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Für unsere Kinder

stand damals eine Schriftweise, die nach ihren Schöpfern Mönchschrift, nach ihren ecigen, spigen Formen gotische Schrift genannt wurde, und aus der unsere heutige Druck­schrift hervorgegangen ist. Daneben bildete sich eine andere, etwas weniger verschnörkelte, etwas flüssigere, die sich schneller schreiben ließ, sie ist gleichsam die Mutter unserer heu­tigen Schreibschrift.

deuten, die ihnen von dem Walten der himm-| Jahrhunderts herausgebildet haben. Es ent­lischen Mächte raunten", das heißt geheimnis­voll flüsterten. Priester und Seherinnen er forschten aber die göttlichen Geheimnisse aus der verschiedenen Lage von Buchenstäbchen, in welche die Runen eingeritzt waren, und die sie zur Erde warfen. Denn die Buche war viel mehr der Lieblingsbaum der alten Deutschen  als die Eiche und auch viel verbreiteter als sie. Von diesen Buchenstäbchen ist der Name Buchstabe für unsere Schriftzeichen geblieben, und darauf, daß sie gesammelt oder zusammen­gelesen werden mußten, damit sie gedeutet werden konnten, ist der Ursprung des Wortes lesen zurückzuführen. Noch heute finden sich die Runen in Stein geritzt auf den alten Hünen­gräbern, Altarsteinen usw. Mit den Buchen­stäbchen und Buchstaben hängt natürlich auch das Wort Buch" zusammen. Auf die Stäbe aus Buchenholz müssen wir auch zurückgehen, wenn wir die Bedeutung des Stabreims", die Dichtform der alfen Germanen verstehen wollen. Unsere Altvordern hatten feinen Reim in ihren Dichtungen und begannen dafür die be­tonten Worte einer Verszeile mit dem gleichen Buchstaben. Also die gleichen Stäbe" fehrten wieder. Ein Beispiel vom Stabreim geben die folgenden Verse von Rückert:

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Roland der Ries am Rathaus zu Bremen  , Steht er im Standbild standhaft." Die Sprödigkeit des Materials des Buchenholzes, in das die Runen gerigt wurden, hat bewirkt, daß diese Schriftzeichen die ursprünglichen Rundungen verloren, die wir zum Beispiel bei den alten römischen Buchstaben finden. Ihre Formen wurden ge­brochen, eckig. Dennoch kann man bei einem Vergleich zwischen i, t, b, h und anderen noch die Verwandtschaft mit den römischen Laut zeichen erkennen. Auf die Entwicklung unserer Schriftzeichen hat das Runenalphabet teinen Einfluß ausgeübt. Mit der Ausbreitung des Christentums ward es immer mehr zurück­gedrängt und geriet in Vergessenheit, ehe es Gemeingut aller altdeutschen Volksgenossen geworden wäre. Die Sendboten des neuen Glaubens bekämpften die Runen als der heid­nischen Wahrsagerei und Zauberei dienend. An ihre Stelle traten die Buchstabenformen, also Lautzeichen, die aus verschiedenen Arten lateinischer Buchstaben und ihrer Umbildungen hervorgegangen sind. Für unsere deutsche Schrift sind die Wandlungen am wichtigsten geworden, die sich im Laufe des dreizehnten

Lange blieb die Schrift ausschließliches Eigentum der Geistlichen und besonders der Mönche, die sie mit Pinseln, Schilfrohr oder Federfiel kunstvoll auf Bergament austrugen, das aus gegerbten Tierhäuten hergestellt wurde. Karl der Große   sah ein, wie viel überlegener die Geistesbildung der Römer und Griechen der seiner rauhen waffenkundigen Franken war. Er war daher der erste deutsche Fürst, der den Versuch machte, Schulen zu gründen, wenigstens für die Kinder seiner Hofleute. Er selbst lernte noch als älterer Mann die Feder führen und Schriften entziffern, und mit seinen Bemühungen, die Bildung des Volkes zu för­dern, hat er sich ein viel größeres Verdienst erworben als durch die blutigen Kriege, die er geführt hat, und in denen er unzählige un­schuldige Menschen töten ließ.

Aber erst nach der Herstellung von Papier  in Deutschland  , die zuerst im dreizehnten Jahr hundert erfolgte die Erfindung des Papiers geht auf die Chinesen zurück, die es bereits gegen das Jahr 100 n. Chr. verwendeten-, und mit der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johann Gutenberg   von Mainz   im fünf­zehnten Jahrhundert wurde die Kunst des Lesens und Schreibens den weiten Schichten des Voltes zugänglich. Heute gibt es bei uns nur wenig Menschen, die nicht lesen und schreiben fönnen. Eine unendliche Macht ist durch die Kenntnis des Lesens und Schreibens in unsere Hände gegeben. Wir können dank ihrer unser Wissen außerordentlich vermehren. Alles kann uns genommen werden und ver­loren gehen, aber das, was wir gelernt haben, ist unser unantastbares Eigentum. Lesen und Schreiben ist also ein Mittel, unverlierbaren inneren Reichtum zu erwerben, es ist ein Mittel, euch eine schneidige Waffe zu schmie­den für die Kämpfe, die das Leben auch für euch bringt, denn Wissen ist Macht".

H

Anna Blos  .