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Frauenstimme

Rr.22 45.Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

21. Oftober 1928

Ruf an die Frauen.

Bon Marie Juchacz , MdR.

Wenn wir den 21. Oktober festlich begehen, dann ist das in erster Linie das Fest der Namenlosen, die in der Zeit des Sozialistengesetzes, aber auch vorher und nachher ge­fämpft und gelitten haben. Gehörten zu diesen nicht un­endlich viele Frauen? Tausend und mehr Gefängnis­jahre wurden in der Zeit des Sozialistengesetzes ausge sprochen. Hunderte von Gesang noffen wurden ausgewie­sen, gingen in die Schweiz ,

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nach Amerika , nach England. Andere folgten ihnen, verließen das ungaftliche Vaterland, das ihnen für das Aussprechen ihrer Freiheitsgedanken nur die Gefängniszelle bereit hielt. Ignaz Auet hinterläßt uns in feinem Buch Nach zehn Jahren" eine erschütternde Liste der Betroffenen, die aber lange nicht vollständig ist. Es sind sehr viele Familienväter dar­unter, oft mit vier, fünf und sechs Kindern. Schlecht und recht mußten sich die Frauen und Kinder dieser Männer in Der Heimat durchschlagen. So­viel nur irgend möglich, wur­den sie von treuen Genossen unterstüßt, bis endlich die Ver­einigung mit dem sorgenden Vater wieder da war.

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gerschaft, Geburt, Krankheit und Tod mußten ohne männliche Stüße getragen werden. Wieviel zerrüttetes Familienglück! Troßdem, oder gerade deshalb haben Frauen wacker dabei geholfen, die verbotenen Druckschriften zu expedieren und zu verteilen der Polizei ein Schntppchen zu schlagen. Und in einer solchen Zeit waren die Frauen noch recht

Rotes Jahrhundert.

Gesang der Flieger braust im Himmetslicht. Der Mensch ward Herr der Länder und der Meere, Der Mensch ward Herr der erdgebundnen Schwere, Doch seiner eignen Fesseln ward er's nicht. Gigantisches Jahrhundert der Vollendung, Nun donnre Du den andern Teil der Sendung: Rotes Jahrhundert!

Daß der und jener in die Lüfte steigt Daß Tausende auf blauen Meeren fahren, Sie danken's nur euch dunkeldunklen Scharen, Für die der Tag nur harte Arbeit zeigt. Ihr halfet Raum und Zeiten überwinden. Nun aber muß sich Mensch zum Menschen finden. Rotes Jahrhundert!

Gesang der Tiele stürme jedes Land Aufsteige Mensch aus Gruben und Fabriken, Aufsteige Mensch aus qüalmendem Ersticken Und was du schaffst, sei Allen zugewandt! Ein Volk der Riesen, Bruder Mensch und Streiter, So kämpft mit uns und werdet Wegbereiter Rotem Jahrhundert!

Bruno Schönlank.

loser, noch politisch ohnmäch tiger als die Männer, die sich wenigstens einige Male in die ser Zeit am Wahltage eine moralische Genugtuung ver­schaffen konnten. Das preußische Vereinsgesetz von 1850 verbot den Frauen jede Teilnahme an politischen Vereinen. In ande ren Bundesländern mit weni­gen Ausnahmen war es ähn lich. Ueber den Buchstaben des Vereins hinaus aber ging noch lange nach dem Fall des Go zialistengesetzes die polizeiliche Handhabung. Da mußten sich die Frauen unter allen mög lichen Vorwänden zusammen tun und durften nach Fehl schlägen, die aus der Zeit ge­boren waren und nach polizei­lichen Auflösungen ihrer Ber­einigungen nicht müde werden, sondern mußten immer wieder von vorn anfangen. Allein unter den 47 aufgelösten Ber­ liner Versammlungen im Mat 1886 waren fünf Arbeiterinnen­versammlungen. Und drei Frauenvereine, darunter der Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen,

Es gehörte viel Verständ­nis des weiblichen Ehefamera­den dazu, den Kampf der So­zialdemokratie zu verstehen und die kämpfenden Männer durch stilles Einverständnis seelisch und moralisch zu stützen. Die wirtschaftliche Entwicklung hatte der Arbeiterschaft wohl mit| wurden polizeilich geschlossen. Einen viel längeren der Maschine auch die Konkurrenz der Frauenarbeit in der Weg mußten wir Frauen zurücklegen, um zu unse­Fabrik gebracht. Aber zuerst hatte nach dem ungeschriebenen rem politischen Recht zu kommen. 1908 erhielten wir Gesetz des Wachsens und Reifens das männliche Proletariat seine geschichtliche Aufgabe zu erfüllen. Zudem waren die Frauen doch politisch vollkommen recht- und wehrlos. Sie waren ohne Wahlrecht, in den meisten deutschen Ländern durften sie nicht an politischen Versammlungen teilnehmen. Die Frauenbewegung" stand noch in den Anfängen und wurde selbstverständlich durch die Reaktion zurückge­drängt. Wir aber wollen heute nicht vorübergehen an den Vielen, die zurückbleiben mußten mit ihren Kindern in enger Behausung, bangend um das Schicksal des Mannes, dunklen, sorgenvollen Tagen gegenüberstehend. Die Polizei war nicht schonungsvoll. Mit Haussuchungen, scharfen Verhören und Drohungen wurden die Zurückbleibenden gequält. Schwan­

erst mit dem Reichsvereinsgesetz die Möglichkeit der politischen Organisation. 1918, zehn Jahre später, gab uns die sozialdemokratische Regierung das Wahlrecht. Wieviel Kampf, wieviel mühselige Aufklärungsarbeit liegt dazwischen. Soll der Sozialismus zum Sieg gelangen, so müssen wir auch die Frauen gewinnen, die noch abseits stehen.

Die 50- Jahrfeier der Partei, zu der wir rüsten, muß es zeigen, daß die Frauen der deutschen Arbeiterklasse zur Sozialdemokratie gehören.