Für unsere Kinder großes Aufsehen, und zwar nicht nur in der Heimstätte, wo sie als Gast weilt«, sondern auch auf der ganzen Pflanzung, ja sogar oben im Herrenhaus. Aber niemand staunte die Fremde mit so offenkundiger Bewunderung an, wie Nosie. Die hellere Hautfarbe der Tante und die Pracht ihrer schönen Kleider, ihr selbstbewußtes Auftreten, ihre gewandte Unterhaltung und vor allen Dingen ihr« Er zählungen von ihrer nordischen Heimat ver setzten Rosie in unaufhörliches Staunen. Ihr war die schöne Tante eine verzauberte Prin zessin aus dem Märchenland«. Diese kindliche Bewunderung ging der Bewunderten zu Herzen. Tante Cally hatte keine eigenen Kinder, und seit dem Tode ihres Mannes war ihr das Leben leer und freudlos erschienen. So währte es nicht lang«, und ihr Herz wandte sich in mütterlicher Liebe ihrer kleinen schwarzen Nichte zu; bald erkannte sie, daß sie nichts tiefer schmerzen würde, als sich wieder von dem Kinde trennen zu müssen. Rosie," sagte sie eines Tages,möchtest du mit mir nach New Jork gehen, um dort die Schule zu besuchen?" Rostes Augen glänzten. An der Schul« lag ihr zwar nicht viel, aber der Gedanke zu reisen, die weite Welt jen seits der Pflanzung zu sehen, der erfüllte sie mit freudiger Erregung.Wie gerne möchte ich, Tante," rief sie rasch. Die Zustimmung ihrer Mutter zu der Tante Plan war aber nicht so leicht zu gewinnen. Obgleich die Negerin eine Schar von Kindern hatte, so daß der enge Raum der kleinen Blockhütte so voller Buben und Mädel war, wie das be nachbarte Feld voller Kürbiffe, so mochte sich ihr Mutterherz doch von keinem trennen. Ihre Schwester erklärte ihr nun ausführlich, wie gut es für Rosie sein würde, eine sorgfältige Erziehung zu erhalten, sie versprach auch, daß sie das Mädchen jedes Jahr aus einige Wochen nach Hause bringen werde. Schließlich kam sogarMissus " vom Herrenhaus herunter, um ihr zu sagen, daß sie ein Unrecht täte, ihres Kindes Lebensglück im Wege zu stehen. Da gab die Mutter endlich nach, die Tante durfte Rosie mit nach New Jork nehmen. Im Triumph führte Sallq ihren kleinen Schützling von dannen. Die Negerkinder kletterten auf den Zaun, um den beiden nachzusehen, und schwenk- tm jauchzend ihre zerrissenen Hüte, bis der Wagen im Staube der Landstraße chren Blicken entschwunden war. Lang« konnten sie sich nicht darüber einigen, wer glücklicher ausgesehen habe, Tante Sally oder Rosie. Hätten dieselbe« Kinder die beiden zwei Monate später sehen können, so hätten sie ge funden, daß Tante Sally immer noch glück lich aussah; aber was für eine Veränderung war inzwischen mit Rosie vor sich gegangen! Das wilde, lebhafte Kind war ernst und scheu geworden, und das war so gekommen: Die lange Eisenbahnfahrt und die ersten Tage in New Jork waren für Rosie wie ein Mär chen gewesen. Alles Seltene, Neue, was sie sah, nahm sie gefangen. Sie hatte zwar keine Spielgefähtten wie daheim, aber mit der Tante auszugehen, die prächtigen Schaufenster zu be ttachten oder am Fenster lehnend in die bunt belebten Straßen hinunterzusehen, das alles war für sie«in so großes Vergnügen, daß ihr anfangs die Gefährten nicht fehlten. Aber all mählich wurden ihr die Spaziergänge lang weilig, und das große stille Haus erschien ihr kalt und leer. Rosie bekam Heimweh nach den sonnigen Gefilden von Louisiana . Ihre Tante. die wohl mertte, woran es ihr fehlte, sagte ihr:Das wird alles anders Kind, wenn du zur Schule gehst." An einem Septembermorgen führte die Tante Rosie zur Schule. Die erste Schule, an die sich Tante Sally wandte, befand sich in derselben vornehmen Nachbarschaft, in der sie wohnte. Aber hier war kein Platz für Rosie, so hieß es. Der wahre Grund war je doch, daß man das schwarze Mädchen nicht unter den Töchtern der Reichen haben wollte, die diese Schule besuchten. So führte denn Tante Sally ihre Nichte nach einer anderen Schule in einer minder vornehmen Nachbar schaft, und hier wurde sie aufgenommen. Aber auch in dieser Schule war sie das einzige Negerlind, und nun begann Rosies Herzeleid. Schon den ersten Morgen hörte sie Spott und unterdrücktes Kichern und herzlose, beleidigende Reden. Zuerst begriff sie gar nicht, was alle die Mädchen gegen sie hatten, denn sie hatte weder ihnen noch irgend sonst jemandem etwas zuleide getan. Aber allmählich begriff sie, daß man sie wegen ihrer schwarzen Hautfarbe ver spottete, und da empfand sie zum erstenmal den Schmerz, ihrer Rasse wegen verachtet zu wer den. In der Pause versuchte sie mit einigen ihrer Klassengefährtinnen zu sprechen und sich an ihren Spielen zu beteiligen, aber sie er hielt nur beleidigende Antworten oder gar keine Antwort. Die Mädchen wandten sich kalt und höhnisch von ihr hinweg. Schließ lich stand sie in einem Winkel des Hofes allein, während eine Gruppe lachender Mädchen über