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Kollegialität.
zum Teil jogar festgelegtes ,, Recht". Das jus primae noctis", das Recht der ersten Nacht der Neuvermählten, die dem Herrn der Unfreien gebührte, ist noch der Gegenstand der Hochzeit des Figaro ", die erst nach der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts entstand! Das auf Glauben schlafen", d. h. die Berleihung auch der ritterlichen Ehefrau an den besonders zu ehrenden Gast, war ein Brauch, der im frühen Mittelalter allgemein war.
Sechs Schreibmaschinen Happern in haftigem Taft. Sechs| Die Hingabe der Frauen an den gesellschaftlich höherstehenden war Mädel in verschiedener Aufmachung, in den verschiedensten Lebensaltern figen vor den Raffelkäften. Kolleginnen alle. Alle im felben unzulänglichen Gehalt stehend, das die eine durch die billige Wohnung im Haufe der Eltern, die zweite durch Hunger, die dritte durch einen guten Freund" forrigiert. Die Tür des Privatkontors öffnet fich. Fräulein Gröber zum Dittat." Fräulein Gröber, die Blondine am Fenster, deren Haar um eine kleine Nuance zu blond geraten ist, nimmt Block und Bleistifte, zieht noch einmal den felchen Wiener Jumper herunter und verschwindet hinter der Doppeltür zum Chefkontor. Raum ist sie verschwunden, steckt ihre Nach barin beim Bogenwechseln den Kopf mit der gegenüberfizenden Kollegin zufammen. Na, wenn der neue Jumper nun feinen Eindrud macht
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Frühstückspause im selben Bureau. Eine holt eine Thermos flasche aus der Attentasche, zwei brühen Rafao auf, für die vierte hat Bolle" früh einen halben Liter Borzugsmilch abgegeben, Fräulein Gröber padt eine Tafel Nußschokolade aus, Lotte Behrend fizt wieder bei einer„, barfüßigen Schmalzftulle", die, wie ihre Nachbarin fonstatieren fann. noch nicht einmal gut geschmiert ist. Der Bropagandachef geht durch den Raum. Schmedt's, meine Damen?"- Dante!" flingt es in sechsstimmigem Chor zurück. Jedes der Mädel scheint die Anrede als befendere Liebenswürdigkeit auf sich bezogen zu haben, und als der Chef durch ist, stecken die besonders befreundeten tushelnd die Köpfe zusammen. Dann geht der Dienst wieder an. Fräulein Gröber verstaut sorgfältig den Rest ihrer Schokolade. Die belden ,, Kakaoföche" gießen noch rasch den Rest des Kafaos in die Tassen, Lotte Behrend ist längst mit Ihrer Schmalzstulle fertig und wischt nervös an ihren mageren Händen herum etne Minute päter raffeln die Maschinen wieder los.
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Das ist ein Morgen, wie er für eine Unzahl von Bureaus typisch ist. Typisch vor allem auch darin, wie die Mädel untereinander stehen Nie gibt es unter Bureautolleginnen richtiggehende Kameradschaft. Sie wiffen freilich, daß sie alle in der gleichen Berdammnis sind; aber trotzdem stehen sie noch längst nicht wie wirklich Rameraden zueinander. Nirgends wird man so schwer den Begriff ,, Solidarität" vermissen, als in einer Arbeitsgemeinschaft, in der eine größere Anzahl von Frauen wenigen männlichen Borgesetzten unterstellt find. Das galt lange auch für die Betriebe, in denen die Fray als Arbeiterin fteht; wie lange und in manchen„ Buden" soll es noch heute so sein war es auch hier selbstverständlich, daß die Arbeiterin, die das Wohlgefallen des Chefs oder des Bore arbeiters erregte, ihm zur Berfügung stehen mußte. Und wie viele Arbeiterinnen gab es auch hier, die ihre sexuellen Borzüge sozusagen alelbewußt in Rechnung stellten, wenn es das Berbleiben auf einem Arbeitsplatz galt. Und darum war jede Frau auch
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im Arbeitsverhältnis die geborene Feindin der anderen. Man soll drum feinen Stein auf diese Frauen werfen. Jahrhunderte lang war die Frau dazu erzogen worden, daß einzig die Geltendmachung ihrer Serualvorzüge die Aufstiegsmöglichkeit für fle war.
Ein sowjetrusfisches Gelbstmorddrama.
Im Familienheim des Kavallerieregiments N. in Homel raunte und flüsterte es: die Frau des Kompagniechefs Koito eine Fafchiftin. Schau mal an, wir haben fle für ein stilles Wässerchen gehalten und in Wirklichkeit!? Aufgepaßt, daß fie uns nicht alle mitfamt vergiftet.
Der Kompagniechef Rolfo tit Kommunist. Die Gerüchte fommen dem Bartelbureau des Kavallerieregiments zu Dhren: Was, die Frau des Kompagniechefs Genoffen Kolko aktive Faschistin? Unmöglich! Der verantwortliche Sekretär, der Genoffe Galapin, hält in der fofort einberufenen Sigung das Referat; die einstimmig angenommene Resolution lautet: Das Zusammenleben mit dem fremden Element ist mit der Parteimitgliedschaft unvereinbar. Genolle Kolko hat sich von seiner Frau zu scheiden.
