nicht verfchroeigen, daß gleichzeitig mit der Geburtenhäufigkeit auch die Säuglingssterblichfelt rapide gefallen ist: während 1913 von 100 Säuglingen faft 15 starben, waren es 1928 noch nicht 9.
Wagner vom Statistischen Reichsamt nach, daß der wirtschaftliche| die diefe Tatsache gern als SOS- Ruf in die Welt hinausrufen, mögen Konjunkturverfauf und die Kurve der Eheschließungen einander entfprechen. Große Arbeitslosigtelt wirkt hemmend auf die Ehefchließungen ein. Es wäre demnach anzunehmen, daß ohne die Wirtschaftskrisis die Eheziffer noch größer sein müßte.( Als Ergänzung sei jedoch hinzugefügt, daß auch die Bahl der Chefcheidungen von 15,2 auf 1000 bestehende Ehen im Jahre 1913 auf 27,8 im Jahre 1927 erheblich angewadyfen ist.)
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Und die Geburtenziffer finft!
Troh der zunehmenden Heerschar der Ehepaare geht der Geburtenüberschuß weiter zurüd, er hat 1929 mit 5,3 auf das 1000 ber Bevölkerung gegen 12,4 im Jahre 1913 feinen tiefften Stand außerhalb der Kriegsjahre erreicht. Seht man die Fruchtbartelt sziffer Der gebärfähigen Frauen im Jahre 1913 mit 100 an, dann betrug fie im Jahre 1926 nur noch 65 Broz, davon, im Jahre 1928 mur noch 61 und 1929 nur noch 59 Broz, also fast die Häifte. Noch lärter sinkt die eheliche Fruchtbarkeit ab- ein Beweis, daß heute Heirat und Familiengründung nicht mehr das felbe jind. Sicher ist, daß heute auch die proletarischen Schichten. die bisher allein die hohe Geburtenziffer stellten, planmäßige Geburtentontrolle zu üben beginnen. Aber den Bevölkerungspolitikern,
Die Besagungsfinder.
Wie hat fich die Bejahungsarmee im Rheinland auf die Geburtenzahl ausgewirkt? Das Gerücht von 15000 hinterlassenen Sprößlingen wird durch genaue Zahlenangaben der Kölnischen Zeitung " wlderlegt. Danach beträgt die Zahl der Befaßungs finder" in den fünf preußischen Regierungsbezirken Aachen , Köln , Koblenz . Trier und Wiesbaden insgesamt 3841. Die Hälfte von ihnen haben amerikanische Bäter, rund 1000 ftammen von englifchen und die übrigen von franzöfifchen und belgischen Bejahungsangehörigen. 15 Kinder haben farbige Bäter. Im Bezirt Koblenz berefchen die amerikanischen Baterschaften vor, während sich im Be airt Köln ein internationales Blid ergibt und in Wiesbaden die franzöfifchen Erzeuger bominieren. Die Fürsorgelasten ,, die den Gemeinden aus diesem Zuwachs zufallen, find nicht gering, jumat man bisher auf zivilrechtlichem Wege gegen die Goldatenväter, die Ihren eigenen Landesgefeßen unterstehen, nicht vorgehen tonnte.
S. S.
Verachtet von den Grossen...
Die erste deutsche Polizeiassistentin
Es ist jeht gerade 20 Jahre her, daß die erste Frau, die In Deutschland Pionierin war für die Arbeit der weiblichen Polizel, Henriette rendi, aus Ihrem Dienst entlassen wurde. Heber Ihre Tätigkeit hat sie verschiedene Bücher vet. öffentlicht, die heute taum noch gelesen werden. Der Name der Berfafferin ift in unserer Ischnelllebigen 3elt faff vergeffen. Sie verdient es aber wohl, daß an Hle erinnert wird, da heute vieles von dem durchgeführt wird, was sie erftreble. Das tragliche Schicksal der Krantenschwester, deren Körper und Nervenkraft den Nachtwachen, dem raftlosen Wechsel der Umgebung und der Lebensweise, dem Kampie mit den Launen der Kranken nicht gewachsen war, hat viele von Henriette Arends Illufionen gerstört. Sie hatte sich voller Idealismus und Schaffensfreude in den Dienst der Barmherzigkeit geftellt und hat viele Hoffnungen begraben müssen. Aber der Glaube an das Gute lebte in ihr. So will ich denn ausziehen", schrieb fie, den Aermften und Berachtesten zu helfen als wahre Schwefter", die alles versteht, alles verzeiht und den Glauben an das Gute in denen weckt, die daran verzweifeln wollen."
Mit diesem Borjat tam Henriette Arendt am 1. Februar 1903 nach Stuttgart als erste Bolizeiaffiftentin in Deutschland . Ihre Blichten erstreckten fich hauptsächlich auf die Ueberwachung der beim Stadtpolizeiamt eingelieferten weiblichen Gefangenen und auf die Bärforge für fie nach ihrer Entlaffung. Auf Grund ihrer reichen persönlichen Erfahrungen( ihr Sprechzimmer war wie ein Taubenflag) griff e mutig alles an, was ihr mangelhaft erschien, und machte eine Reihe praktischer Borschläge.
