verbleiben wollten. Daß sie, trotz der Dolche. Terzcrolen und Pistolen im Gürtel, selbst die Mordwaffe gebraucht hätten, ist kaum anzunehmen, andererseits aber erwiesen sie sich als von den Zeitgenossen anerkannte tüchtige Organisatorinnen, Kund- lchasterinnen, Proviantmeisterinnen und selbstverständlich Verwundetenpflegerinnen. Ihr praktischer Sinn war oftmals der romantischen Schwärmerei der Männer überlegen; als kleiner, menschlicher, wenn man will, weiblicher Zug sei erwähnt, daß das Amazonenkostüm einschließlich des vorweg- aenommenen„Bubikopfes" neben den großen, weltbewegen- den Ideen in den schönen, klugen Köpfen dieser Frauen durch- aus feine Rolle spielte. Mathilde Franziska Anneke , die sich aus dem Katholizismus zum Freidenkertum durchgerungen und sich bereits vor der Revolution in Köln als Schrift- st e l l e r i n und Herausgeberin betätigt hatte, sowie Amalie Struve , die selbst als G e f a n g e n e den Brutalitäten einer wütenden Soldateska ausgesetzt gewesen war, sanden zusammen mit ihren Männern eine neue Heimat in Amerika , wo sich die erstere als Gründerin einer wissen- Ichastlich hochstehenden Töchterschule und glänzende P ä d a g og i n, die letztere als treue Mitarbeiterin ihres Mannes an dessen Weltgeschichte fruchtbar betätigten. Neben diesen kämpferischen Gattincn steht die eigen- artige Erscheinung der schönen, interessanten Luise A st o n, die nach Lösung ihrer sehr unglücklichen Ehe sich„freier Liebe, freiem Leben" ergab, und dies nicht im Ge- Heimen und unter Wahrung des Dekorums, was ihr die Gesellschaft immerhin vergeben hätte, sondern aus Prinzip und in freiem Bekennermut. Sie machte als energische, brauchbare Krankenpflegerin den F e l d z u g 1848 gegen die Dänen mit, freilich nicht ohne sich in ihrer Mußezeit als einzige, gefeierte Frau in- mitten vieler Männer, liebend bald an diesen, bald an jenen anzuschließen. Als Herausgeberin des„Freischärler" nach dem Zusammenbruch der Revolution wiederum aus Berlin ausgewiesen, und ruhelos herumgehetzt, suchte die kühne Hetäre dennoch endlich Zuflucht in der Ehe mit einem Bremer Arzt, mit dem sie bis zu ihrem Tode sein ruheloses Wander- leben als Feldarzt getreulich teilte. Wir dürfen in Luise Aston eine Vorläuferin des heute weit verbreiteten„Gar- conne"-Typ erblicken, den Typ einer Frau, die ihr ganzes Leben, einschließlich der Liebe, dem Urteil der Umwelt zum Trotz, auf eigene Verantwortung stellt. Eine nicht minder originelle Erscheinung erkennen wir in Marie Kurz , die einen anderen Typ unserer Tage gestaltend vorwegnahm: den Typ der Iugendbeweglerin, die selbst als Großmutter die ewig Bewegliche, Funkelnde ge- blieben ist. Geboren als Aristokratin und im Reichtum, brach schon als Kind ein ausgeprägtes Gefühl für mensch- liche Gleichheit und Neigung zu schlichte st er Lebensweise in ihr durch. Während der Revolution ging Marie in Wahlversammlungen, verteilte Flugblätter und wurde die„Muse" der revolutionären Studenten. Ein- mal schwang sie sich sogar zu einer Ansprache an das ver- sammelte Volk auf. Ihr väterliches Erbe gab Marie für politische Zwecke bin, der Rest reichte noch für eine Reise vierter Klasse in die Schweiz und eine Ernährung, die oft nur aus Brot und Zichorienbrühe für sich und ihre treue Josefine bestand. Diese äußerste persönliche Bedürfnislosig- keit kam ihr nur allzu sehr zustatten in ihrer Ehe mit „ihrem" Dichter und Gelehrten Hermann Kurz , von dessen magerem' Gehalt als zweiter Unterbibliothekar in Tübingen sie eine große Familie durchbringen mußte. Was ihr an spezieller hausfräulicher Tüchtigkeit abging, ersetzte sie Mann und Kindern durch ihren Humor, ihre poetische Be- trachtungsweise, ihre ungeheure Lebenskraft und geistige Regsamkeit. Nach dem zu frühen Tode ihres geliebten Hermann fand sie reiche menschliche Erfüllung in den dichterischen Erfolgen ihrer Tochter Isolde. Neben den Kämpferinnen stehen als Dulderinnen der Revolution Johanna Kinkel und Jenny Marx , beide in Wohlhabenheit geboren, behütet und fein- gebildet herangewachsen, und beide fast aufgerieben vom schweren Existenzkampf in der englischen Verbannung. Hatte Johanna Kinkel die furchtbare Angst um den wegen Teil- nähme an der Revolution zu lebenslänglichem Zuchthaus verbannten Gatten zu tragen, ein Geschick, dem er sich durch die Flucht entziehen konnte, und wurde selbst, frühzeitig vom Daseinskampf aufgerieben, dahingerafft, so mußte Jenny Marx , die zärtlich liebende Mutter, den Tod fast all ihrer Kinder als Folge der bitteren Armut ertragen. Fand Johanne Kinkel Trost in ihrer geliebten Musik und einem