Der Kompagniechef Rolfo ist bemüht, feine Regimentstameraden von der Grundtofigkeit der Gerüchte zu überzeugen. Er leht, ihn nicht von seiner Frau zu trennen. Umsonst! Die Frau legt eine ganze Anzahl von Dokumenten vor, aus denen hervor: geht, daß sie früher Mitglied der Kommunistischen Jugend war, päter unter Kindern vorschulpflichtigen Alters gearbeitet und sich attiv hn öffentlichen Leben betätigt hat, Bergeblich! Die Vers jammiung der gesamten Regiments parteimitgliedschaft bestätigt den Beschluß des Bureaus: dem Genollen Kolfo ift nahezulegen, die Scheidung mit der Frau durchzuführen.
Wie sollte es anders gewesen sein, als die Frau endlich auf den Arbeitsmarkt gedrängt wurde! Baren sie bis dahin nur Kontur. rentinnen im Kampf um den Mann, so waren sie nun Kontur. rentinnen um Mann und Stellung. Und die Männer dachten nicht daran, diese angestammten Herrenrechte" freiwillig aufzugeben. Bom Fabrikherren bis zum Borarbeiter machten fie fie fchonungslos geltend, und wer sich nicht fügte, flog. Selbst in den Anfängen der Arbeiterbewegung fanden die Männer nicht die saubere und flare Einstellung zu den Genofsinnen. Es war eine jahrelange Erziehungsarbeit notwendig, bis nicht nur in den führenden Kreisen, sondern auch bei den Fußsoldaten des Klaffentampfes" die Frau als gleichberechtigt anerkannt wurde. Und es soll heute noch Genossen geben, denen das der schwerste Brocken ist.. Erschütternd sind hier die Berichte aus der Wirklichkeit", die das Buch der Genoffin Selinger enthält. Der Rachen" heißt es und bietet einen Querschnitt durch das Leben einer Proletarierin, Heim arbeit, Hausarbeit, Fabrik und nochmals Fabrik und das Ringen um die Gestaltung des eigenen Lebens und der nur zu schwere Weg zur Partei. Aus dem kleinen Büchet spricht das ganze Elènd der Frau, die es einmal wagt, ihr Weibtum von ihrer Lohnarbeitsverpflichtung zu trennen.
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Nun hat sich im Proletariat doch schon vieles geändert. Auch die Frau kennt Klassenbewußtsein, auch sie hat in manchem Streit den Begriff der Solidarität hochhalten gelernt. Aber noch immer muß man, wo Frauen miteinander unter männlicher Oberhoheit" stehen, Rückfälle tonstatieren besonders in den Be.. rufen, bei denen grobe, entstellende förperliche Arbelt ausgeschaltet ift. Noch immer ist sozusagen latent die Bereitschaft vorhanden, zur Arbeitsleistung auch das Weibtum als Draufgabe zu geben. Noch immer ist diese innere Bereitschaft eine starke Waffe des Kampfes der Kolleginnen" untereinander. Und wehe der, die ihre körperlichen Vorzüge über die anderen heraushebt! Selbst wenn sie gar nicht daran denkt, zu fofettieren, wird ihr sicherlich zuerst nachgesagt, daß sie ihre Stellung mehr ihren Reizen als ihrer Tüchtigkeit zu verdanken habe. Die knappen hundert Jahre, in denen die Frau als Arbeitskraft auf dem Markt des Lebens steht, haben eben noch nicht genügt, die Reste der Jahrhunderte, ja Jahrtausende langen Be ziehungen zum Segualobjekt zu tilgen. Je flarer wir aber erkennen, we degradierend da das kleinste Zugeständnis an diese fängst überwundenen Zeiten ist, je sicherer werden wir mit diesen Resten fertig merden- ob wir sie nun in Form der allzuleichten Berelt. fchaft zu Berdacht und übler Nachrede oder in einer anderen Art mit uns herumtragen. R. E.
Rolfo ist ein altes Parteimitglied. Wie sollte er sich den Forberungen feiner Genoffen nicht fügen. Er lagt zu feiner Frau: Du weißt, Katja, wie gern ich dich habe. Dle Partei verlangt aber, gründet und ungerecht. Ich bin Kommunist, Soldat und Roter daß wir auseinandergehen. Ich weiß, die Forderung ist, unbeKommandeur. Ich darf nicht um einer Frau willen die militärische und revolutionäre Disziplin verlegen. Verzelhe mir, wenn du es tannit.
Rolfo läßt sich scheiden. Um jede Beziehung zwischen ihm wird ihm folgender Bescheid zuteil: Der Genoffe Rolfo ift darauf und feiner mm von ihm gefchiedenen Frau unmöglich zu machen, aufmerksam zu machen, daß es für ein Mitglied der Kommuniti schen Bartei unzulässig ist, mit fermden und antifowjetiſtiſchen Elementen Beziehungen zu unterhalten.
Koltos ehematige Frau, nun wieder Katharina Smirnowa, reift zu ihren Eltern und fehrt am 16. Dezember a. 3. nach Homel zurück. Sie steigt in dem Familienheim ab, in dem auch ihr Mann lebt, bei dessen Nachbarn. Entgegen dem Beschluß des Bartel Tee ein. Sie bittet ihn, einen von ihr verfaßten Brief an den bureaus lädt jener ganz insgeheim felne Frau zu einem Glase Borsigenden der Zentralen Kontrollkommiffion in Moskau , den Genoffen Jaroslawiti, abzusenden. Darin heißt es u. a.
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„ Ich bitte und stehe Sie an, faffen Sie mich nicht zugrunde gehen, geben Sie mir die Möglichkeit, mit meinem Mann, dem Kommunisten, wieder zusammenzuleben. Ich bin unschuldig. Aus den beigefügten Papieren ersehen Sie, wer ich bin. Ich bitte meine Eiflärung nicht unbeachtet au laffen; denn sonst werde ich