80Für unsere Kinderseinen Schlitten hatte der Vater kunstlos zu sammengefügt. über diese Arbeit machte sichein hochfahrendes Fabrikantensöhnchen lustig.»Du, sieh mal,' so rief er einem anderenKameraden zu,»hier fehlt ja eine Schraube,und dort ist»in Loch, und da— da die schlechteKufe. Beguck' dir doch daS miserable Ding.Darauf zu fahren, würde ich mich schämen.DaS muß»in rechter Meister sein, der so waSbaut.' Der Tadler schien nicht übel Lust zuhaben, noch weiter zu kritteln, da erhielt erplötzlich von meinem Freunde, der gewöhnlichder sanftmütigste Knabe war, einen rechtkräftigen Schlag inS Gesicht.Wütend heulend lief der Junge auf dengerade erscheinenden Lehrer zu:„Der da hatmich gehauen." Totenbleich und ängstlich ge duckt erwartete Freund Fritz den Lehrer, vondem er eine sofortige Strafe erwartete. Alsaber dieser nach einem kurzen Verhör erfahrenhatte, wie alles zugegangen war, drehte er sichwortloS um und gab das Zeichen zur Abfahrt.Im Jubel des Aufbruch? war der kleineZwischenfall schnell vergessen. Und als wirerst in sausender Fahrt den Berg hinunter glitten, dachte niemand mehr an des anderenSchlitten. Jeder machte, daß er so schnell alsmöglich den Berg wieder hinaufkam, um dasköstliche Vergnügen recht gründlich auszukosten.Neben mir stürmte Fritz den Abhang hinan.Die schmale Brust des Freundes atmete schwer,und rote Flecken brannten auf seinen Wangen,doch die Augen leuchteten selig. In toller Lust,von jedem Angstgefühl frei sausten wir denhohen Berg hinab. Hier und da purzelte eineroder auch eine. Doch wer heulen wollte, ver stummte rasch vor dem Lachen der anderen,und schließlich stimmten auch die Gestürztenin die allgemeine Heiterkeit ein.Nicht so froh wie die meisten von uns warenanfangs einige Schüler und Schülerinnen, dieÄrmsten unter uns Armen. In ihren vielfachgeflickten Höschen und Jäckchen, den ver schossenen Kleidern trippelten sie frierendherum. Sie hatten ja keinen Schlitten. Alsder Lehrer daS bemerkte, sorderle er uns auf,diesen Mitschülern ab und zu unsere Schlittenzu leihen. Gern folgten wir Glücklicherenseiner Bitte, und bald waren dank gegenseitigerAuShilfe alle vergnügt! Wirklich alle? Leidernein! Ein kleiner Bube bat weinend den Lehrer,ihn doch nach Hause gehen zu lassen. Der-Lehrer wollte wissen, warum. Wie betroffenund traurig schaute er nicht darein, als er denGrund erfuhr. DerJunge hatte keinen Schlitten,und deshalb hatte ihm der Vater gesagt, daßer nach Hause kommen und arbeiten solle. DerVater war Gabelfeiler, Heimarbeiter. Bei an gestrengtester Arbeit mit Weib und Kindernzusammen verdiente er wöchentlich nur Id bisIS Mark. Da hatten ihn die Sorgen hart gemacht:seine Kinder mußten jede Minute, die ihnen dieSchule frei ließ, zur Arbeit ausnützen.—Mehrere Stunden lang vergnügten wir unsherrlich, und als wir endlich doch nach Hausemußten, waren wir voller Dankbarkeit fürunseren Lehrer. Der hat uns noch mancheFreude verschafft, und wir haben dabei nichtschlechter bei ihm gelernt und nicht wenigergefolgt als wie bei seinem Vorgänger, einemstocksteifen Schulmeister. Im Gegenteil. Wirzitterten nicht vor ihm, wir liebten ihn, undda ging das Lernen noch einmal so gut. Undwir blickten voller Respekt zu ihm empor, dennwir empfanden seine große Gerechtigkeit. Erkannte kein Ansehen der Person, und die Kinderim geflickten Rock waren ihm so lieb wie dieim Prunkkleid. Das brachte ihm freilich nichtnur unsere Liebe ein, sondern auch manchenVerdruß. So ging ihm auch am Morgen nachunserem Freudentag ein Schreiben zu, das er,nachdem er es gelesen hatte, zerknitterte undverächtlich beiseite warf. Ich habe nach demUnterricht das Brieflein aufgehoben. Es warvom Vater des Knaben, dem mein FreundFritz etwas unsanft das Lästermaul gestopfthatte. Der Fabrikant verlangte, der Lehrersolle seinen Sohn fürderhin„ganz energisch"vor ähnlichen„Mißhandlungen" schützen.Als im nächsten Frühjahr alleS grünte undblühte, als im Walde die Vögel sangen undim Wiesengrund die Wässerlein lustig dahtn-plätscherten, ist Fritz gestorben. Vergessen habeich den lieben Kameraden nicht. Währenddie Schlitten mit lachenden Kindern besetzt anmir vorübergleiten, sehe ich ihn leibhaftig vormir, wie ihm die Hand„ausrutscht", weil ernicht dulden wollte, daß ein kleiner Protz dieArbeit seines Vaters verhöhnte.o o oMeine Mutter läßt fragen.M-We Mu, meine Mu, meine Müller schickt mich her,Od der iiu, ob der Ku, ob der«uchen serttg wär,Wenn er no, wenn er»o, wenn er noch nicht sertig ivtir,Küm' ich mo. liim' ich mo, täm' ich morgen wieder her.BerantwortUch für die Nedattton:tzrou Klara Zetltn tZundel». Wilhelm»HSH«,Polt Degerloch bei Stuttgart.Druck und Verlag von Paul Swger in«tuNgart.