trotzalledem selten glücklichen Familienleben, das sie selbst in den härtesten Tagen durch ihren echt rheinischen Humor belebte, so wußte Jenny Marx , daß sie ihre Opfer dem menschlichen Fortschritt brachte, daß sich auf ihnen eine der gewaltigsten wissenschaftlichen Lehren aller Zeiten aufbaute Beide Frauen, umweht von der Tragik eines mörderisch harten Geschicks, trugen es mit der Fassung edler, starker Seelen. Als edelste und harmonisch ausgeglichenste Erscheinung jener Tage tritt uns entgegen Malvida von Meysen» bürg, die einzige unter all diesen Frauen, die ihr Leben ohne Gatten und Geliebten, in tiefster Einsamkeit, aber auch in höchster Freiheit, gestaltete. Wenn dieses Adelsfräulein sich auch, unter dem Eindruck der Revolution, des selbst- erlebten Paulskirchenparlamentes, zur Demokratie wandelte, wenn sie auch die Trennung von den geliebten Ihrigen, Flucht, Verbannung und härtesten Daseinskampf als Haus» lehrerin und Erzieherin auf sich nahm, so ist sie doch stets in des Wortes feinster Bedeutung„D a m e" geblieben. Aristo« kratin des Geistes und Meisterin des echten Herzenstaktes, Ihre heute noch vielgelesenen„M emoiren einer I d e a l i st i n" beweisen, daß die über neunzig Jahre alt Gewordene während ihres reicherfüllten Lebens der Freundschaft der größten Männer ihrer Zelt, eines Kossuth, Garibaldi , Mazzini, Richard Wagner , Friedrich Nietzsche , Romain Rolland usw. für würdig er» wiesen wurde. Auch mit dem Hause Kinkel verbanden sie die Bande wärmster Freundschaft. Würdig reiht sich diesen Frauen die geniale Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient an, die wegen ihrer Haltung in den Revolutionstagen aus der Heimat Dresden verbannt wurde, der die Großen und Fürsten Europas zu Füßen lagen und die dennoch nur darauf stolz war, daß sie„im Herzen des Volkes steckte". Noch viele ungenannte und unbekannte, kühne und geistreiche Frauen mögen, durch die Revolution wachgerüttelt, an der Revolution beteiligt gewesen sein. Ihr Bild ist ver- wischt, ihr Name verklungen. So mögen die genannten zehn Erscheinungen in der Fülle ihrer Individualitäten mitzeugen iür all die Verschollenen, die jetzt vor achtzig Iahren dem er« taunten, ungläubigen, ihrem Ideal nicht reifen Jahrhundert >ag Beispiel neuen Frauentums hinreißend verlebten. H. 6.
Oer Giaai sorgi für Kinderlosigkeii. Die Rechtlosigkeit der verheirateten Lehre« r i n kam darin zum Ausdruck, daß in den meisten deutschen Ländern die„wirtschositlch versorgte"— ein sehr dehnbarer Begriff— ver- heiratet« Lehrerin völlig ohne Entschädigung oder später geltend zu machend« Rechte entlgsscn wurde. In Württemberg gibt es In Fällen besonderer Not lediglich eine Abfindungssunmie von 450 bis St» M. unter Verzicht auf all« Rechte, Bayern gewährt„Uebergangs« gelber" in Höhe von 600 bis 800 M. nach 20- bis ZOjähriger Dienstzeit� Preußen versetzte die Betresfendcn in den einstweiligen Ruhe- stand und Sachsen gewährte Wartegelder. Durch die Novelle zum Persoiwlabbaugesetz vom August 1S2S wurde wenigstens ein«»in- heitlich« Regelung für das ganze Reich geschasfen. Danach kann dl« verheiratete Beamtin bis 31. März 1929 Immer noch abgebaut werden; maßgebend ist ihre„wirtschaftliche Versorgimg", über welch« die Behörde entscheidet. Scheidet sie unter Verzicht auf alle Be- amtenvechte aus, so erhält sie eine Abfindungssumme, die natürlich In keinem Berhältnis zu dem Berlust ihrer Pension usw. steht. Di« vor dem 1. Juli 192S ausgeschiedene Beamtin bekomnit nur die Hälfte der festgesetzten Abslndungssumnie.— Es ist nur allzu verständlich, wenn die Beamtin sich angesichts dieser wirtschaftlichen Verschlechte- rung unter Hintansetzung anerzogener Moralbegrisse häusig lieber für einen freien Liebesbund mit dem erwählten Mann entscheidet. Bater Staat selbst belohnt ja die„Unsittlichkeil" und— die freiwillige Sterilität.
Frauenüberschuß und Eheschließungen. Nach der Volkszählung vom Luni 1925. Im Gegensatz zu einer durch mehrere Zeitungen gegangenen Statistik zeigen die soeben in„Wirtschast und Statistik" verössent- lichten amtlichen Zahlen der Volks- und Berusszählung vom Juni 1925 über den Familienstand der Reichsbevölkerung, daß die Zahl der Verheirateten besonders stark zugenommen hat, und daß sich auch die Chefreudigkeit beim männlichen Geschlecht steigerte.