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Für unsere Kinder
die Echterdinger merften, daß der Vielfraß nicht mehr am Leben war, kehrten sie in ihr Dorf zurück und bauten die zerstörten Hütten wieder auf. Den toten Riesen begruben sie im Walde neben seiner Schanze. Sie weinten ihm teine Träne nach.
Das mächtige Biereck der Schanze, hinter welchem der Riese hauste, und das Grab, in dem sein gewaltiger Leib bestattet liegt, find noch heute im Walde bei Echterdingen zu sehen. Vielleicht macht ihr einmal eine Reise dorthin und besucht die denkwürdige Stelle. Nach einer Boltssage von Heinrich Wandt . 000
der Riese hauste. Er hatte sich ein großes auch nicht, wie er das anfangen sollte. Als Belt aus Bäumen angefertigt, die er samt den Wurzeln mit Leichtigkeit aus dem Boden gerissen hatte. Darum herum mußten die Echterdinger einen hohen, viereckigen Wall ausführen, der noch heute im Walde bei dem Dorfe zu sehen ist. Das war des Riesen Schanze. Dort lag er den lieben langen Tag, die Glieder wohlig und faul ausgestreckt, und träumte in den blauen Himmel hinein. Warum hätte er auch arbeiten sollen? Zu einer nützlichen Arbeit war er zu faul, und ums tägliche Brot brauchte er sich nicht zu bangen. Dafür mußten die Echterdinger sorgen. Waren die zwei Schweine täglich nicht zur bestimmten Etunde an der Schanze, so hustete der Riese einige Male so start, daß die Echterdinger Hütten drunten wie Grashalme schwankten. War der Tribut dann nicht bald zur Stelle, so fuhr der Unhold wütend aus seinen Träumereien auf, ergriff zentnerfchwere Felsblöcke, die er neben fich aufgespeichert hatte, und warf sie ins Dorf hinunter, daß die Hütten in Trümmer
fielen.
Die armen Echterdinger zerrten lieber ihre letzten Schweine aus dem Stalle und jagten den ganzen Wald ab, als daß sie die Rache des Riesen über sich herausbeschworen hätten. All ihr anderes Vieh tauschten sie in den umliegenden Dörfern gegen Schweine um, damit sie bloß ihrem schrecklichen Vielfraß den geforderten Leckerbissen zutreiben tonnten. Aber der verschlang viel zu viel, als daß die Echterdinger den Tribut auf die Dauer hätten erschwingen können. Zweimal dreihundertfünfundsechzig Schweine, also fiebenhundertund. dreißig Stück verspeiste der Unhold in einem Jahre. Als die Echterdinger weit und breit im Umkreis fein Schwein mehr auftreiben fonnten und sie selbst einer großen Hungersnot entgegengingen, gedachten sie ihrer Not davonzulaufen. Still und heimlich verließen sie über Nacht ihr heimatliches Dorf, ohne ihrem Peiniger Lebewohl zu sagen. Jetzt hustete der Nimmersatt vergeblich. Woh! schwankten die Hütten drunten wie Rohr hin und her, aber keine Schweine wurden zum Walde hinaufgetrieben. Alle aufgehäuften Felsblöcke schleuderte der Riese auf den verlassenen Ort, auch nicht eine Hütte blieb ganz. Half alles nichts! Nicht ein einziges Schwein fam den Berg herauf. Im Dorfe blieb alles ausge storben. Der Riese von Echterdingen mußte am Ende elendiglich verhungern, denn er war viel zu faul, für sich selbst zu sorgen, und wußte
Großes Geheimnis.
Von Robert Reinid.
Es sitzt ein Knab' am Bach Und sieht den Wellen nach. Sie sprudeln und sie rauschen, Er denkt:„ Ich muß doch lauschen Was all die Wellen plaudern." Und' s Knäblein ohne Zaudern Es bückt sich zu dem Quellchen; Da kommt ganz flink ein Wellchen Gesprudelt und gerauscht Was hat es da gelauscht! Doch fann es nicht verstehen, Und eh es sich's veriehen, Bückt es sich tiefer hin Und liegt im Wasser drin. Zum Glücke war der Bach Ganz hell und flar und flach; Schnell sprang der Knab' heraus Und sah ganz lustig aus. Und als ich ihn gefragt, Was ihm der Bach gesagt, Sprach er nach kurzem Zaudern: " Ihr dürft es keinem plaudern. Ein groß Geheimnis ist, Was er mir sagte, wiẞt! Er sagte: Wißt ihr was? Das Wasser, das macht naß!"
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