Für unsere Kinder

Nr. 7ooooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo 1910

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Inhaltsverzeichnis: Neujahrswunsch. Bon Lud-| fluchen. Aber ungehört wird Segen und Fluch wig Uhland.( Gedicht.)- Um die zwölfte Stunde. verhallen; die Zeit hat feine Ohren. Körper­Von Jürgen Brand. Neujahr in der Druckerei. los und seelenlos, und doch ewig gegenwärtig Von ed. Johanna Sebus. Von Wolfgang geleitet sie alle unsere Schritte, beschert uns Goethe.( Gedicht.). Etwas über die Entstehung Freuden und Leiden und zuletzt den Tod. Aus der Schrift. Von Anna Blos  . Der Bär und Herr Spatz. Von Emma Dölt. ihren Fesseln gibt es fein Entrinnen.

der Fuchs. ( Gedicht.)

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Neujahrswunsch.

Von Ludwig Ubland.

Man kann in Wünschen sich vergessen, man wünschet leicht zum Überfluss, Wir aber wünschen nicht vermessen, Wir wünschen, was man wünschen muss: Denn soll der Mensch im Leibe leben, So brauchet er sein täglich Brot, Und soll er sich zum Geist erheben, So ist ihm seine Freiheit not!

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Um die zwölfte Stunde.

Seit Jahrtausenden flutet der Menschenstrom über die Erde: Menschen in Purpur und Her­melin; fie tragen eine Krone auf dem Haupte, und ihre Füße stehen auf den Nacken ihrer Stlaven; andere Menschen in schwarzen Ge­wändern, die ihren Göhen Häuser bauen und um den Erdball ein Netz ihrer Herrschsucht spinnen; Menschen im Doftorhut, die Stirn in Falten gelegt, die wie der Doktor Faust durchaus ergründen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält"; endlich Menschen in schlechten Kleidern, aber mit starten Armen und schwieligen Händen: Stlaven, Leibeigene, Arbeiter, ein unabsehbares Heer. Unaufhörlich flutet der gewaltige Strom vorüber, Männer, Weiber und Kinder; unaufhörlich sinken links und rechts die Gestalten der Eilenden tot zu Boden; aber die Lücke schließt sich sofort, und über die Leiber der Gefallenen wälzt sich der Strom weiter.

Und doch hat das graue Gespenst der Zeit, das alle Menschen gefesselt hält, nicht ver­mocht, ihren Willen zu brechen! Sie alle wollen etwas! Und setzen ihren Willen in die

Eben hat die Uhr elf geschlagen; die letzte Stunde im alten Jahre hat begonnen. Diese Stunde ist voll Spannung; alle erwarten ein großes Ereignis. Nur die alte Wanduhr weiß nichts davon; sie geht ihren Gang, der Zu­Tunft entgegen, mit immer gleichem Schritt- Tat um! Riesenwerte erstehen unter ihren immer gleichem Schritt- bis auch fie eines Tages abgelaufen ist. Auf der Straße wird es still; für eine kurze Zeit verstummt das dumpfe Tosen der Großstadt, das ich sonst bis spät in die Nacht auf meiner stillen Stube vernehmen kann. Diese Stunde gehört zu den Augenblicken, in denen der Mensch eine Frage frei hat an das Schicksal".

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Ich lösche die Lampe aus. So kann ich um so besser dem Schicksal in seine tiefen Augen blicken. Die Gedanken schweifen zurück in den hinter uns liegenden Zeitraum, dem wir vor Jahresfrist mit gleichen Fragen und gleichen Erwartungen gegenüberstanden. Damals wuß­ten wir nicht, ob das verflossene Jahr uns Antwort und Erfüllung bringen würde. Jeyt wissen wir es. Dem einen hat es reiches Glück gebracht, dem anderen Enttäuschung und Un­heil; der eine wird segnen, der andere wird

Händen, Werke von höchster Schönheit und stolzester Kraft. Vieles Gewaltige lebt; nichts ist gewaltiger als der Mensch." Fort, du graues Gespenst der Zeit! Sieghaft brennen auf allen Höhen die Feuer des Menschen­geistes. Wir werden die Erde erobern!

Wie Wolkenschatten über eine Gegend im Sonnenglanz, so fällt ein dunkler Schatten über das Bild der Menschheit. Wo tönnten die Menschen sein, wenn alle nach einem Ziele strebten? Aber seht die Fürsten   und die Priester, sie wollen herrschen. Ihre Spuren durch die Jahrtausende sind mit Strömen von Blut be­deckt, das vergossen ward in mörderischen Schlachten, auf Blutgerüsten und Scheiter­haufen. Und seht die Reichen unserer Tage! Ihre Maschinen zermalmen die Knochen unserer Brüder; in ihren Fabriken siechen unsere Mütter und Kinder babin; in ihren Bergroerten schlafen