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Zu fein und zu grob.
Neulich ist mir eine Geschichte erzählt worden, von der man behauptete, daß sie zwar traurig, aber wahr sei.
Zu einem Genossen, der vor nicht langer Zeit Stadtrat geworben war( das kann ja dem nettesten Kerl und anständigsten Menschen passieren), tommt am Sonntagvormittag ein anderer, der bei ihm tassieren, irgend was mit ihm besprechen oder sonst was wollte. Er klopft höflich an, es wird ihm aufgetan, die Hausfrau steht in der Tür. Ich wollte zum Genossen X." Hoheitsvoll forrigiert die Hausfrau:„ Sie wollen den Herrn Stadtrat sprechen, nicht wahr?"
gemacht haben.
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Nun wollen wir mal alle auf die Bonzen schimpfen, feste- und ich höre schon, wie irgendein brav gezogener KPD - Funktionär einem unserer Genoffen an diesem Beispiel die ganze Berruchtheit ber SPD . Klarmacht. Aber man soll nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus fizt. Da kenne ich eine andere Geschichte, die handelt nicht von einer simplen Frau Stadtrat, sondern von einem Leiter der Handelsdelegation des Proletarierstaates", der garantiert fein bürgerlicher Spez", sondern ein richtiger, abgestempelter Kommunist war. Für ben mußte immer zu Mittag gedeckt werden, und ein Angestellter hatte die ehrenvolle Aufgabe, den Mittagstisch zurechtzumachen. Der war fein gelernter Kellner oder Lakei, wollte seine Sache recht gut machen, nahm die Serviette des hochmögenden Genossen aus der Serviettentasche und legte sie neben den Teller. Da wurde er furchtbar angepfiffen: 06 er denn nicht wisse, wie man den Tisch becke- er habe die Serviette nicht mit seinen Händen anzufaffen!" er habe die Serviette nicht mit seinen Händen anzufaffen!" Der Sünder war aber noch nicht ganz fingerzahm abgerichtet und bileb die Antwort nicht schuldig: da haben sie ihn in Zukunft vont diesem Dienst disvenfiert und er soll sich nicht mal viel daraus Also wir haben uns wirklich nichts vorzuwerfen: Es gibt felder in jeder proletarischen Partei Leute, die es nicht gern hören, wenn man sie daran erinnert, daß auch sie mal ihren Marschallstab im Tornister getragen haben und- bie auf das gewöhnliche Fußvolt der Partei von sehr hohem Pferde herabsehen. Ein Festredner darf sie zu irgendeinem Jubiläum vielleicht mal daran erinnern, aber bitte immer nach der Meloble:... das ist schon lange her, das freut uns um so mehr!" Und tomischerweise ist das bei uns ganz wie bei den reichen Leuten: So ein richtiger, ganz schwerer Dollarmillionär wird, besonders wenn er noch dazu ein kluger Kerl ist, gelegentlich einmal jovial davon erzählen, daß er als Beitungsjunge oder Telegraphenbog angefangen habe; wenn man aber Herrn Wendriner dran erinnern wollte, daß man sich noch darauf befinnen tönne, seinem Vater mal ein Baar Hosenträger abgetauft zu haben, als der noch feinen fleinen Stand im Hausflur hatte also da wäre Herr Wendriner doch Schuß für alle Tage! Und bei uns? Na, daß August Bebel ein Drechsler war und noch richtig getippelt ist, weiß jeder rote Falke; aber daß manchem doch minder prominenten Genossen es herzlich peinlich ist, nicht den Nachweis der akademischen Bildung oder mindestens des Abiturs erbringen zu fönnen bos mird von Lästerzungen manchmal behauptet.
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Aber freilich, diese uncrieulichen Erscheinungen wären nicht möglich, wenn sie nicht auch ihr Gegenspiel hätten: Den guten und braven Genossen Jimmy Higgins, der nie daran gedacht hatte, daß fein Kandidat, der große Mann, einen nadien Körper haben tönne". Und es ist sogar möglich, daß ein Genosse nichtproletarischer Herkunft oder Lebenshaltung sich durch Erfüllung seiner kleinen Barieipflichten durchaus nicht populär macht es gibt Gegenden, in denen man es als gegebene Vorausseßung hinnimmt, daß diese Genossen eben doch einige fleine und große Reservatrechte haben, an denen auch ihre Frauen teilhaben. Und der Herr Genosse aus bem Ministerium gilt hier nicht nur für einen vielleicht wirklich tüchtigen Menschen in seinem Spezialfach, sondern auch für alle Fälle für den besser unterrichteten und gescheiteren Kopf. Bei Barteifesten erscheinen dann diese Herren Genossen für ein Stündchen" als Tafelaufsaß, unterhalten sich gebildet mit ihresgleichen und huldvollst mit einigen gewöhnlichen Mitgliedern und verschwin den dann lächelnd und nickend in höhere Regionen.
