Niegewaschene Hemden.
Unfittliche Unterbeinkleider- Anstandsröcke".
Erft in den letzten Jahrhunderten ist das Problem der Unter| Erst in den letzten fünfzig Jahren hat sich in den Städten leidung aufgetaucht und damit auch Gegenstand hygienischer Betrachtung geworden, Früher war das Allgemeininteresse vorwiegend auf die Oberkleidung und zwar fast ausschließlich auf die äußere Hülle des Menschen gerichtet, während die Innenseite der Kleidung und vollends die Unterkleidung außerordentlich vernachlässigt wurden. Auf diese Tatsache hat vor einiger Zeit Frau Professor Helene Dihle( Berlin ) in einer medizinischen Fachzeit Ichrift hingewiesen.
Die kostbarsten Kleidungsstücke des 16., 17. und sogar 18. Jahr. hunderts waren nur mit einem Futter aus grober. Sadleinwand ausgestattet. Feine Leinenhemden wurden als Geschenke zwischen den Fürsten der damaligen Zeit ausgetauscht. Das Hemd war damats noch fein hygienischer Gebrauchsgegenstand, der häufig gewechselt und gewaschen wurde, sondern gehörte gleichsam zum Bams und Rod, zum Mieder und Oberkleid. Wenn man ein Mitgiftverzeichnis jener Zeit durchblättert, dann findet man erstaunlichermeile, daß die Zahl der Oberkleider stets die Zahl der Hemden weit ibertrifft. Eine Braut aus vornehmstem Stande erhielt etwa 10 bis 32 Hemden in ihre Ausstattung, jedoch leisteten sich die meisten Deute bei weitem nicht eine so hohe Bahl. Es war damals allgemein üblich, daß der Bräutigam am Hochzeitstage von der Braut ein besonders wertvolles Bräutigams hem d" zugesandt erhielt, das die Braut selbst angefertigt hatte.
Auf unsere Zeit ist fein Bericht darüber gekommen, ob diese Lugushemden überhaupt jemals, und wie oft fie gewaschen wurden.
Wenn man bedenkt, daß diese Hemden vielfach mit Perlen und bunter Seide verziert waren, daß es ferner in jener Zeit noch teine chemische Reinigung gab, so drängt sich die Ueberzeugung auf, daß bie Säuberung dieser feinen Hemden in feiner Weise hygienischen Ansprüchen genügt haben kann. Die minderbemittelten Kreise werden damals wohl nur in Ausnahmefällen oder überhaupt nicht Hemden getragen haben. Wahrscheinlich wurde das kostbare Leinenhemd in bielen Kreisen durch ein Brusttuch aus grobem Gewebe oder durch ein farbiges sogenanntes Futterhemd ersetzt, das nur bis an die Taille reichte. Erst etwa um 1600 dürfte sich das weiße Unterhemd allgemein eingebürgert haben. Für die Männer gab es etwa vom 16. Jahrhundert an gewirktes oder geftrickies Unterzeug, das jedoch zunächst sehr kostbar und darum nur selten war. Erst allmählich wurde dieses Trifotunterzeug bescheidener ausgestattet und brang dann auch in die bürgerlichen Kreise. Weder im 16., noch im 17., noch auch im größten Teile des 18. Jahrhunderts trugen die Frauen, ob hoch, ob niedrig, Beinkleider. Eine Ausnahme bildeten nur die Niederlande , in denen das rauhe Klima den Frauen bas Tragen von Kniehojen aufzwang. In Deutschland jedoch galten damals Beinkleider als ungesund und unbequem, ja jogar als unpassend". Vor allem die Kirche bezeichnete
das Tragen von Unterbeinkleidern bei Frauen als unfittlich(!) Selbst im 18. Jahrhundert, im Zeitalter des luftigen Reifrocks, konnte sich das Beinkleid für Frauen nicht durchsetzen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen einzelne Aerzte, sich für eine geschloffene Unterkleidung der Frauen einzusetzen. Sie stießen dabei auf den heftigsten Widerstand, obwohl sie diese Unterfleidung empfahlen, um Erkältungen des Unterleibs vorzubeugen. Selbst unter den hervorragendsten Aerzten jener Zeit fanden sich fanatische Gegner, die das Tragen von Frauenbeinkleidern als eine heillose Erfindung bezeichneten, durch die erst Unterleibsleiden aller Art entstünden. Schließlich hat aber die Mode den Weg für das Unterbeinkleid der Frauen freigemacht. Die im Zeitalter Napoteons eingeführte luftige Empiretracht rief bei den Frauen unzählige Erkältungen und tödliche Grippefälle hervor und zwang Dadurch die Frauen, die bisher verpönten Hosen zu fragen. Während zunächst dieses neue Bekleidungsstück unsichtbar blieb, ließ die jolgende Modeepoche die Beinhüllen bis an den Fußknöchel reichen und hier
in fofefter Spigenmanschette auslaufen. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang wurden die unter dem Rocke hervorschauenden Beinhüllen von den kleinen Mädchen getragen. Aber wie das loje„ Chemisett" und die Röllchen" später bei den Herren der Schöpfung ein ganzes Overhemd vortäuschen sollten, so geschah es auch bald bei diesen Beinhüllen der Frauen. Der bürgerliche Mittelstand trug lediglich Hosenbeine, die ohne obere Fortschung am Knie unter die Strumpfbänder geklemmt wurden.
