Der flaffenbewußte Ehemann.
Von Michael Soschenko.
In unserem Kommunalhause wohnt ein gewisser Genosse P., ein verantwortlicher Funktionär.
Man kann von ihm natürlich nicht behaupten, daß er 3. B. sin Intellektueller ist, aber er weiß immerhin dieses und jenes, hat biefes und jenes durchgearbeitet und gelesen, so daß er sich der Berantwortung bewußt ist und über alle felne Taten Rechenschaft abgeben kann.
Also dieser Genosse eben heiratete voriges Jahr. Er heiratete voriges Jahr so eine Verotschka. Es gab da so ein Fräuleinchen in unserem Hause, Berotschka.
Sie war hübsch und es ließ sich nichts gegen sie fagen, aber, ganz ohne Frage, fortschrittliche Ideen hatte sie nicht. Sie träumte einzig von einem Belzmantel, von verschiedenen Hütchen, Bändchen, Tüchlein usw.
Und traft ihrer Anschauungen 30g fie fich zu teß an, trug immer ein furzes Röckchen, ein seidenes Mäntelchen mit Knöpfen und fecke Hütchen.
Und ihr Mündchen schminkte sie ganz unbarmherzig, auch mit ihren Augen vollführte sie trgendwelche Kunststückchen, bemalte fie irgendwie mit dem Stift und verlieh ihnen besonderen Ausdruck und Glanz, so daß alle Männer mit ihr liegäugelten und von einer Berbindung mit ihr schwärmten.
Natürlich erwog Genosse P. alle Für und Wider, als er an fing, ihr den Hof zu machen.
Tja, ein unbedingt ansprechendes Mädchen, das steht fest, aber immerhin sozusagen ein fremdes Element. Es wird hier viel Arbeit geben, man wird sie erziehen und ihr neue Ansichten einimpfen müssen, damit sie vor allem ein Mensch wird und nicht ein rosa Zieräffchen. Aber", denkt er, dafür bin ich ja ein fortschrittlicher Genosse, um solch ein Ding zu drehen."
Also überlegte er es sich und ließ sich von seiner Frau scheiden und heiratete dieses hübsche Fräulein.
Natürlich( pöttelten Manche und meinten, daß es unschicklich und unethisch fei, so eine auffallende Person zu heiraten, die nur darauf bedacht sei, ihre Figur zu verschönern.
Aber er widerlegte diese Einwände: Ihr habt recht, liebe Genoffen, das Fräulein verkörpert wirklich das kleinbürgerliche Milieu unferes Hauses. Es wird aber fein halbes Jahr vergehen und alles wird sich ändern, sie wird ein klassenbewußter Genosse, ein Gefährte meiner Arbeit, ein zielbewußter Bürger werden, bei dem Verant wortung und Klaffeninteresse den ersten Platz einnehmen und dann erst alles andere kommt."
Das follektive Kind.
In der letzten Nummer der Neuen Generation" gibt Arnim T. Wegner aus eigener Anschauung einen Einblick in die Erziehungs. methoden in russischen Kindergärten, die so bezeichnend find für die rücksichtslose Zielbewußtheit, mit der die Sowjetunion die neue Generation für ihre Zwecke heranzüchtet.
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Alle Kinder sind kurzgeschoren und in unscheinbare Arbeitskittel gekleidet. Ohne Märchen, ohne fröhliche Spiele der Bhantafie wachsen sie heran. Ihr Spielzeug besteht in geometri1chen Figuren Balfen, Würfel und Kegel, die so groß sind, daß ein einzelnes Kind sie unmöglich allein heben kann. Eben falls werden nur Zeichnungen von solchen Riesendimensionen angefertigt, daß mehr als zwanzig Kinder daran tätig sind. Beim Beeren fammein im Walde bekommt kein Kind ein Einzelförbchen, fondern alle fammeln gemeinsam in einen großen Korb, um jeden persön lichen Ehrgeiz im Reime zu erstiden.
Wegner, der in seiner Eigenschaft als radikaler bürgerlicher Literat die Einreiseerlaubnis nach Rußland erhalten hat, fragt mit einer Beimischung von Bewunderung: Welche seelischen Empfindungen werden sich später einmal in diesen Kindern bilden, die wie die Larven eines Infettenstaates in der Tat nie ein anderes Bewußtsein gekannt haben, als die Gesellschaft des Volkes als ihre Familie zu betrachten und den Staat als Mutter?"
Diese Frage dürfte nicht schwer zu beantworten fein. Die Sowjetregierung braucht für ihre Zwecke feine Persönlichkeiten, die sich nur unter Berücksichtigung der individuellen Eigenart jedes Kindes und der Möglichkeit zur Absonderung und schöpferischen Stille heranbilden können, sondern sie braucht geschäftige Arbeitstiere, die ohne Eigenwillen und triebhaft den Befehlen von oben gehorchen. Mit einer gleichförmigen Masse automatisch funktio nierender Herdenmenschen werden wenige starke Herrenmenschen ein leichtes Spiel haben.
