Frauengestalien der 48er Revolution.
In heißer Dankbarkeit und einig im Gelöbnis der Nach» folge hat. das freiheitliche Deutschland in diesen Märztagen der Kämpfer. Dichter und Führer der Revolution vor achtzig Iahren gedacht. Es war das ergreifende» und doch wieder so erhebende Schicksal dieser Männer, daß sie im wirklichen Leben nichts, im Reich des Gedanken» a l l e»gewannen, daß die greifbare Spur ihrer Erdentage im Morast der nachmärzluhen Reaktion versank, daß dafür aber ihr Wandel im geistigen Leben der Nation unaus» löschlich blieb. Nicht nur den Männern wurde dies Geschick zuteil, sondern auch eine Reihe bedeutender Frauen, kühner Vorwegnehmerinnen eines kom» Menden Frauentypus. Sie nahmen tätigen oder geistigen Anteil an den Geschehnissen de» stürmischen März— ohne realen, unmittelbaren Erfolg, und doch beispielhaft fortlebend im Gedächt- nls der Töchter, Schülerinnen und jun- gen Frauengeneration überhaupt. Genossin Anna B l o», durch die Studien ihres kürzlich verstorbenen Gat- ten und die mannigfachen, lebendig ge- bliebenen Traditionen ihrer schwäbischen Heimat besonders auf die Pflege der unvergeßlichen, großen Revolution»» erinnerungen hingewiesen, läßt in diesen Tagen ein Buch erscheinen,„Frauen der deutschen Revolution 1848", das zehn der bedeutendsten weib» lichen Gestalten aus jener Zeit mit feiner Einfühlung, in lebendiger Schtl» dennig vor uns hinstellt. So verschieden diese Frauen in Charakter, Temperament und individuel- ler Neigung gewesen sind, einig waren sie in ibrer glühenden Liebe zur Freiheit, in ihrem Glauben an ein« höhere, geistige Bestimmung des weiblichen Geschlecht» und ihrem tiefsten Mitgefühl mit dem gequälten ausgebeuteten Volke. Mit- gefühl mit dem Volke, nicht etwa ihm in Solidarität vereinigt, das war auch charakteristisch für die Frauen, von denen keine einzige selbst au» der- noch halbvertierten, dumpfen, ungeistigen Masse hervorgegangen war. Diese Adelsfräulein, Töchter hoher Beamter oder reicher Kaufleute, ausgestattet mit der feinsten Bildung, die ihre Zeit überhaupt der Frau gewährte, konnten zunächst an der Not des Voltes nur teilnehmen durch einfühlendes Mitleiden, bis ihnen dann freilich die Trennung von der väterlichen Familie, die Kerker- Haft des Gatten und die Bitterkeit des Exils selbst das grauenhafte Antlitz der Not offenbarte. Die Frauen, von denen hier die Rede ist, bewährten sich ausnahmslos im härtesten Leiden als treue Kameradinnen ihrer Gatten, opfer- bereite Mütter und bienenfleißige Arbeiterinnen. Sie hatten die Doppellast der Erwerbsarbeit und der Pflege einer zahl- reichen Familie unter den ungünstigsten äußeren Umständen zu tragen, und oft genug rächte sich die vergewaltigte Natur durch Siechtum, frühen Tod oder unaufhaltsames Hinsterben der zärtlich geliebten Kinder. Niemals hätten diese Frauen ihre eiserne Standhaftigkeit in Not und Leiden bewahren können, wenn sich ihrem leiden- schaftlichen Gefühl nicht auch klares, erkennendes Wissen
um neue Lebenswerte zugesellt hätte. In ihnen ver» einigte sich in seltsamer Mischung das durch die deutsche Romantik erweckte Gefühl für menschliche und weibliche Individualität, mit der Ueberzeugung von der allgemeinen menschlichen Gleichheit. Der Rousseausche Appell war, was die Stellung der Frau anbetraf, mächtig unterstützt worden durch das Beispiel der Neuen Welt, in der einzelne, hervor- ragende Frauen es wagten, mit Rebellion zu drohen, wenn ihnen die Verfassung nicht die Gleich- berechtigung gewähre. Getragen von solchen aufwühlenden, neuen und frischen Strömungen der Zeit, strebten die Frauen von 48 nach Tätigkeit, Bildung und vollmenschlicher Entfaltung in sicherer Bewußtheit ihres Wertes. Einige von ihnen haben sogar, vom Spießer» tum bewitzelt und verfemt, in Männer» kleidung, die Waffe im Gürtel, und hoch Rotz, an der Seite des geliebten atten selbst die Gefechte der Revolution mitgemacht. Mit Recht wird stets an erster Stelle genannt LuiseOtto-Peters. die»Lerche der deutschen Frauen- bewegung", deren Herz gleich begeistert schlug für die Rechte ihres Geschlechtes und die Befreiung des Proletariats, dessen Leiden sie in der erzgebirgischen Heimindustrie in seiner furchtbarsten Form kennengelernt hatte. Gleich be- gabt als Schriftstellerin und politische Natur, fand sie durch ihre aufsehen- erregenden sozialen Romane, durch ihre „Lieder eines deutschen Mäd- chens" und durch die Gründung einer ersten„Deutschen Frauenzeitung" mit dem Motto „Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen" vielseitige Ausdrucksmögltchkeiten für die sie bewegenden Gefühle und Gedanken. Die im März 48 an das sächsische Ministerium gerichtete„Adresse eine» deutschen Mädchens" war zu jenen Zeiten eine unerhörte Kühnheit. Ihre mensch- lich hohen Eigenschaften entfaltete Luise in ihrem seltsamen Brautstand mit dem jungen, aus dem erzgebirgischen Pro- letariat hervorgegangenen Schriftsteller August Peters , der als Freiheitskämpfer neun Jahre Kerkerhaft verbüßte. Nur einmal im Jahr, getrennt durch Eisengitter, durften sich die Liebenden sehen, aber sie überstanden die Prllfungszeit, die nur durch eine sechsjährige, glückliche Che gekrönt wurde, in einem so geläuterten, unerschütterlichen Gefühl der Zu- sammengehörigkeit. wie es nur der gemeinsame Dienst, das gemeinsame Opfer für ein hohes Ideal eingibt. Nach dem Tode des Gatten widmete Luise sich ganz der Sache der Frauen; sie berief 1865 die erste Frauenkonferenz nach Leipzig , die der Ausgangspunkt wurde für den großen, erfolgreichen, heute stark verbürgerlichten„Bund beut- scher Frauenvereine". Zu den Frauen, die s e l b st a k t i v e n Anteil an den Revolutionskämpfen nahmen, gehörten Mathilde Fran- ziska Annete, Amalie Struve und Emma Her- w e g h, die Gattin des Freiheitssängers, die an der Seite ihrer Männer während dieser gefährlichen aufgeregten Zeiten