bei den Frauen das unsichtbare, lediglich aus hygienischen Gründen getragene Unterbeinfleid durchgesezt. Die ältere Generation der Landbevölkerung, trägt es wohl zum großen Teile auch heute noch nicht. Der Interrod dagegen ist viel älteren Datums. Ursprünglich diente er als praktische Wärmehülle. Er war furz, glatt, eng und ziemlich primitiv, aus didem, dunklem Wollstoff. Auch dem Unterrod hat erft die Empiretracht eine gewiffe pifante Bedeutung verschafft, die sich in einer Berfeinerung des Stoffmaterials und im Anbringen mannigfaltiger Berzierungen fundgab. Die Biedermeier. zeit erhöhte die als schicklich geltende Zahl der Unterröde in einer für unsere Begriffe geradezu erschreckenden Weise.
Unter zwel längeren Unterröden wurde noch der sogenannte Anstandsrod" getragen,
und all dies galt als Symbol für reelle Hausfrauentugend und gute Sitte. Erst die nachfolgenden Generationen, die nach Abhärtung und förperlicher Bewegungsfreiheit verlangten, vermochten sich unter mehr zunehmende Körperpflege und Hygiene unserer Zeit hat dann schweren Kämpfen dieser Unterrodsqualen zu entledigen. Die immer gerade dem Unterrock- ebenso wie dem Korsett- den Rest gegeben, unfere Sittlichkeitsfanatiker fich gewissenhaft hinter die Ohren Mit Recht schließt Frau Dihle ihre Ausführungen mit Worten, die schreiben sollten: Jedenfalls hat es eine absolute Norm für das, was schicklich oder unschicklich ist, in der Kostümgeschichte nic mals gegeben."
Abtreibung und Wirtschaftsnot.
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natür.
In einem guten Auffah über Bevölkerungspolitik( Mal- und Juni- Heft der Frau") zitiert Gertrud Bäumer eine fleine Statistik aus Kiel , aus der der Zusammenhang zwischen Zahl der erschütternder Eindeutigkeit hervorgeht. Die nicht umfangreiche, aber Abtreibungen und Zahl der Geburten mit der Arbeitslosigkeit mit recht wertvolle Statistik wude gewonnen durch den Kieler Medizinalrat Engelsmann, auf dessen Beranlassung die Hebammen lich unter Zusicherung strengster Berschwiegenheit fich von ihren Batientinnen, die im Jahre 1924 entbanden, die Zahl und das Jahr letztere fast immer mit Abtreibung gleichgejezt werden können, mitder vorher stattgefundenen Geburten und Fehlgeburten, wobei Behauptung der Gegner der Abtreibungsstrafe bestätigt, daß die teilen ließen. Es hat sich bei dieser Gelegenheit roieder einmal die verkehr zur Last fallen, sondern von älteren Ehefrauen, weitaus meisten Abtreibungen nicht dem unehelichen GeschlechtsMüttern mehrerer Kinder, begangen werden.
An der Statistik sind alle Berufsgruppen beteiligt. Sie wurde in den Jahren 1925-1927 durch neue Untersuchungen nachfontrolliert und ergänzt. Sie ergibt folgendes Bild von der Geburten bewegung im Zusammenhang mit der Erwerbslosigkeit:
1924 1925 1926
Januar 6.309
Sauptunterftligungsempfänger Juli
Dezember
Geburten auf 1000 Einwohner
Fehlgeburten auf 100 Geburten
1.886
3 306
15,31
34
4 087 9.004
2961
6 334
18,14
30,7
11 785
12 281
17,34
36,54
11 781
16,30
44,22
1927
Beachtenswert ist vor allem, wie die verhältnismäßig niedrige Arbeitslojenziffer des Jahres 1924 fich auswirkt in der relativ hohen Geburtenzahl und niedrigen Fehlgeburtenziffer des Jahres 1925, und wie der wachsenden Arbeitslosigkeit eine Verschiebung der Ge burten- auf die Fehlgeburtenzahl der nachfolgenden Jahre entspricht.
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Dabei sind die Frauen, die nicht mehr geboren, sondern nur noch abgetrieben haben, noch gar nicht einmal erlaßt. Gertrud | Bäumer, die nebst dem Bund Deutscher Frauenvereine bisher in der Abtreibungsfrage eine recht reaktionäre Haltung einnahm, fommt angesichts dieser Tatsachen selbst zu dem Schluß, daß Ab. treibung und Wirtschaftsnot auf das engste miteinander zusammenhängen, und daß jede leichte Erhellung des wirtschaftlichen Horizontes bei einem fo jaft möchte man fagen: glücklich leichtgläubigen Bolt wie dem unseren den Lebenswillen start ansteigen laffen wird."
Diese Worte einer bürgerlichen Politikerin sollte man allen denen ins Stammbuch schreiben, die den gepriesenen ,, Willen zum Kind", der sich bei einigermaßen erträglicher Wirtschaftsfage[ ofort in Rückgang der Abtreibungsziffer umleht, mit Gefängnisdrohungen beleben wollen.