Baffen Sie gut auf, Genoffe", sagte man ihm ,,, laffen Sie sich nicht einfangen, schon mancher hervorragende Kämpfer für die große Idee verkam, weil er eine Meinbürgerliche Frau mit geschminkten Lippen hatte."
,, Es ist wirklich zum Lachen, Genossen, was ihr da alles vorbringt", jagte er, bitte, seht euch mein Erziehungsprodukt nach elnem halben Jahre an."
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Nun fing er nach der Hochzeit an, das Mädel zu erziehen. Stellte ihr verschledene Fragen und beschämte sie angesichts der Mündchen? Und warum, verzeihen Sie, bitte, tragen Sie so turze Sowjetöffentlichkeit: Barum, Verotichta, schminken Sie denn ihr Röckchen? Und was vollführen Sie mit ihren Augen? Man foll doch als denkender und zielbewußter Bürger den öffentlichen Angelegenheiten gegenüberstehen, und nicht als eine verantwortungs lose Buppet"
Natürlich drehte und wand sich das Fräuleinchen sehr unter diesem Drucke, aber dann fing fie fachte und unmerkbar an, fich anzupassen. Kurz gefagt, in weniger als einem halben Jahre hatte fich das Fräuleinchen erstaunlich zum Guten gewandelt.
Sie hörte auf, sich die Lippen zu schminken, nähte sich lange Kleider, spazierte mit einer Attentasche umher,... Kurz gejagt, es war eine Erziehungsarbeit, die allgemeine Bewunderung ver diente.
In turzer Zeit hatte er sie aus einem leeren Dämchen zu einem würdigen Lebensgefährten gemacht, mit dem er Hand in Hand auf die vorgezeichneten Ideale zuschritt.
3war schritten sie nicht lange so, etwa anderthalb bis zwei Monate. Dann ließ fich Genoffe P. scheiden und heiratete ein anderes junges Fräulein.
Man war sprachios. Letztere war fein klaffenbewußter Kamerad. Sie trug turze Kleidchen, färbte sich grell die Lippen und fah mit ihren bemalten Augen fotett die Männer an, aber derartige große Hindernisse verwirrten Genossen P. nicht.
Kurz gesagt, er heiratete die neue Kleine. Und fing an, sie zu erziehen, um sie aus einem gepuderten Zieräffchen zu einem an ständigen Menschen zu machen, mit dem er Hand in Hand auf die vorgezeichneten Ideale zuschreiten könnte.
Wie lange er mit ihr so schreitet, wird die Zukunft erweisen, man muß annehmen, nicht weniger als ein halbes Jahr. Also, der liebe Neuvermählte, er lebe hoch. Glückauf!
( Aus dem Ruffischen von 3. D.)
Bom Jozialistischen Standpunkt aus ist diese Rechnung falsch. Es gibt kein Glück der Gesamtheit ohne ein Glück der einzelnen, aus denen diese Gesamtheit besteht mit der Zerstörung der Perfönlichkeit, die nach Goethe das höchste Glück der Erdenkinder" ist, wäre auch die Möglichkeit des Glückerlebens zerstört, und die Menschheit wäre nichts als ein geschäftig wimmelnder, seelenlofer Amelfenhaufen.
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Erotik im Spiegel der Geschichte.
Ein vielversprechendes Thema, ein enttäuschender Bortrag. In der Gesellschaft für Seruatreform" sprach v. Oppeln- Bronikowski, aber statt den Einfluß der Erotik auf die Geschichte, d. h. die Politik, zu zeigen, spiegelte er die problematische Erotik zweier Hohen30llern, Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II . Selbstver ständlich für einen konservativen Mann, daß der mann- männliche Eros Friedrichs II., muß er schon zugegeben werden, wenigstens von allen Fleischesiüften befreit und ins Gebiet der erotisch betonten Männerfreundschaft" übertragen wird; selbst die ausfchweifende Sinnlichkeit Friedrich Wilhelms II. wird, weil bei ihm die Beeinflussung durch die„ Rosenkreuzer " feinen Hang zur Myſtik noch verstärkte, schließlich in eine überfinnlich- fhnliche Schwärmerei verklärt. Bon den Lasten, die die Mätreffenwirtschaft des ersten Königs von Preußen wie auch Friedrich Wilhelms II dem Bolte auferlegte, erfuhr man nichts, die Hohenzollern wurden für dieses durch franzöfifche Einflüffe verwahrlofte Jahrhundert" noch fast als Musterknaben geschildert. Trotzdem kostete die in diesem Vortrage nicht erwähnte Gräfin Wartenberg 24000 Taler Benfion, thre Brillanten hatten einen Wert von fünfmalhunderttausend Talern! Es muß gefagt werden, daß diese Auswirkungen hohenzollernscher Erotik dem Zuhörer vielleicht interessanter gewefen wären, als Friedrichs II. Dedipustomplex und die Wirkung der Inzucht im Haus Hohenzollern in erotischer Beziehung.