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Für unsere Kinder
Im Luftballon zum Nordpol.* Im Jahre 1895 entwarf Andrée den Plan zu einer Luftreise, die sich nicht auf die Ostsee beschränken sollte. Das ganze nördliche Eismeer von Spitzbergen bis zur Beringstraße, eine 3700 Kilometer lange Strecke, wollte er durchqueren und, wenn möglich, gerade über den Nordpol fliegen! Es war der kühnste Plan, den je ein Forschungsreisender ersann. Und Andrée hatte so lange und so gründlich darüber nachgedacht, daß er ganz genau berechnet hatte, wieviel jede Schraube und jede Leine seines Luftschiffes wiegen dürfe.
des Meeres oder auf dem Eise hemmen sie die Geschwindigkeit. Der Wind weht infolgedessen schneller als der Ballon fliegt, der nicht völlig frei schwebt, sondern sozusagen noch einen Fuß auf der Erde hat. Durch Aufziehen eines Segels an der einen oder anderen Seite fann man dann den Ballon einigermaßen steuern und ihn rechts oder links von der herrschenden Windrichtung abschwenken lassen.
Die Gondel des Andréeschen Ballons bestand aus Weidengeflecht und war rund, ge= räumig, fest und leicht und mit einem Dach versehen, auf dem die Luftschiffer wie auf einem Balkon, den ein Geländer umgibt, stehen und ihre Beobachtungen machen konnten. Durch eine Lufe ließ man sich in die Gondel hinab, in der zwei Männer ausgestreckt liegen konnten. An der Unterseite des Gondeldaches entlang zogen sich kleine Bücherregale aus Korbgeflecht, und zwei Fenster gestatteten die Aus
Der Ballon sollte aus dreifachem chinesischem Seidenzeug bestehen und auf der Innen- wie auf der Außenseite gefirnißt werden, um von feinen 4500 Rubikmetern Wasserstoffgas möglichst wenig zu verlieren. Sein Durchmesser sollte zwanzig Meter betragen, und oben sollte er eine Haube erhalten, die den Schnee versicht ins Freie. Die Wände hatten eine Menge hinderte, im Neze hasten zu bleiben.
Lange Schlepptaue sollten den Ballon beständig in gleicher Höhe erhalten. Sie sollten aus Kokosfasern hergestellt werden, um auf dem Wasser schwimmen zu können, und mußten voraussichtlich über das Eis viel leichter hingleiten als über Land, wo sie oft an Bäumen und anderen Gegenständen hängen bleiben und dadurch den Ballon manchem gefährlichen Ruck aussetzen konnten. Wenn das halbe Schlepptau auf der Erde liegt und nur die andere Hälfte in der Luft schwebt, so zieht nur diese lettere Hälfte durch ihr Gewicht den Ballon nach unten. Sinkt dieser, so wird der auf der Erde ruhende Teil des Taues immer größer, der Ballon wird dadurch erleichtert und steigt wieder. Die Schlepptaue aber verhindern wieder sein allzu hohes Aufsteigen, denn je länger der in der Luft hängende Teil wird, desto stärker zieht er den Ballon wieder abwärts. Infolgedessen wird der Ballon, so berechnet Andrée, stets in gleicher Höhe über dem Erdboden bleiben.
Die Schlepptaue haben noch einen anderen Zweck. Durch ihre Reibung an der Oberfläche
* Aus Sven Hedin , Von Pol zu Pot( Neue Folge). F. A. Brockhaus, Leipzig 1912. Mit zahl reichen Jllustrationen und Karten. 296 Seiten. 8°. Gebunden 3 Mr. Vom Nordpol zum Aequator" führt uns Sven Hedin in diesem Buche. Klar und anschaulich schildert er Länder und Städte, Menschen
und Tiere und ihre Schicksale. Packende Bilder gibt er aus den Kämpfen, die um die Erforschung und Erschließung unbekannter Gebiete am Nordpol und in Afrika geführt wurden.
Taschen und Ösen zum Unterbringen aller möglichen Dinge. Mit sechs dicken Tauen war die Gondel am Tragring befestigt. Acht siebzig Meter lange Ballaſtleinen hingen herab, um den Stoß abzuschwächen, wenn der Wind das Luftschiff plötzlich heftig auf den Erdboden herabdrücken sollte; sie ließen sich auch kappen, sobald der Ballon so viel Gas verlor, daß er sich mit seiner Belastung nicht mehr in der Luft halten konnte. Alle diese Schlepptaue und Ballastleinen wogen ungefähr tausend Kilogramm.
Andrées Ballon sollte dreißig Tage schweben können. Aber wenn nun Windstille eintrat oder man über das den Pol umgebende Packeis wieder zurückgetrieben wurde? Auch mit dieser möglichkeit hatte Andrée gerechnet und war darauf vorbereitet, den Ballon irgendwo zurückzulassen und den Rückzug auf dem Eife anzutreten. Dazu sollten Schlitten und Schneeschuhe, ein Zelt, ein Segeltuchboot und drei Flinten mit Munition mitgeführt werden, außerdem Proviant auf hundert Tage, der oberhalb des Tragrings in Säcken und Taschen zu verstauen war.
Wie wollte man sich aber oben in der kalten Luft etwas Warmes fochen? Dazu wurde ein besonderer Kochapparat angefertigt, der der Feuersgefahr halber tief unter dem Ballon an einer Leine hängen sollte. Man brauchte nur eine Konfervendose mit Suppe oder Fleisch oder einem Gericht Fisch in den Kochtopf zu tun, die Spirituslampe zu füllen und den ganzen Apparat unter die Gondel hinabzu