Aber es ist nicht der Zweck dieser Geschichten, daß wir uns ein bißchen ärgern und ein bißchen lachen. Manchen von ihnen kommen wir auf den Grund, wenn wir uns baran erinnern, daß das MarpWort:„ Es ist das gesellschaftliche Sein, das das Bewußtjein bestimmt", nicht nur für die Klasse, sondern mit wenigen Ausnahmen auch für das individuelle Bewußtsein gilt. Zum anderen aber ist diese lleberschätzung bürgerlicher Formen durchaus nicht nur auf Bonzen und die, die es werden wollen, beschränkt, und der Smoking des sozusagen Volksbeauftragten" ist nur der Bruder des Smokings, den sich der junge Arbeiter leistet" wenn er auch,
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um solche Eleganz entwickeln zu können, auf sonstige fulturelle Bedürfnisse ziemlich Verzicht letsten muß: Daß er mit Schwager und Schwester in möblierter Wohnküche haust, macht nichts, wenn er nur sonst die Uniform der bürgerlichen Gesellschaft Lopieren fann. Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille, und um die au illustrieren, möchte ich mal einen jüdischen Witz erzählen, der so gut ist, wie ihn nur die Selbstironie des jüdischen Volkes fertig bringt. Das ist die Geschichte von dem Reisenden, der nichtschnend in ein Eisenbahnabteil steigt, in dem schon ein Schnorrer sitzt, den seine Gemeinde mit Billett und besten Segenswünschen abgeschoben hat. Der Schnorrer hat es sich bequem gemacht, seine feineswegs elegant beschuhten Füße auf die Bant gelegt, nimmt sie aber beim Erscheinen des neuen Reisenden herunter. Der seht sich ruhig in eine Ecke, nimmt ein feines Notizbuch vor, vergleicht Daten und fragt plötzlich den Schnorrer: Ach bitte wann ist doch diesmal Beessach( Jüd. Ostern)?" Da legt der mit einem erlösten ,, Ach sol" wieder die Füße, auf die Bank. Wir haben nicht den Mut zu dieser wahrhaftig großartigen Selbstironie aber ich habe schon ungezählte Male an diesen guten alten Wig denken müssen: Wenn mir ein brunumiger Kellner im Boltshaus den Teller hinschob, daß die Suppe Wellen schlug, wenn man es im Konfumladen für eine Zumutung hält, daß die angegrauten Scheiben von der Wurst am Morgen runterzuschneiden find, bevor die erste Käuferin bebient wird, wenn einer Arbeiter. vereinigung von der Musikerorganisation für Vergnügen usw. Erntefest- und Standesamtsmusikanten geschickt werden, die man nirgend andershin vermitteln würde... also die Liste ließe sich beliebig verlängern. Aber ich glaube, es werden auch andere Ge. noffen gelegentlich dieselbe Erfahrung gemacht haben: Bei manchen Menschen hört Höflichkeit, Rüdsichtnahme und forrette Erfüllung ihrer Berufspflichten sofort auf, wenn sie wissen, daß der andere ja„ bloß ein Genosse" ist.
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Das ist ja auch nicht von ungefähr so. Rechtlos und unterdrückt wie jahrhundertelang der Jude war auch das Proletariat, einer wußte vom andern, daß der in der gleichen Verdammnis lebte Hilfe in großem Unglüc fand der Jude bei seinen Raffengenossen, Solidarität der Proletarier bei seinen Organisationsgenossen- aber die kleine Scheidemünze gegenseitiger Höflichkeit war beiden fremd. Langsam wird es hier besser, und ich muß bekennen, daß ich hier cher an eine Besserung glaube, als bei den gar zu feinen Leuten; und diese Besserung wird das Werf und das Verdienst unserer Jugendbewegung, vor allem der Kinderfreunde und der Roten Falten sein, deren Ruf Freundschaft!" wie eine Bers heißung flingt.
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Es gibt auch Prominente, die sich zu Bolksversammlungszweden auf proletarisch" zurechtmachen. Das gibt's! Ewig denkwürdiges Beispiel dafür ist mir ein sehr radikaler Berliner Literat, der bei Volksversamlungen immer als Zeitungsfahrer tostümiert auftrat: Sportanzug, Schiebermüze" und dicken Radfahrsweater er sah täuschend proletarisch aus. Und seine Zuhörer wurden nicht zum wenigsten von dieser seiner Kostümierung beeinflußt: Englische Arbeiter hätten sich ihm wahrscheinlich übelgenommen, denn wenn da ein gentleman" eine solche Masterade veranstaltet, faßt man das als Berhöhnung auf.
So! Nun bin ich gefaßt barauf, daß sich beide Teile geärgert haben und daß es Proteste regnet. Aber ich will froh sein, wenn einer oder der andere Genosse vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit in diesen luftigen und traurigen Geschichten findet und ein paar Minuten darüber nachdenkt.
Rose Ewald.
Indien und Afghanistan , ist auch heute noch ihrem Gatten jo„ teuer", Die Frau in Belutschiffan, dein englischen Kolonialgebiet zwischen bezahlt. Dabei führt die Frau dort nicht das übliche Stlavendasein daß er Summen bis zu 2000 Mart und mehr für sie an ihre Eltern der Orientalin. Sie bleibt die einzige Frau ihres Gatten und braucht auch nicht den Schleier zu tragen.
Seidene Strümpfe. Großmama ist wütend. Die Enkelin Lissy hat sie nämlich in seidenen Strümpfen besucht. Großmama hat war nichts gesagt, aber die Enkelin Lissy wurde so auffallend tühl von ihr behandelt, daß sie es vorzog bald wieder zu türmen
Kaum ist sie draußen, da fängt Großmama zu schimpfen an: Die Jugend von heute, nichts wie Larifart. Seidene Strümpfe! In meiner Jugend hat man Wollstrümpfe getragen und war gesund und glücklich, jawoll. Seidene Strümpfe.!" Eine halbe Stunde lang fchimpft Großmama. Schließlich fragt sie ihren Mann: Du bist dech natürlich auch gegen seidene
Strümpfe, nicht wahr?"
Och," fagt Großpapa, weiß bu, das tommt ganz auf den Inhalt an