Für unsere Kinder

Nr. 18 o oooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo 1912

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Inhaltsverzeichnis: Tells Platte. Von Ludwig Uhland.  ( Gedicht.) Die Lorcheln. Von W. M. -Karl Schurz  ' Flucht aus Rastatt.  ( Forts.)- Der Krautesel  . Von Brüder Grimm  . Wiegen­lied im Frühling. Bon Robert Reinid.( Gedicht.)

Tells Platte.

Don Ludwig Uhland  .

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Hier ist das Felsenriff, drauf Tell aus der Barke gesprungen;

Sich! ein ewiges Mal hebet dem Kühnen sich hier.

Nicht die Kapelle dort, wo sie jährliche Messen ihm fingen,

Nein, des Mannes Gestalt siehst du, wie herrlich sie steht?

Schon mit dem einen Fuß betrat er die heilige Erde,

Stößt mit dem andern hinaus weit das ver­zweifelnde Schiff.

Nicht aus Stein ist das Bild, noch von Erz, nicht Arbeit der Hände;

Nur dem geistigen Blick freier erscheinet es klar;

Und je wilder der Sturm, je höher brauset die Brandung,

Um so mächtiger nur hebt sich die Helden­gestalt.

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Die Lorcheln.

eine Augenfreude, sondern ihr Verkauf sichert ihm auch einen kleinen Verdienst.

Der kleine Paul, von dem ich hier erzählen will, war trotz seiner acht Jahre schon ein eifriger Pilzsucher. Zusammen mit seinem älteren Bruder hatte er oft Pfifferlinge, Stein­pilze und Lorcheln gesucht, je nach der Jahres­zeit. Eines Nachmittags im April fuhr er mit zwei Kühen in den Wald, wo der Vater und der Bruder mit Holzschlagen beschäftigt waren. Er sollte den Wagen hinbringen, damit der Bater am Abend Abfallholz mit nach Hause nehmen konnte.

Die beiden schwarzweißen Kühe schritten ruhig auf dem schnurgerade durch den Wald sich ziehenden Weg dahin. Man brauchte sie nur an Kreuzwegen zu lenken. Singend und jauchzend war Paul in den Wald hineinge­fahren, so fröhlich wie nur ein gesunder Junge an einem Frühlingstage im Walde sein kann. Am Himmel zogen leichte Wolken dahin und bedeckten die Erde mit Schatten. Jedesmal, wenn ein Schatten über Paul hinweghuschte, verfolgte er ihn mit den Augen, so weit er zu sehen war. An dem Kieferngehölz zu beiden Seiten des Weges ließ sich das Spiel, das Sonnenschein und Schatten trieben, gut beob achten. Als aber Paul mit seinem Gespann an eine große Lichtung auf der linken Seite des Wegs fam, vergaß er Sonnenschein und Schatten.

Er ließ die Kühe mit dem Wagen allein weitergehen und machte sich daran, auf dem Plaz, auf dem vor zwei Jahren die Bäume geschlagen worden waren, Lorcheln zu suchen. Eifrig lief er auf dem Schlag herum. Bald hob er mit dem Peitschenstock dürres Reisig vom Boden auf, bald bog er das Heidekraut oder die trockenen Grasbüschel auseinander, in der Hoffnung, versteckte Lorcheln zu finden.

Das Stadtkind, das in der Markthalle oder vor einem Grünkramladen einen Korb voll Lorcheln stehen sieht, geht wohl vorüber, ohne diese frühesten aller Pilze viel zu beachten. Das ist natürlich. Sie sehen nicht mehr schön aus, wenn sie durcheinandergeschüttelt und zer­bröckelt auf den Markt kommen. Auch sind sie teuer und als Nahrungsmittel haben sie wenig Wert, so daß nur reiche Leute sie als Suppen­pilze faufen. Mit ganz anderen Augen be­trachtet sie das Dorstind, das sie auf ihren Stielen in schöner brauner Farbe prangend im, Walde findet. Die Augen eines armen Die Wangen des Knaben färbten sich rot, Dorffindes leuchten auf beim Anblick mehrerer großer Lorcheln, die sich unvermutet seinen Blicken darbieten. Sie sind ihm ja nicht bloß

Die Kühe waren ein gut Stück weiter ge­gangen und wollten bereits am Ende des Schlages im Wald verschwinden. Paul hatte nichts gefunden und lief nun seinem Fuhr­werk nach. Dabei ließ er jedoch seine Augen noch suchend über den Boden schweisen. Plötz­lich stand vor ihm eine schöne, große Lorchel.

feine Augen glänzten vor Freude. Schnell, als fönnte ein anderer ihm zuvorkommen, sprang er zu der Lorchel hin und setzte das