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Für unsere Kinder

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Koblenz hatte uns getäuscht. Das Häuschen war dicht verschlossen, die Fensterläden so­wohl wie die Türe. Wir horchten, aber drinnen rührte sich nichts. Ein rascher Lauf über die Kleine Insel überzeugte uns, daß diese, uns Drei ausgenommen, menschenleer sei. Wir be­gaben uns nun an das dem Elsaß zugekehrte Ufer und, als eben die Sonne aufging, sahen wir drüben zwei Männer einhergehen, die wir bald als französische Bollwächter erkannten. Wir riefen ihnen übers Wasser zu, daß wir Flüchtlinge seien und dringend wünschten, hinübergeholt zu werden. Ohne sich lange bitten zu lassen, bestieg einer der Zollwächter, ein biederer Elsässer, einen kleinen Nachen und brachte uns auf elsässischen Boden. Unsere Waffen gaben wir den Boulbeamten ab und versicherten ihnen unter beiderseitigem Lachen, daß wir sonst nichts Steuerpflichtiges aus Rastatt mitgebracht hätten. Als ich mich nun wirklich in Freiheit und Sicherheit wußte, war mein erster Antrieb, nach dem viertägigen Schweigen oder Flüstern, einmal laut zu schreien. Meinen Schicksalsgenossen war es ebenso zumute, und so schrien wir denn nach Herzenslust, zum großen Erstaunen der Zoll­wächter, die uns für toll halten mochten.

mals still, um unsere Pistolen fertig zu machen| gelandet waren. Wir fanden ein kleines Haus, - ob sie nach der Durchnässung hätten ab- das ungefähr in der Mitte der Insel stand, gefeuert werden können, ist fraglich, denn und das Häuschen eines badischen Bollwächs nach allem, was wir gelitten, waren wir nun ters zu sein schien. So waren wir also noch nötigenfalls zum Außersten entschlossen, um in Feindesland", und der Bootsmann aus uns den Weg zu bahnen. Aber der Ausgang war frei, die Poftentette verschwunden. Das Welschkornfeld lag vor uns. Ein leiser Pfiff von unserer Seite wurde sogleich beantwortet und unser Mann trat aus dem Rorn hervor. Er berichtete uns, daß die Bahn frei sei. Wir schritten rüstig vorwärts, und in weniger als einer Stunde hatten wir das Dorf Stein­mauern erreicht. Unser Freund führte uns an das Rheinufer und zeigte uns einen Kahn, in dem ein Mann fest schlafend lag. Er wurde schnell geweckt, und unser Freund fündigte ihm an, wir seien die Leute, die über den Rhein gesetzt werden sollten. Das tostet fünf Gulden", sagte der Bootsmann, der sich auf meine Frage, wo er her sei, als einen Koblenzer zu erkennen gab. Ich reichte ihm den verlangten Lohn und bot auch noch etwas Geld unserem braven Führer an. Ihr habt mir schon ge­nug gegeben", sagte dieser. Was ihr noch habt, braucht ihr wohl selbst. Ich heiße Augustin Löffler. Vielleicht sehen wir uns im Leben noch einmal wieder. Gott behüt euch!" Da mit schüttelten wir einander die Hände zum Abschied. Wir Flüchtlinge stiegen in den Kahn und unser Freund wanderte nach Rastatt zu rück. Viele Jahre später, als ich minister des Innern in der Regierung der Vereinigten Staaten war, empfing ich eines Tages von Augustin Löffler einen Brief aus einem kleinen Drt in Kanada . Er schrieb mir, er sei nicht lange nach der Revolutionszeit aus Deutsch­ land ausgewandert, und es gehe ihm gut in seiner neuen Heimat. Er habe in einer Bei­tung gelesen, ich sei einer von den drei jungen Leuten, die er in jener Julinacht 1849 von Rastatt an den Rhein geführt habe. Ich ant­wortete ihm, drückte meine Freude über den Empfang seines Briefes aus und bat ihn, wieder zu schreiben, habe aber seither nichts wieder von ihm gehört.

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Nach kurzer Wasserfahrt sette uns der Boots­mann in einem dichten Weidengebüsch ans Land. Es war zwischen zwei und drei Uhr morgens, und da das Gebüsch unwegsam schien, so beschlossen wir, auf alten Baumstumpen figend, dort das Tageslicht zu erwarten. In der Morgendämmerung brachen wir auf, um das nächste elsässische Dorf zu suchen. Bald aber entdeckten wir, daß wir auf einer Insel

Wir waren bei einem kleinen Dorf, Münch­hausen genannt, gelandet. Die Zollwächter fagten uns, daß sich in dem nahen Städtchen Selz viele deutsche Flüchtlinge befänden, und dahin wendeten wir unsere Schritte. Unter­wegs blickten wir einander im hellen Sonnen­lichte an und fanden, daß wir schauderhaft aussahen. Vier Tage und Nächte hatten wir mit durchnäßten Kleidern in Wasser, Schlamm und Staub gewatet und gelegen. Unsere Haare waren von Schmuz aneinander geklebt und unsere Gesichter kaum zu erkennen. Am nächsten Bach genossen wir dann den unbeschreiblichen Lurus einer Wäsche, und so, zu menschlicher Erscheinung hergestellt, erreichten wir bald das Wirtshaus in Selz .

Die dort anwesenden Flüchtlinge aus Baden, von denen keiner in Raftatt gewesen war, hießen uns willkommen und wollten unsere Abenteuer hören. Aber vor­erst stand unser Verlangen nach einem Zuber warmen Wassers, einem Frühstück und einem Bett. Alles dies erhielten wir. Ich schlief vier­undzwanzig Stunden ohne Unterbrechung.