156 Für unsere Kinder Langsam steigen auf dem breiten Strome dichte Nebelschwaden auf. Immer weniger werden von den Törfern am Ufer die blinken den Lichter sichtbar, die ihren leuchtenden Ab glanz in die rauschende Flut warfen. Der Nebel wird zusehends dichter, ein undurch dringlicher Schleier legt sich rings um das ruhig mit dem Strome gleitende Floß. Da wird es höchste Zeit, daß dies am schützenden User vor Anker geht. Das Hütlenfloß, daS den übrigen voranschwimmt, wird hinüber nach dem Lande gesteuert. Das ist eine schwere Arbeit, aber für kräftige Flößerhände etwas Alltägliches. Ist das Floß dem Ufer nahe, so springt einer der Gesellen hinüber, treibt einen starken hölzernen Pfahl in den Boden und schlingt das große Drahtseil, das am Floße festgemacht ist, mehrmals darum. Die eine Sicherung gegen das treibende Wasser ist damit fertig. Vom Floße rasselt noch der große eiserne Anker ins Wasser, der einige Zentner wiegt. Nun mag der böse Sturm kommen und noch so gewaltig am Floße rütteln; das bleibt liegen und rührt sich nicht von der Stelle. Es wäre aber auch eine böse Be scherung, wenn während des Schlafes der ahnungslosen Flößer das Floß ohne Steuer wild mit der Strömung treiben würde, um an einem Felsen jäh zu zerschellen. Die Ver ankerung schützt gegen diese Gefahr. Jetzt sind auch die anderen Flöße des Zuges nachein ander angekommen und vor Anker gegangen. Unser Koch muß eilen, denn jedes Fahrzeug hat zwei hungrige Gesellen mitgebracht. Fünf zehn solcher Burschen mit knurrenden Mägen umringen den Küchenmeister, der von Amts wegen schwitzend und prustend noch am Herde hantiert. Manch grobkörnigen Spaß bekommt er zu hören, und wenn einer der Flößer dem Dicken" zu nah« kommt, so kann es wohl sein, daß dieser ihm, hast-du-nicht-gesehen, einen klatschenden Schlag mit dem großen Rührlössel verabreicht, daß es dem Empfänger in den Ohren brummt, als ob die Saiten einer Baß geige gestrichen würden. Sobald das Essen sertig und verteilt ist, zieht sich die Bemannung eines jeden Floßes mit ihren Rationen in ihre Hütte zurück. Das ist ein sehr notdürftig eingerichtetes Häuschen, kaum so groß wie die Hälfte eurer Stube, und hat dazu noch ein schiefes Dach. Es enthält nur«in einziges Gemach, das den Flößern als Wohn«,- und Schlafzimmer dient. In der Mitte befindet sich ein ganz einfacher Tisch, eine Platte, die auf einem Holzpflock ange nagelt ist. An zwei Wänden entlang zieht sich ein Verschlag, der mit Stroh ausgestattet die Daunenbetten der Flößer darstellt. Es ist aufgetragen worden. Die braunen Gesellen hocken am Tische und schlürfen gierig die dampfende Suppe hinunter. Fleisch und Zu kost lassen sie sich nicht minder schmecken, und das mitgeführte Bier findet guten Zu spruch. Ist dieTafel" vorbei, so geht's an ein Unterhalten. Das hört sich oft wie der größte Höllenspektakel a». Am ersten Abend, den ich auf dem Floß verlebte, habe ich dabei fast etwas wie Furcht gespürt. Die Flößer mit ihren sonngebräunten Gesichtern, struppigem Haar und Bart und ihren abgewetzten Kleidern brachten mir im Dämmerlicht des engen Hülten- raums die gruseligsten Räubergeschichten in Er innerung. Aber ehe ich mit mir eins darüber geworden war, ob ich mich als Opfer fühlen sollte, das statt ins Wasser in eine Mörder grube gefallen war, oder als Held, der sich kühn in die abenteuerlichsten Gefahren stürzt, gewann ich wieder kühles Blut. Und nun sah ich die Flößer, wie sie waren: als ehrliche, treuherzig« Menschen, mit denen man gute Kameradschaft schließen kann. Warum ihre Unterhaltung gar so lärmend ausfällt, wurde mir bald klar. Sie sind an das gellende Rufen gewöhnt, mit dem sie sich wegen der großen Entfernung von einigen hundert Schritten tagsüber verständigen müssen. Sitzen sie dann abends in dem kleinen Hüttenraum eng ge drängt nebeneinander, so schreien sie gerade so laut, und wenn einer dem anderen nur etwas ins Ohr wispern möchte. Nicht allzu lange halten vergnügte Geschichten die Flößer wach, einer nach dem anderen von ihnen be zieht seinBett" im Verschlag, denn in der Frühe, sobald der Nebel weicht, schwimmen die Flöße weiter den Strom hinunter. Draußen in der Küche bei rötlichem Feuer schein hat noch lauge der muntere Koch herum- gewirtschaftet. Er hat das Geschirr gewaschen und mahlt jetzt im voraus die braunen Bohnen zum Frühstückskaffee. Der schmeckt etwas rauh. Wohl sind die Bohnen gut, aber der Kaffee muß mit Slromwasser angebrüht werden. Denn bis hinunter nach Aschaffenburg  , wo die zahlreichen Jndustrieorte beginnen und mit ihren übeldustenden Abwässern die Strom flut verunreinigen, wird das Kochwasser aus den blaugrünen Wellen geschöpft. Brrr! Da schaudert's euch! Ihr denkt an all das Getier, das im Flusse lebt, an all den Unrat, den dieser mit sich führt. Aber beruhigt euch. Die