Roch 1907 fonnte in Württemberg jedermann Pflegefinder aufnehmen, mochte er noch so fchlecht beleumdet fein, mochten felbft feine eigenen Kinder ihm wegen Berwahrlojung zwangsweise fortgenommen feln.
Er hatte dadurch einen bequemen Berdienst, während die Bandarmenbehörde die Kosten des Unterhalts für seine eigenen Kinder bezahlen mußte. Henriette Arendt forderte eine Beschleunigung des Fürsorge- Erziehungsverfahrens, ferner Zufluchtstätten für Schuhbedürftige Frauen und Mädchen, eventuell auch für entlassene männ liche jugendliche Gefangene, dann befondere Gerichtshöfe für Kinder, Jugendgerichte, bedingte Berurteilung an Stelle von Strafhaft, Für Jorge und verständnis und liebevolle Erziehung, geschulte Aufsichtspersonen in fleinen Gefängnisfen, die zugleich erzieherish mirfen. Diese und andere Borschläge. machte Schwester Arendt in ihrem Buche Menschen, die den Pfad verloren", zu denen Friedrich Raumann das Borwort geschrieben hat,
1910 erfdhlen dann das Buch„ Erlebnisse einer Polizeiaffistentin". fler schildert Schwester Arendt Ihre schweren Kämpfe auf dem Gebiete fozialer Fürsorge, den Hampi gegen engherzigen, fortritifeindlichen Bürofralismus und gegen den pletismus, der Bch in der Dunkelhelt mit aller Macht gegen jede humanitäre Bestrebung auflehnt, die nicht von der Kirche ausgeht. Trazdem durfte le fich mit Stola fagen, daß der Gedanke allge
meiner fogiater Hilfeleistung ohne engherzige Befchränkung nicht unterdrückt werden konnte. In vielen deutschen Städten waren inzwischen Bolizeiaffiftentinnen zur Fürsorge der Gefangenen angeftellt worden. Im Ausland folgte man dem Beispiel Deutschlands , Immer hat sich Schwefter Arendt als Bahnbrecherin betrachtet. Wie alle Menschen, die eine solche Million ausüben, mußte lie unendliche Schwierigteiten überwinden, gegen Mißtrauen antämpfen. Ein Heer von Widersachern bilbete fich gegen fie, dem fie endlich weichen mußte. Den ersten Anstoß gab ein Vortrag, den sie 1907 in der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtsfrant heiten" hielt: Mehr ftaatliche Fürsorge für Gefallene und Ge fährdete" Alle Welt war darüber empört. Der Gemeinde. rat, weil ich eine Unterbeamtin" erlaubte städtische Einrichtungen und althergebrachte Gebräuche der Kritik zu unterziehen. Die ohltätigteitsvereine und die Stadimifiion, weil 26 jemand, der ihrer Meinung nach nur Humandät und nicht das Christentum auf seine Fahne gefchrieben hatte, es wagte, Reform vorschläge zu machen.
Eine Frau dürfe überhaupt teine Reformvoridläge machen. Die Miffionsarbelt fel eine so zarte Pflanze, daß fie nicht von tanhen Polizeihänden angegriffen werden dürfe. Es fel eine unerhörte Beleidigung und Läge, den Gemeinderat als bürofratisch zu bezeichnen.
Bald darauf wurde ihr in einem Schreiben des Stadtschultheißenamtes mitgeteilt, es wäre ,, bringend etwünscht, daß die Arendi mit laufenden Geschäften so bedacht wird, daß fie feine Zen dazu findet, lange Zeiten hindurch den Annoncen in den Tageszeitungen nacy zugehen." Sie liefere fortgelegt Material zur Berächtlich machung der bestehenden Gesellschaft. Seder andere Botizeibeamte tann dies eben fo gut; alle anderen find aber zu taftvoll und zu gut dienstlich gezogen." Andere Behörden, auch das Stadtpolizeiami, leifteten jehr viel, aber sie arbeiteten ganz im Berborgenen. Diesem Anfturm der vielen konfessionellen Vereine und amtlichen Stellen fonnte die einzelne, noch dazu durch die vielen Aufregungen frant gewordene Frau natürlich nicht standhalten. Sie wurde gezwungen, ihr Abfchiedsgefuch einzureichen, und wurde ohne Berlon entlaffen.
Während einer Studienreise nach England, wo sie die Arbeit der Quäfer und der Hellsarmee fennenlernen wollte, brach der Krieg aus. Dann foll Schwester Arendt einen franzöfifchen Offizier geheiratet haben, um England vertaffen zu fönnen, Zulegt war fie als Pflegerin in einem Mainzer Lazarett tätig. Dort ist sie vor ein paar Jahren geftorben. Schwefter Arendt hat alles Schwere tennengelernt, was eine Frau allein" durchzumachen hatte, die gegen bestehende Berhältniffe Oppoition machen wollte. Wie würde sie sich freuen, wenn sie erlebt hätte, daß viele ihre Gedanken heute verwirklicht werden! Sie hat zu denen gehört, von denen Björnion in einem Gedichte, das sie jehr liebte, lagt:
Berachtet von den Großen, Bon den Kleinen heißgefiebt