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Frauenstimme

Nr.5 47. Jabraana

Beilage zum Vorwärts

Comp

27. Februar 1930

hi pot si

Berufsarbeit verheirateter Frauen.

Folgerungen aus unabänderlichen Tatsachen.

Um das Ziel des Sozialtsmusdle Umwandlung der kapita­listischen Privatwirtschaft in die soziale Gemeinwirtschaft zu er reichen, bedarf es ebenso der Mitarbeit der Frau wie der des Mannes. Die Frau ist in Deutschland zwar politisch gleichberechtigt, aber wirt­schaftlich und foztal unfret geblieben.

11,5 Millionen Frauen stehen heute im Erwerbsleben, davon find 8,7 Millionen verheiratet; besonders diese letteren aus dem Erwerbsleben zu verdrängen, erscheint vielen als ein Mittel zur Behebung der Erwerbslosigkeit.

Die Verdrängung der Frau aus dem Betrieb, ihr Erfah durch den Mann ist heute zahlenmäßig wie arbeitstechnisch unmöglich und widerspräche auch dem von der Sozialdemokratie auf­gestellten Grundfah des Rechts der Frau auf Erwerbsarbeit. Deshalb anerkennt unser Magdeburger Bartettag, entsprechend dem Beschluß der Internationale in Marseille 1925 und gestützt auf das Heidelberger Brogramm, einstimmig das gleiche Recht der Frau auf Erwerbsarbeit. Der Antrag war von Berlin gestellt.

Es hatte sich als notwendig erwiesen, die Stellung der Sozial demokratie zur Frage der Erwerbsarbeit der Frauen, besonders der verheirateten Frauen wieder zu fennzeichnen, um den auch inner­halb der Arbeiterbewegung zutage getretenen Strömungen gegen die wirtschaftliche Gleichberechtigung der Frau zu begegnen. Große Boltstelle, auch viele Bartelgenossen meinen heute noch, daß die große Arbeitslosigkeit durch Ausschaltung der verheirateten erwerbs. tätigen Frauen wefentlich verringert werden könnte. Ele fehen die Lösung des Arbeitslofenproblems in der Beseitigung eines Sym ptoms und vergessen darüber, ihre Kraft auf die Bekämpfung der Wurzeln des Hebels zu tonzentrieren.

In blefem Zusammenhang ist es lehrreich, einmal eine historische Parallele zu ziehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ent­wickelte sich mit der Einführung der Maschine der Fabritbetrieb. Gleichzeitig brachte die Mechanisierung und Zerlegung des Arbeits. prozeſſes di: Einstellung von weiblichen Arbeitskräften, die von den Unternehmern der billigeren Bezahlung wegen bevorzugt wurden. Auf dem Eisenacher Gründungstongreß der Sozialdemokratischen Partet 1869 wurde daher wiederholt ein Berbot oder eine Ein schränkung der Frauenfabrikarbeit verlangt. Dagegen sah schon da­mals Hermann Greulich nur in der Durchführung der Forde rung gleiche Löhnung der Frauen und Männer" die Möglich telt, die schädlichen Auswirkungen der veränderten Produktions. methoden für die Männer zu beseitigen. Es tam schließlich eine Kompromißlöfung zustande, die Einschränkung der Frauenarbeit in den industriellen Etablissements" verlangte.

Aber ebenso wie trotz der Zertrümmerung der ersten mecha nischen Webstühle durch die schlesischen Weber sich der Siegeslauf der Maschine fortsetzte, so hat auch mit der zunehmenden Industriali sierung der Wirtschaft die Frauenerwerbsarbelt ständig zugenommen. Auf dem Internationalen Arbeiterfongreß in Paris 1889 wies Klara Zetfin darauf hin, daß die Emanzipation der Frau wle des ganzen Menschengeschlechts ausschließlich das Werf der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein wird. In einer Ent­schließung erklärt der Kongreß als

die Pflicht der Arbeiter, die Arbeiterinnen als gleichberechtigt in ihre Reihen aufzunehmen und fordert prinzipiell: gleiche Löhne fur gleiche Arbeit für die Arbeiter beiderlei Gefchlechter und ohne Unterschied der Nationalität.

Diese Parole Ist seitdem für die deutsche Sozialdemokratische Partei maßgebend gewesen, und wird es nach der Magdeburger Ent. schließung auch weiter bleiben.

