S3 Für unsere Kinder Weder Eule noch Fledermaus wollten sich den Verweis bieten lassen. Denn klang das nicht ganz so, als ob der verwitterte Kirch turm mit seinen prächtigen Winkeln, Ritzen und Spalten nicht ihnen ebensogut gehörte wie der alten Glocke, die übrigens nicht zum erstenmal einen Ton anschlug, als sei sie die Herrin des Hauses. Und obwohl die Fleder maus nicht gern mit der Eule zusammentraf, und beide sich noch kurz vorher nicht eben freundschaftlich behandelt hatten, fühlten sie sich doch gemeinsam durch daslichtscheue Gesindel" bis ins Innerste getroffen. Sie waren sich daher sofort darüber einig, daß der Hochmut der Glocke nicht schweigend hin genommen werden dürfe, und schimpften dar um vereint aus Leibeskräften. Eine Zeitlang hörte die Glocke das Keifen ruhig an, dann aber riß ihr die Geduld. Nun ist's genug," erdröhnte ihre tiefe Stimme. Wenn ihr elenden Räuber nicht sofort aus hört und macht, daß ihr fortkommt, so..." Was dann?" unterbrachen Eule und Fleder maus sie höhnisch fragend.Dann verkünde ich es der ganzen Welt, daß ihr elende Tage diebe seid, die das herrliche Sonnenlicht nur verschlafen, um im Dunkeln ihre Opfer zu überfallen____"Pfui, eine Angeberin, eine Verräterin," klang es der Glocke so stürmisch entgegen, daß in dem Lärm all ihre Versuche untergingen, sich gegen den schweren Vorwurf deS Verrats zu rechtfertigen. Vergebens suchten ein paar jüngere Glocken, die ebenfalls im Turme hingen und bisher still zugehört hatten, die Aufgeregten zu be schwichtigen. Der Streit wurde schließlich so laut und heftig, daß selbst die Spinnen und Mauerasseln erwachten. Sie waren über die Ruhestörung nicht wenig empört, aber da sie dem nächtlichen Gezücht nicht so recht trauten, hüteten sie sich wohlweislich, ihrem Arger laut Lust zu machen und dadurch ihr Versteck zu verraten. Auch das Moos an der Turmwand war geweckt worden und suchte mit seinem feinen Stimmchen in den Streit schlichtend einzugreifen. Vergebens! Der Zorn der Strei tenden legte sich erst, als eine Dohle, die ihr Nest in der Nähe der Glocke gebaut hatte, kräftig an die Mauer pochte und dringend um Ruhe für ihre schlafenden Kleinen bat. Di« Eule erinnert« sich, daß sie über dem Zank viel kostbare Zeit verloren hatte, die sie besser für ihre nächtliche Jagd gebraucht hätte. Sie warf der Glocke noch einen letzten bösen Blick zu, breitete ihre Flügel aus und ver schwand dann im Dunkel. Die Fledermaus zog sich in ihre Spalte zurück, und bald schliefen die Dohle, die Spinnen, die Mauerasseln; nur die Glocken und das Moos blieben wach. Eine Weile herrschte tiefes Schweigen. Dann fuhr ein linder Windhauch durch die Schallücher des Turmes, und die Glocken erzitterten leise, die alte und auch die jungen. Mußte ich das erleben," summte die alte Glocke seufzend,daß mich solch elendes Nacht gezücht so schwer beleidigt! Ja ja, so ist's mir bisher immer gegangen. Niemand hat mich verstanden, niemand richtig gewürdigt.... Wenn ich zum Leben, zum Kampfe rief, dann kamen sie herbeigeströmt und sangen von Tod und Sterben, von Ergebung und Demut. Ob mein Klang vielleicht nicht der rechte ist, oder ob an ihnen, den Menschen, die Schuld liegt, wer will es mir sagen? Ein einziges Mal nur habe ich den rechten Ton gehabt, doch das ist schon lange, lange her...." Und wieder versank die Alte in Schweigen. Willst du uns nicht erzählen, wie es war?" fragte schüchtern das Moos.Erzähle, erzähle," baten auch die jungen Glocken. Gern," sagte die Alte,also hört: Vor vielen, vielen Jahren, vor Jahrhunderten ich will es nicht nachrechnen, da wohnten da unten Menschen, die nicht frei, nicht ihre eigenen Herren waren. Wie die Felder, Wiesen und Wälder, wie die Bäche und Teiche, wie Gebäude und Vieh waren sie das Eigentum der adeligen Herren, der Ritter und Fürsten , wie auch der hohen Geistlichkeit. O, das war ein« schreckliche Zeit für die Armen! Sie schafften mit Weib und Kind von früh bis spät; im Schweiße ihres Angesichts bestellten sie die Äcker, trieben sie die Mühlen, spannen und webten sie für die, deren Hörige sie waren, und bedienten sie bei der Jagd und bei Fest gelagen. In blutigen Schlachten kämpften sie für ihren Herrn, wenn ihn nach des Nachbars Land gelüstete, oder wenn er seinen Besitz vor feindlichen Angriffen verteidigen mußte. Die Bauen», die ihm mit Leib und Leben zu eigen gehörte»;, litten mit den Ihrigen bitterste Not." Ja, warum beklagten sie sich denn nicht über die Ungerechtigkeit?" flüsterte das Moos. Das hätte ihnen nicht viel geholfen," ant wortete die Alte,denn ihre Herren waren auch ihre Richter____"Das ist aber doch auch jetzt noch nicht viel anders," ließ sich da die Stünme einer der jüngeren Glocken vernehmen. Allerdings," sagte die Alte zustimmend. Doch davon will ich jetzt nicht reden. Unter»