Kinderbeobachtungen.

Jede Mutter hält ihr Kind für schön und gescheit. Dies Thema ist daher in den Gesprächen der Mütter unerschöpflich. Das erste Wort, das erste Sich- Aufrichten, der erste Schritt gibt Anlaß zu Berichten und Vergleichen. Das eine Kind spricht früh und lernt schwer laufen, beim anderen ist es umgekehrt; manches zeigt besondere körperliche Schönheit, ein anderes nimmt auffallend rasch die geistge Beziehung zur Umgebung auf. Und wenn man alles durchgesprochen hat, dann fängt es wieder von vorne an, denn so ein kleiner Knirps lernt gerade in den ersten zwei Jahren seines Lebens so viel und so vielerlei! Mehr als je wieder in seinem Leben. Wenn man nur einmal gelernt hat, darauf zu achten, entdeckt man so viele Dinge, daß man sie gar nicht im Kopf behalten kann. Ist die Mutter von Berufs- oder Hausarbeit nicht überlastet, dann sollte sie sich ein Tagebuch anlegen, in das sie regelmäßig die Neuleistungen mit genauer Altersangabe einträgt.

Wenn viele Mütter thre Beobachtungen vergleichen, fann man sicher herausbekommen, was ein Kind im Durch

Sehr wichtig ist die Einstellung des Kindes zum Essen überhaupt. Macht ein organisch gesundes Kind dabei Schwierigkeiten, dann ist das ein untrügliches Zeichen dafür, daß in der Erziehung diefes Kindes Fehler gemacht wurden, auf die es schon mit einer nervösen Einstellung reagiert. Der Einfluß von Milieu und Umgebung ist überhaupt auf die Entwicklung des Kindes von entscheidender Bedeutung. So wurde durch eratte wiffenschaftliche Beobachtung fest­gestellt, daß Kinder, um die fich niemand kümmert, mit zwei Jahren kaum 50 Worte sprechen tönnen, hingegen solche, mit denen die Umgebung fich viel beschäftigt, im gleichen Alter 200 Worte sprechen.

So fönnte man noch lange mettererzählen von der Ent­wicklung des Kleinkindes. Jeder Tag bringt ein neues Wunder, wenn man nur erst gelernt hat, Wunder zu sehen. Beim Schulkind ist das Wundersehenfönnen schon schwerer. Man muß es von Anfang an geübt haben. Dann kann man miffender und verständnisvoller und mit ungleich größerer Freude das schwere Wert der Erziehung vollbringen. S.&

schnitt können soll. Was kann man also alles beobachten? Mütter, die sich und ihre Kinder töten.

Wer weiß z. B., wann ein Kind zum ersten Male gelächelt hat, wann es gelernt hat, einem Gegenstand mit den Augen zu folgen, wann es gelernt hat, den Vater von andern Männern zu unterscheiden?

Mutterliebe täuscht allzu oft. Wenn man aber folche Aufzeichnungen vergleicht, dann fann man wirklich be­urteilen, ob ein Kind sich schneller oder langsamer entwickelt als der gleichalte Spielkamerad.

Man muß sich aber nicht einmal auf so zufällige Beobachtungen verlassen; man fann direkte Prüfungen an stellen, um zu sehen, ob das Kind sich schon sinnvoll benehmen fann. Legt man z. B. einem 4 Monate alten Kind ein Tuch über den Kopf, so kann bas Durchschnittskind die fchwere Arbeit, sich davon zu befreien, noch nicht im Sizen vollbringen, es muß sich dazu hinlegen; mit 6 Monaten bleibt es aber bei dieser selben Aufgabe schon stolz fizen.

Werden die Kinder ein bißchen größer, dann gibt es erst recht viele Beobachtungsmöglichkeiten. Wieviele Wörter fann ein Kind mit 10, mit 16, mit 20 Monaten sprechen? Was spielt es am liebsten? Es kann z. B. manchmal un­glaublich interessant sein, einem Kind beim Bauen zuzusehen. Manche Kinder sagen: So, jetzt bau ich mir ein Haus." Sie sind also schon imstande, eine Absicht auszuführen. Andere wieder bauen wild drauf los und benennen ihr Kunstwerk erst im nachhinein: Lokomotive oder Haus oder Elefant, je nachdem. Sie haben also noch keinen festen Plan. Ebenso ist es beim Krigeln, einer Lieblingsbeschäftigung aller Kinder. Da kann man manchmal die lustigsten Ge­schichten belauschen, die sie sich selbst zu ihren Zeichnungen erzählen. Wieder gibt es Kinder, die sich vor dem Zeichnen vornehmen: ich mache jetzt einen Baum, und andere, die im nachhinein ihr Gefrigel anschauen und ganz über zeugt ausrufen: das ist ja ein Baum!

Eine Reihe sehr hübscher Versuche kann man machen, indem man dem Kind verschiedene Bewegungen vormacht, ohne es zum Nachahmen aufzufordern, und nun feststellt, wann dem Kind zum erstenmal der Gedante tommt: das fann ich ja, auch! und es nun beginnt, die eine oder die andere Bewegung nachzuahmen; Arme schwingen oder heben, ein Papier zerreißen, einen Gegenstand von einem Platz auf den anderen legen, sind dazu besonders geeignet.

