik könne den Gegensatz der Geschlechter überwinden, aber in der praktischen Erotik würden von den meisten Eheleuten aus Unkenntnis der physiologi schen Voraussetzungen des anderen Geschlechts oft nicht mehr gut. zumachende Fehler begangen, sowohl durch Vernachlässigung wie durch Ueberfättigung. Aufrechterhaltung der erotischen Span. nung sei die Aufgabe der Ehepartner. Diese Spannung fei für dividuums ebenso förderlich und notwendig wie die Befriedigung. die körperliche, noch mehr für die geistige Leistungsfähigkeit des InLeider werde von beiden Geschlechtern gegen ihre Aufgaben gee sündigt; jeder der Partner suche nur seine eigene Befriedigung, und der Egoismus fei der Würger allen Eheglücks. Die Einehe aber sei noch immer allen anders gearteten Bindungen an Glücksmöglich feiben weit überlegen, und so sei nicht die Zerstörung, sondern die Gesundung der Ehe die Hauptaufgabe unserer Zeit.
44 weibliche Dozenten gibt es zurzeit an 20 deutschen Universi täten. Sie halten Vorlesungen auf den verschiedensten Wissensgebieten ab, eine von ihnen doziert an der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin .