122 Für unsere Kinder der Schreckliche, sei an den Terek gekommen, habe die Altesten vom Greben vor sein Antlitz berufen, ihnen Land diesseits des Flusses ge schenkt, sie zu friedlichem Zusammenleben er mahnt, und ihnen versprochen, sie weder zur Untertänigkeit noch zum Wechsel ihres Glau bens zu zwingen. Noch heute sind sich Kosaken geschlechter ihrer Verwandtschaft mit Tsche- tschenzischen bewußt, und die Liebe zur Frei heit, zum Müßiggang, zu Raub und Krieg bilden die Hauptmerkmale ihres Charakters. Der Einfluß Rußlands äußert sich nur von der ungünstigen Seite durch Zwang bei den Wahlen, durch das Herunternehmen von Kirchenglocken und durch die Truppen, die hier liegen oder hindurchziehen. Der Kosak haßt den ritterlichen Bergbewohner, den Dshigiten, der seinen Bruder getötet hat, instinktiv weniger als den Soldaten, der bei ihm liegt, um sein Dorf zu verteidigen, der ihm aber seine Hütte mit Tabak vollraucht. Er achtet den Bergbe wohner, seinen Feind, er verachtet den Sol daten, der ihm ein Fremder und Bedrücker ist. Eigentlich ist der russische Bauer für den Ko saken ein fremdes, wildes und verächtliches Geschöpf, dessen Vertreter er in den herum ziehenden Hausierern und den kleinrussischen Ansiedlern sieht, welchen der Kosak verächt lich den BeinamenKriecherseele" gibt. Will er sich vornehm kleiden, so ahmt er dem Tscher- kessen nach. Die beste Waffe nimmt er von dem Bergbewohner, die besten Pferde kauft oder stiehlt er bei ihm. Ein tüchtiger Kosak brüstet sich mit der Kenntnis des Tatarischen, und ist er angeheitert, so spricht er selbst mit seinem Landsmann tatarisch. Trotzdem glaubt dieses in diesen Erdenwinkel verschlagene, von halb wilden mohammedanischen Stämmen und Sol daten eingeschlossene christliche Völkchen auf einer hohen Stufe der Entwicklung zu stehen und hält nur den Kosaken für einen Menschen. Auf alles übrige blickt es mit Verachtung herab. Den größten Teil des Tages bringt der Kosak auf den Grenzwachen, auf Kriegszügen, auf der Jagd oder beim Fischfang zu. Er arbeitet fast nie zu Hause. Ein Aufenthalt im Dorfe ist eine Ausnahme von der Regel. Ist er aber da, so führt er ein flottes Leben. Jeder Kosak hat seinen eigenen Wein, und das Trinken ist nicht so sehr eine allen gemeinsame Gewohn heit, als vielmehr ein Brauch, dessen Nicht erfüllung als Absall gelten würde. Die Frau betrachtet der Kosak als ein Mittel zu seinem Wohlstand; nur das Mädchen darf dem Ver gnügen nachgehen, die Frau läßt man vo� ihrer Jugend bis in ihr tiefstes Alter für sich rackern und verlangt von ihr nach orientali scher Auffassung Unterwürfigkeit und Arbeit. Durch diese Anschauung bekommt die Frau, die sich körperlich und sittlich entwickelt, trotz ihrer scheinbaren Demut, wie im ganzen Orient, einen unvergleichlich größeren Einfluß und ein größeres Gewicht im Hauswesen als im Westen. (Ihre Fernhaltung vom öffentlichen Leben und ihre Übung in männlicher schwerer Arbeit geben ihr ein um so größeres Gewicht im Hauswesen.) Der Kosak , der es für ungeziemend hält, in Gegenwart Fremder ein liebevolles oder müßi ges Gespräch mit seiner Frau zu führen, fügt sich unwillkürlich ihrem Übergewicht, wenn er mit ihr allein unter vier Augen bleibt. Das ganze Haus, das ganze Vermögen, die ganze Wirtschast hat sie erworben, erhält sie allein durch ihre Arbeit und Sorgfalt. Obgleich er die feste Überzeugung hat, daß Arbeit für den Kosaken eine Schande ist und nur dem nogai- schen Knecht und der Frau ansteht, hat er doch das dunkle Gefühl, daß alles, was er genießt und sein eigen nennt, die Frucht dieser Arbeit ist, und daß es in der Macht der Frau, seiner Mutter oder Gattin, die er als eine Leibeigene ansieht, liegt, ihn alles dessen zu berauben, was er genießt, überdies hat die beständige männliche schwere Arbeit und die Sorge, die in ihre Hand gelegt ist, der grebenischen Frau einen selbständigen, höchst mannhaften Cha rakter gegeben und ihre physische Kraft, ihren gesunden Verstand, ihre Entschlossenheit und die Festigkeit ihres Charakters ausfallend ent wickelt. Die Kosakenfrauen sind meist stärker, klüger, entwickelter und schöner als die Kosaken. Die Schönheit der grebenischen Frau fällt be sonders durch die Vereinigung des reinsten tscherkessischen Gesichtstypus mit der breiten, mächtigen Gestalt der nordischen Frau ins Auge. Die Kosakenfrauen tragen tscherkessische Tracht: das tatarische Hemd, den Beschmet (tatarischer Halbrock ) und die Tschuwjaks (Fußbekleidung); nur das Kopftuch tragen sie russisch. Prunksucht, Sauberkeit und Reichtum in der Kleidung und in der Ausschmückung der Hütte bildet eine Gewohnheit, ein Be dürfnis ihres Lebens. Im Verkehr mit den Männern genießen die Frauen, besonders aber die Mädchen, vollständige Freiheit. Als der Ursitz des grebenischen Kosakentums gilt das Dorf Nowomlinsk. Hier haben sich mehr als in anderen Dörfern die Sitten der alten Gre- benen erhalten, und die Frauen dieses Dorfes sind von altersher wegen ihrer Schönheil im