Für unsere Kinder 189 Bögelchen der Flußlinie, mit allen feinen Schraffierungen der Bergzüge nicht zeigen. kann, das ist die mutwillige, überschäumende Kraft, mit der der Main sich in den tollsten Windungen zwischen den Bergen durchdrückt und durchschlängelt; das ist der Glanz und Tanz seiner Wellen und die Lieblichkeit seiner Ufer; das ist der Wechsel zwischen schroff auf steigenden und sanft geschwungenen Gipfeln und die düstere Pracht der riefigen Wälder, mit denen sie bedeckt sind. Da müßt ihr schon einmalsparen", wenn ihr etwas zu sparen habt, euer Ränzel schnüren und euch das herr liche Land ansehen. Die dunklen Hänge, des Spessart tragen viele helle Flecke: das find Rotsandsteinbrüche, die prächtiges Baumaterial liefern, wie ihr schon wißt. Zahlreiche Burgruinen krönen seine Höhen. Die Spessartgipfel mußten im Mittelalter die adligen Herren geradezu an locken, hier ihren Horst zu bauen. Weil die Höhen schwer zugänglich waren, so boten sie auch guten Schutz gegen belagernde Feinde. Der unten vorüberrauschende Strom aber war eine Straße, auf der reich beladene Fracht schiffe dahinzogen und fette Beute versprachen, und in den Städten am Ufer sammelten Hand werker und Kaufleute Reichtümer an. Wie viel könnten nicht die Berge, die Trümmer haufen erzählen von wilder Tapferkeit und Blutvergießen, von Raub- und Rachezügen! Die Sage hat ihre bunten Fäden um die waldigen Bergkuppen und alten Ritterneste gesponnen. Auch nach dem Mittelalter noch haben die Höhen und die düsteren unheim- lichen Waldgründe deS Spessart Krieger, Räuber und die Phantasie angezogen. Die merkwürdigen Abenteuer des jungen Simpli- cissimus, von denen ihr manche kennt, haben sich zum Teil im Spessart zugetragen. Der früh verstorbene schwäbische Dichter Wilhelm Hauff hat eine spannende Räubergeschichte geschrieben:Das Wirtshaus im Spessart ". Und wie viele gruselig« Erzählungen gehen im Volke um. An diesem Spessart vorüber ging unsere Floßfahrt. Das Städtchen Lohr , wo wir geankert hatten, liegt gleichsam an der öst lichen Eingangspforte zu dem wildromantischen Waldgebirge. Von da aus trieben wir anderen Morgens mit den silberglänzenden Wellen in den leuchtenden Tag hinein. Wilde zerrissene Bergkluften mit finsteren Waldgründen glitten am rechten Ufer an dem entzückten Auge vor über. Jäh stiegen die mit Laubwald bekleideten Berge auf, von deren steilen Gipfeln sagen umwobene Trümmerhaufen zerfallener Burgen herunterschauten. Solch eine malerische Ruine ist die des einstigen Schlosses Rotenfels. Als wir weiterfuhren, stahlen sich die ersten Strahlen der Morgensonne durch die öden Hallen und gespenstig grinsenden leeren Fensterhöhlen. In den gewaltigen Rotsandsteinbrüchen an den Bergen regten sich viele hundert fleißige Hände. Hier finden die armen Spessartbewohner einen dürftigen Verdienst. Schwer ist ihre Arbeit und gefahrvoll noch obendrein. Man muß die Männer gesehen haben, wie sie in sengender Sonnenglut bald mit weitausgeholten, wuch tigen Schlägen, bald mit geduldiger, zäher Ausdauer den Stein brechen, bohren, sprengen, verladen. Man fühlt dann, daß Menschenkraft und Menschenblut an den Steinen hängt, an denen wir so oft achtlos vorüberschreiten. Auf langen Kähnen, sogenanntenSteinschisfen", werden die gebrochenen und zugehauenen roten Sandsteine stromauf- oder abwärts geschleppt. Die Besitzer der Steinbrüche sind reiche Leute, die Männer, die die Steine brechen, behauen und verladen sind arme Teufel. An welch elenden Hütten zog nicht unser Floß vorüber. Und dann die Kinderl Sobald sie in manchen ärmlichen Dörfern nur von weitem des Floßes ansichtig wurden, galoppierten sie eiligst ans Ufer. In armselige Lumpen gehüllt, erhoben die barfüßigen Jungen und Mädchen bittend die Arme, chre Augen blickten ängstlich, und mit dem lautesten Tone ihrer zarten Stimm« riefen sie uns ihr Sprüchlein über den Strom: Flößer, bitte gib mir ein Stück Brot, ich bete ein Vaterunser, daß du glücklich hinunter kommst!" Die Flößer, die wissen, wie Hunger tut, lassen keines der Kinder vergeblich rufen. Gegen Mittag kam unser Floß an Homburg vorüber. DaS ist ein steil aufsteigender, wild zerklüfteter Burgfelsen, um ivelchen sich male risch die Häuschen des kleinen OrteS gruppieren. Auf dem Felsen entspringt eine starke Quelle, welche nacheinander sieben Mühlen treibt, ehe sie sich nach kurzem Laufe in den Riain ergießt. Den schönsten und interessantesten Anblick ge nossen wir an diesem Tage, als wir in später Nachmittagsstunde das badische Städtchen Wertheim passierten. Es liegt am linken Ufer des Mains, dort wo die Tauber in diesen ein mündet, und wird von einer imposanten Schloß- ruine überragt. Wertheim , das heute etwa 4000 Einwohner zählt, war im Mittelalter der Hauptort der freien Grafschaft gleichen Namens. Die Grafen von Wertheim haben