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Es würde sich als finn- und zwedlos erweisen, statt die kapita­fiftische Wirtschaftsführung eine Personengruppe zu befämpfen. Sleht man sich die Zahl der erwerbstätigen verheirateten Frauen auf ihre Busammensetzung hin an, so ist sofort klar, daß auf den größten Tell diefer Frauen ein gesetzliches Berbot gar nicht Anwendung finden fönnte. Von den 3,7 Millionen verheirateter erwerbstätigen Frauen, die 1925 gezählt wurben, find 2,5 Millionen mithelfenbe Familienangehörige, davon 2116 000 allein in der Land­wirtschaft, vor allem die mithelfenben Ehefrauen in fleinbäuerlichen Betrieben. Die fibrigen mithelfenden Ehefrauen sind im Handels­gewerbe, in Fleischereien, Bäckereten usw. beschäftigt. Niemand be streitet diesen mithelfenben Frauen das Recht, burch Mitarbeit tin Betrieb ihres Mannes und Ersparung einer fremben Arbeitstraft das Einkommen der Familie zu erhöhen. Nur der Frau, die im Betrieb oder im Büro arbeitet, wird der Arbeitsplatz oft strettig gemacht. Bedenkt man weiter, daß der größte Tell dieser Frauen durch wirtschaftliche Notlage zur Mitarbeit gezwungen( st ,, fo bliebe nur eine geringe Zahl von Frauen übrig, deren Ausschelden vielleicht in Frage kommen fönnte. Eine wesentliche Entlastung des Arbeitsmarktes würde damit keineswegs erreicht.

Wollen mir das Arbeitslofenproblem lösen, so müssen wir ble wahren Ursachen der Arbeitslosigkeit erfennen und fle be tämpfen. Arbeltslosigkeit entsteht durch Saisonschwankungen in der Wirtschaft, Konjunkturverschlechterung der wirtschaftlichen Lage, Strukturveränderungen der Wirtschaft und vor allem durch Veränderung des Produktionsprozesses infolge der Rationalt sierung. Die durch Saisonschwankungen verursachte Erwerbslosig feit wird faum ausgeschaltet werden können. Zwar ist begonnen worden, eine Veränderung der Baustoffe herbetzuführen, ble bas Brachilegen des Baugewerbes im Winter einschränken soll, aber in der Landwirtschaft werden im Winter immer zahlreiche Arbeits träfte unbeschäftigt sein. Die Konjunkturschwankungen sind eine Er­scheinung der kapitalistischen Wirtschaftsführung. Wenn es auch nicht möglich sein wird, in der kapitalistischen Wirtschaft Krisen zu ver hindern, fo zeigt uns doch die konjunkturforschung ble Wege zur Milderung durch entsprechende Konjunkturpolitit.

Durch vernünftige kredifpolifik muß Fehlleitung von Kapital in Wirtschaftszweige, deren Absahmöglichkeiten eine Erweiterung nicht erfahren fönnen, vermieden werden.

Der Kapitalbedarf der öffentlichen Betriebe darf nicht durch Antethesperre gebrosselt werden, hat doch gerade die Anleihe sperre des Herrn Schacht gegenüber den Städten und Gemeinden ble Arbeitslosigkeit noch stärker vermehrt als der Kältereford des vor­jährigen Winters. Die durch Strukturveränderungen der Weltwirt schaft verringerte Ausfuhrmöglichkeit für deutsche Industrieerzeugnisse erfordert mehr wie le Erschließung und Ausdehmung des Inlandsmarktes. Der Massenkonsum muß durch Er­höhung der Löhne und Gehälter gesteigert werden, damit werden neue Beschäftigungsmöglichkeilen geschaffen.

Die Freisetzung menschlicher Arbeliskraft Infolge Rafionall­fierung muß der Arbeiterschaft durch Berkürzung der Arbeitszelf zugute tommen und damit Arbeitslosigkeit verhindert werden. Vor allem aber muß die Unterbietung männlicher Arbeitskraft durch geringere Bezahlung welblicher Arbeitstraft aufgehoben werden. Es ist zwar festzustellen, daß sich die Spanne zwischen ben Löhnen und Gehällern der Männer und Frauen dank der Arbeit ber freien Gewerkschaften gegen früher verringert hat, ber Grund