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Für unsere Kinder

reihe noch eine zweite geschichtet. Nun sieht Das Floß soweit fertig aus. Es fehlt aber noch die Hauptsache: das Steuer. Wie könnten die Flößer ohne Steuer auf die Reise gehen? Wohl tragen die Wellen das Floß flußabwärts, es fließt mit ihnen. Aber ohne Steuer wäre es darum auch ihr willenloses Spielzeug. Wie sie würde es bald hier, bald da am Ufer auf­laufen, an Felsblöcken im Strombett zerschellen. Das Steuer erft macht das Floß zum Werk­zeug der Flößer, es legt in ihre Hand die Macht, es zu lenken und zu regieren. Ein fürzerer, starter, aber doch geschmeidiger Stamm wird zum Steuer bestimmt. Man steckt ihn in der Mitte des Flosses durch die Stämme hindurch, so daß er auch unter die erste Stammreihe durchgreift, die auf dem Wasser schwimmt. In dieser Lage wird der Stamm gut befestigt, und das Steuer ist fertig. Hurra! Nun wird das Floß von den Flößern ins Wasser geschoben. Es ist ein gar statt­liches Fahrzeug, acht Häuser könnten darauf gestellt werden, so groß ist es. Aber ein Floß tritt die Fahrt nicht allein an. Es braucht Gesellschaft. Sieben solcher Fahrzeuge liegen am User, um die Fahrt nach Mainz   gemein­sam zu unternehmen. Ein ganzes Wäldchen von gefällten Bäumen tritt da seine große, weite Reise nach dem fernen Meere an.

an, hinter den Stämmen breinzurutschen? Laßt| tönnt, wenn ihr so gemütlich dem Bau des das aber lieber bleiben, denn eure Hosenboden einfachen Fahrzeugs zuschaut. Damit sich die sind nicht so unempfindlich wie Tannenstämme. Fahrt auch lohnt, wird auf die erste Stamm­Fragt mal eure Mutter danach. Es hilft nichts, wir müssen den Berg wieder hinuntersteigen. Unten im Tale stehen wir am Oberlauf des Main   und sehen emfigen, schwielenreichen Hän­ben zu, wie sie bemüht sind, die von der Berg­höhe herabgesausten Stämme nach dem Wasser zu leiten. Drei, vier, fünf von ihnen werden durch Wurzeln zusammengebunden und den schmalen Fluß hinabgeflößt. Meist sind es Kinder, die diese Arbeit besorgen, denn bei den armen Flößerknechten im Fichtelgebirge   ist Schmalhans Küchenmeister und die bleiche Not ein bleibender Gast. Daher müssen die Flößer­finder schon bald lernen, zum Unterhalt der Familie beizutragen. Ihnen ist der frische Wald mit seiner Pracht teine Stätte der Er­holung und des müssigen Spiels wie den Kindern der Reichen, sondern ein Feld ange­strengter, oft schwerer Arbeit. Wie schmerzen manchmal Glieder und Rücken beim Sammeln ber Waldbeeren, von denen die wenigsten ,, ins Kröpfchen" tommen, weil die Töpfchen" ge­füllt werden müssen; wie müde werden die Kleinen beim Suchen von Pilzen und Auf­lesen von Fichtenzapfen und dürren Reisern. Aber die Arbeit stählt auch die Körper und läßt sie sehnig und gewandt werden; aus der würzigen Waldesluft saugen sie frische, ge­funde Säfte, und Sonnenschein und Himmels­blau geben heiteren Sinn. So wachsen die Mädel zu fleißigen, rüstigen Frauen heran, und die Buben werden wetterharte, arbeits­gewohnte Flößergesellen.

Bis hinunter nach Kizingen, wo der Main  schon viel breiter ist, werden die einzelnen Stämme geflößt, um dort zu großen, richtigen Flößen zusammengefügt zu werden. Hunderte von ehemaligen stolzen Tannenriesen liegen hier am Ufer umher. Eben sind fleißige Hände an der Arbeit, um im rastlosen Eiser wieder ein solches Fahrzeug zu bauen. Auf ihren breiten Schultern schleppen die wackeren Flößer die Stämme herbei und reihen sie auf dem Boden aneinander. Schon liegen 25 bis 30 stattliche Tannenstämme eng aneinander gepreßt, durch Wurzeln, Eisendrähte und gut geschmiedeteKlammern miteinander verbunden, als ein fleines, fertiges Floß am Ufer. Aber ein richtiges Stromfloß ist fünfmal größer, und fünf fleinere Flöße werden daher zu einem einzigen großen zusammengesetzt. Das ist eine gar saure Arbeit, die ihr gar nicht ermessen

Von Kitzingen   aus schwimmen die Flöße den Main   hinunter, an dem schönen Würzburg  vorbei, durch den geheimnisvollen Spessart­wald, an malerischen Burgen vorüber, hinaus ins ebene Land nach Frankfurt   und Mainz  . Von dort ziehen sie weiter den herrlichen Rhein  hinunter nach Holland  . Dort werden die Flöße auseinandergenommen, und die Stämme, die noch vor kurzem als stolze Tannen die Zierde des Fichtelgebirges waren und saftige Gründe wie finstere Schluchten überschatteten, dienen zum Bau großer Schiffe. Weite Fahrten, Weltfahrten machen nun die Tannen mit und können dem vieles erzählen, der ihre Sprache zu deuten versteht. Natürlich werden nicht alle Stämme, die von Kitzingen   aus auf die Wanderschaft gehen, Weltreisende, die alle Meere und Länder kennen lernen, die das eine Jahr vielleicht den Walfischfang sehen, das nächste Jahr aus Afrika   Elefanten und Ga zellen nach Europa   bringen. Manche Flöße bleiben im Lande, ihre Fahrt endet bei einer der großen deutschen   Städte.