173Für unsere Kinderdtis sind ältere erwachsene Schüler. Wieglücklich war Thomas! Der arme Bauernjunge,der von seiner Alm bisher noch nicht herunter gekommen war, sah auf seiner WanderungWunder über Wunder. Er erzählt:„Als wirüber den Berg Grimsel abends in ein Wirts haus kamen, sah ich zum ersten Mal einenKachelofen. Dader Mond aus die Kacheln schien,glaubte ich, es wäre ein so großes Kalb; dennich sah nur zwei Kacheln, die hielt ich für dieAugen. Morgens sah ich Gänse, deren ich niegesehen hatte; da sie mich anschnatterten, meinteich, es wäre der Teufel, der mich fressen wollte;ich floh und schrie. Zu Luzern sah ich dieersten Ziegeldächer." Dann gings nach Deutsch land hinein, dem Thüringerlande zu. Aberdas Leben war nicht so angenehm, wie Thomassich es ausgemalt hatte. Ohne Hosen undmit zerrissenen Schuhen wanderte er fürbaß.Die kleinen Schützen mußten für ihre großenBegleiter betteln, vor den Türen singen undsogar stehlen; zum Dank dafür wurden sie vondiesen gar jämmerlich gequält und geprügelt.In elenden Ställen und nicht selten unter freiemHimmel mußten sie dieNächte zubringen. Einige male wurden sie von Räubern überfallen, oftauch von bestohlenen Bauern verfolgt und ver prügelt. In Naumburg an der Saale bliebensie ein paar Wochen. Da sie dort aber dieSchule nicht besuchten, wurden sie vom Schul meister dazu aufgefordert. Als das nichts nützte.kam der Schulmeister mit all seinen Schülernnach dem Hause, in dem Thomas und seineKameraden hausten. Diese aber, von der Ge fahr benachrichtigt, stiegen auf das Dach,warfen Steine auf die Angreifer und hieltensie sich so vom Leibe. Als sie darauf vor derObrigkeit verklagt wurden, verließen sie dieStadt, nahmen aber rasch noch einige ge mästete Gänse mit, an denen sie sich unterwegslabten. Weil aber einige Bacchanten sie soschlecht behandelten, verabredete sich Thomasmit einigen anderen und mit Paulus Summer matter, daß sie ihnen entlaufen wollten. Siewanderten nach Dresden. Weil sie aber hierkeine gute Schule und ein Nachtlager voll Un geziefer fansen, ging es weiter Breslau zu.Das war keine angenehme Wanderung.„Unter wegs mußten wir viel Hunger leiden, so daßwir oft nichts als rohe Zwiebeln mit Salz,oft etliche Tage nur gebratene Eicheln, Holz äpfel und Birnen zu essen hatten. MancheNächte lagen wir unter freiem Himmel, daman uns nirgends in den Häusern leidenwollte, wie sehr wir auch um Herberge baten;zuweilen hetzte man die Hunde auf uns." InBreslau fanden sie endlich Landsleute, gutesEssen und auch eine gute Schule. SiebenPfarren gab es, und jede Pfarre hatte ihreeigene Schule. Kein Schüler einer Pfarredurfte in einer anderen Pfarre singen oderbetteln gehen. Tat es einer doch, so ward ervon den Schülern dieser Pfarre arg verprügelt.In Breslau waren damals mehrere tausendfremder Schüler, die sich alle von Almosenernährten. Manche von ihnen waren bereitsüber 20 Jahr dort und immer noch Schüler.Hier in Breslau blieb Thomas längere Zeit.Dreimal lag er krank im Spital, das eigensfür die Schüler da war. Da aber die Bettenvoll Ungeziefer waren, war's kein angenehmerAufenthalt. Unsauber waren auch die Schulenund die Behausungen der Schüler.„Im Winterliegen di? Schützen auf dem Herde inderSchule,die Bacchanten aber in ihren Schlafkammern;den Sommer aber, wenn es heiß war, lagenwir auf dem Kirchhofe, trugen Gras zusammen,und wir lagen darin wie Säue auf der Streu.Wenn es aber regnete, liefen wir in die Schule."Die Schüler führten ein wüstes Leben. Thomaserzählte, daß er oft gänzlich betrunken warund nicht in die Schule gehen konnte. Gelerntward überhaupt nicht viel. In einer Stubelasen zuweilen gleichzeitig neun Lehrer. DieSchüler hörten zu, mußten nachsprechen unddas Gehörte in große Bücher eintragen. Eingedrucktes Buch hatte nur der Lehrer.Thomas und seine Freunde hielten es inBreslau endlich nicht mehr aus; sie wandertenüber Dresden und Nürnberg nach München.Hier kamen sie am späten Abend an. Die Torewaren bereits geschlossen und sie mußten auffreiem Felde bei den Aussätzigen übernachten.Erst am Morgen dursten sie in die Stadt hinein,nachdem si�sich aus einen Bürger, den Pauluskannte, berufen hatten. Nur selten ging Thomashier in die Schule. Er wohnte bei einem Seifen sieder; mit ihm zog er in die Dörfer, um Aschezu kaufen, die der Mann zur Herstellung derSeife gebrauchte. Endlich beschlössen Paulusund Thomas heimzukehren. Nach fünf JahrenAbwesenheit sah Thomas Platter seine Heimatwieder mit ihren schneebedeckten Bergen undgrünen Tälern. Er hatte sich in der Fremdesehr verändert; seine Freunde kannten ihnkaum wieder. Vor allem wunderten sie sichüber seine Sprache. Aus all den Mundarten,die er in den verschiedenen Gebieten gehörthatte, halte er Brocken aufgeschnappt und inseine Sprachweste gemengt.