Einzelbild herunterladen
 

Frauenstimme

Nr.18 47.3abraang Beilage zum Vorwärts 11.Geptember 1930

Die Gegner der Frauenrechte.

Einzig die Sozialdemokratie für volle Gleichheit.

Wie in jeder Wahlzeit sehen sich die Frauen auch heute wieder von vielen Seiten umworben. Selbst solche Partelen erklären sich in diesem Wahlkampf für frauenfreundlich, die sich sonst im allge­meinen wenig oder gar nicht um die Frauen und ihre Interessen fümmern. Alte Schlagworte tauchen auf, wie das von der Er­haltung der Familie", ohne daß gesagt wird, wie eine Familie, deren Einkommen noch stärker als bisher belastet wird durch Steuern usw., fich erhalten soll, oder wie sie dies verminderte Einfommen in Ein­flang bringen soll mit den dauernd wachsenden Kosten für alle Be­darfsartikel. Auch von der Erhaltung und dem Schuh der Religion wird viel gesprochen; aber wie will die Kirche von heute ihre ganze Haltung in Einklang bringen mit den schönen sozialen Forderungen des Christentums bei seiner Entstehung?

"

Mit der Aufstellung der bürgerlichen Frauenkandidaturen werden fich viele Frauen nicht einverstanden erklären können. Die Zahl geht eher zurüd, anstatt sich zu vermehren. In dieser Beziehung hat fich namentlich die neu gebildete Staatspartei" allerhand ge­leistet. Als sie sich bildete, versprach sie besondere Berücksichtigung der Frauen und der Jugend. Erschienen find an aussichtsreicher Stelle nur zwei weibliche Abgeordnete der ehemaligen Demokratischen Partel, die schon früher dem Reichstag angehört haben. Dr. Marie Elisabeth Lüders  , die eine von beiden, ist noch dazu von der Lifte ihres früheren Wahlkreises Potsdam   verschwunden und kann nur durch die Reichslifte auf ihre Wiederwahl rechnen.

Von den deutschnationalen Frauen wird behauptet, daß fle geschlossen zu Hugenberg   stehen. Stolz bezeichnet sich dieser Parteiführer selbst als sturen Bod" unter den vielen ,, pazifistischen Lämmern". Tatsächlich bilden Frauen den überwiegenden Teil der deutschnationalen Wählerschaft. Denten dieje Frauen daran, daß es das Ziel der Deutschnationalen   ist, neue furchtbare Arlege herauf­zubeschwören, und wollen die Frauen es wagen, folche schwere Ver­antwortung auf sich zu nehmen? Wollen sie die Schafe seln, die dem fturen Bod" folgen?

Ganz offen als Gegner des Frauenstimmrechts be­fennt sich die Nationalsozialistische Partel. Sie felt teine Frauen auf ihre Kandidatenliffe. An feiner felfenden Stelle der Partel findet man eine Frau. Aber zur Hilfsarbelt werden doch auch hier die Frauen zugelassen. Als Motto des Nationalsozialismus wird der Leitsah ausgegeben: Wir Jungen müssen ausziehen und den Lindwurm föten, damit wir wieder zum Heiligsten kommen, das es auf der Welt gibt: 3ur Frau, die Magd und Dienerin ift. Weg. Wille und Ziel dazu heißt aber Nationalsozialismus  ." Wer oder was unter dem Lindwurm zu verstehen ist, wird nicht ge­sagt. Man muß aber damit rechnen, daß sich zahlreiche Frauen finden werden, die sich danach sehnen, Magd und Dienerin zu fein, d. h., die den Nationalsozialisten ihre Stimme geben werden.

Das Vorbild dieser Partei ist Mussolini  . Als dieser einmal nach seiner Stellung zu den Frauen gefragt wurde, erwiderte er, die Frau sei zur Erholung des Mannes da und fel der Jungbrunnen feines Glüds. Troh dieser Einstellung des Duce ist im Jahre 1921 ein Bund faschistischer Frauen gegründet worden, der in stetem Wachsen begriffen ist. An der Spike steht natürlich ein Mann, Augusto Turati, der Generalsekretär der Faschistischen   Partel, dem die Generalsekretärin der faschistischen Frauenorganisation, Anglo­tina Moretti, unterftellt ist. Dem Berbande gehört eine halbe Million heranwachsender Italienerinnen an, die wie die Faschisten felbst Uniform tragen, schwarze Röcke, weiße Blusen, schwarze Seidentäppchen. Diese faschistischen Mädchen sollen dazu erzogen werden, gute Hausfrauen und Mütter zu sein Der Körper wirb gestärkt durch Ausflüge und Gymnastik. Die geistige Erziehung foll den Stolz auf ihre Abstammung, ihre Mission in der Welt seit bem Altertum bis heute weden. Es geschieht immerhin viel zur Aus­bildung der Frauen durch Müfferberatungsstellen, Ausbildung von Krankenschwestern, Fabritpflegerinnen, Candwirtschafts- und Haus­haltungslehrerinnen. Die neue Italienerin hat die Aufgabe, ihr Volk von physischer Defadenz zu bewahren, es moralisch und kulturell zu heben und zu veredeln. Das sind ungefähr die alten schönen Ideale, die auch den deutschen Frauen so oft gepredigt worden sind. Aber at tlo darf sich die Faschistin nicht mit politit befassen. Nichts ist weniger faschistisch als die Frau, die politische Versammlungen besucht und immer bereit ist, im schwarz­seidenen Hemd auf der Straße herumzulaufen. Die faschistische Frau soll vor allem Frau sein." Wenn sie ihre Mutterpflichten voll­kommen erfüllt, ihren Kindern den faschistischen Geist einpflanzt, so vollbringt fie eine Taf von großer nationaler Bedeutung, die höher fteht als alles, was sie sonst im Schoße der Partel tun könnte. Eine faschistische Frau, tätig, flug und hilfreich, wird, ohne Politik zu freiben, bessere Erfolge erzielen als viele Zellungsartifel." Es ist immer wieder das alte Cied, daß die Frau ins Haus gehört.

Die einzige Partei, die an ihren alten Grundfähen der Gleich­berechtigung der Frauen festhält und ihre Rechte bei den Wahlen nicht schmälert, ist die Sozialdemokratische Partel. Wenn auch bei ihr noch da und dort der Wunsch nach stärkerer Berücksichti­gung der Frauen auf den Listen laut wird, so haben die Frauen bie Erreichung dieses Zieles selbst in der Hand, indem sie sich durch Ver­mehrung der weiblichen Stimmen einen stärkeren Einfluß verschaffen. Als Vorbild fann das Beispiel von Wien   gelten, wo im Jahre 1927 326 940 Männer und 367 617 Frauen ihre Stimme für ble Sozial­ demokratische Partei   abgaben. So sollten auch am 14. September die Frauen der Sozialdemokratischen Partel die Treue halten, ble fie ihnen seit Jahrzehnten gehalten hat und noch heute unvermindert hält. Anna Blos  .

Am nächsten Sonntag,

lokal, läßt sich den Stimmzettel geben und kreuzt das erste Feid an

zwischen B Uhr morgens und 5 Uhr nachmittags geht jede Frau in das nächste Wahl­

Liste 1: Sozialdemokratie