Eine besondere Form der Nachahmung ist das Nach fingen einer Melodie oder zumindest einiger Töne. Die meisten Kinder erfassen die Lonwelt erst nach dem zweiten Jahr. Je älter die Kinder werden, befto aufregender werden die Ereignisse. Da beginnt plötzlich ein kleines Mädeln sich rhythmisch nach der Musik zu bewegen, ein anderes beginnt gar Wize zu machen! Gerade die Kinderwite zeugen von einer schon recht hoch entwickelten Intelligenz: meist handelt es sich dabei um abfichtliche Personenverwechselungen. Die Kinder lernen bald beim Erwachsenen Ernst und Scherz von einander zu unterscheiden. So erklärte ein Kind von 26 Monaten, als man eine Scherzfrage stellte, ganz ernst: ,, Das weiß ich nicht, dazu bin ich noch zu klein."

Dieses Kind hatte ganz besonders früh zu sprechen und zu assozieren begonnen, es beklagte sich mit fnapp zwei Jahren über die zu große Wärme seiner Suppe mit der wohlgesetzten Rede: So einem kleinen Kind gibt man jo eine heiße Suppe!" Aber es begann sehr spät und sehr ängstlich zu laufen.

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3wel Gerichtsurteile.

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" Familientraggödie" Mutter mit Kindern in den Tod ge gangen" Geöffnete Gashähne und wie alle diese Schlag. zeilen in diefer ftändigen Rubrik der Großstadtpreffe noch heißen mögen. Die unfelige Tat bildet das Shlußglted einer unheimlichen Rette von Demütigungen, Swelfeln, Hoffnungen, Enttäuschungen, Qualen. Dit genügt ein ganz geringfügiger Anlaß, um die Schale der Seele mot zum Üleberlaufen zu bringen. Urteilt man bloß nach diesem Anlaß, so erscheint die Ursache zur Tat nur allzu ni htig. In Wirklichkeit Hegt sie stets tiefer.

Nichtig erschien der Antah zum Selbstmord in den belden Fällen, die faft zu gleicher Zeit ihre gerichtliche Lösung fanden- in London   wid in Parts. Junge Mütter hatten versucht, gemeinsam mit ihren fleinen Kindern aus dem Leben zu scheiden. Hier wie dort wurden fie im lezten Augenblie gerettet. Belde mußten vor Gericht erscheinen: die in London   wegen versuchten Mordes an ihrem Kinde und wegen, versu hten Selbstmordes- Selbstmord ist in England noch strafbar; die in Paris   wegen leichter Körper­verlegung an ihrem Kinde.

Paris  .

Vor der 16. Straffammer des Korrektionstribunals am Polizei­präsidium steht eine Neunzehnjährige, faft noch ein Kind. Im De­zember Jahen Borübergehende eine junge Frau fich in den Kanal St. Martin stürzen. Beherzte Leute zogen sie aus dem Waffer und riefen sie nach vieler Wühe ins Leben zurüc ihr 15 Monate altes Mind, das sie mit einer Schnur an ihren Kör per gebunden hatte. Als die Mutter ihre Augen aufschlug, waren per gebunden hatte. Als die Mutter ihre Augen aufschlug, waren ihre ersten Worte: Wir haben ein Glück." ihre ersten Worte: Wir haben kein Glück."

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mit ihr auch

Run steht sie mit niedergeschlagenen Augen vor ihrem Richter. Sie fürchtet, daß man ihr das Kind nehmen würde, um dessentwillen fie mit in den Tod gehen wollte. Da man thr nun das Leben zurückgegeben hat will sie allein um des Kindes willen weiterleben. Das Gericht kann aber laut Gesez das Kind ihrer mütterlichen Fürsorge entziehen. Und der Mann bittet darum: Begen einer Bagatelle wollte sie aus dem Leben scheiden. Ich hatte in der Wäsche des Kindes Shminte und Hautfrem verſtedt ge funden. Deshalb gab ih ihr ein paar Ohrfeigen."

das Leben nehmen woller? Nein! Die Nachbarinen haben sie Hat aber die junge Mutter etwa wegen dieser Ohrfeigen sich öfter schreien hören, und man wußte, daß die Frau mehr als ein­mal von dem Manne geschlagen worden war. Ja, sie hatte sich bereits einmal vergiften wollen," fagt der Mann. Es schien, als bedauerte er, daß es ihr nicht gelungen war.

Das Gericht folgt nicht dem Staatsanwalt. Es entzieht nicht das Kind der mütterlichen Fürsorge. Das Urtell lautet zwar auf ein Jahr Gefängnis. Die Strafe wird aber ausgefeßt. Barijer Geschworene hätten die junge Mutter von der Anklage, ihrem tinde eine leichte Körperverlegung zugefügt zu haben, ohne Be benten freigesprochen.

London  .

Bor den Geschworenen sieht die 24jährige Ruth Jones. Sie hatte eines Nachts die Gashähne geöffnet. Plöglich fam es aber wie eine Erleuchtung über fte. Selbsterhaltungstrieb und Mutter­instintte bäumten sich auf. Sie schleppte fich mühselig zum Fenster, ließ das Gas ins Freie entströmen und hatte noch Kraft genug, die Gashähne zu schließen.

Und der Alaß zu diesem Selbstmordverfuch und Kindesmord? Man wäre genetet zu lachen, wenn aus der Sache nicht der#efe