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Für unsere Kinder
majestätisch erhebt sich der Adler" aus seinem| sich höchstens drei Wochen in den Wolken Nest!
" Andrée hoch!" erschallt es drunten. ,, Grüßt mir mein altes Schweden !" ruft er mit lauter Stimme, indem er sich über den Rand der Gondel beugt, in die Tiefe hinunter. Mit Schlepptauen und Ballaſtleinen, die im Wasser eine Schaumstraße aufpflügten gleich dem Kielwasser eines Dampfers, schwebte der „ Adler" in nordöstlicher Richtung über die Holländerspitze hin. Ehe er sie hinter sich hatte, sentte er sich einmal bedenklich; vielleicht hatte ihn ein Wind von oben niedergedrückt. Die Gondel tauchte sogar ins Wasser, schnellte aber wieder in die Höhe. Neun Sandsäcke mußten ausgeworfen werden, damit der Adler" nicht die nächsten Klippen streifte. Zweihundert Kilogramm Ballast gingen damit über Bord!
Noch schlimmer aber war, daß beim Aufstieg ein großer Teil der Schlepptaue riß. Damit ging mehr als eine halbe Tonne Ballast verloren! Der ganze Plan, auf den Andrée seine Fahrt aufgebaut hatte, schien vernichtet! Er stand nicht mehr durch die Schlepptaue mit einem Fuß auf dem Erdboden, er schwebte jetzt im freien Luftraum und trieb willenlos vor dem launenhaften Wind!
Der„ Adler" erhob sich denn auch zu ungefähr siebenhundert Meter Höhe. Eine Weile verhüllt ihn eine Wolfe, aber bald wurde er wieder sichtbar. Nach einer Stunde aber verschwand er hinter den Felseninseln im Nordoften in der großen Einsamkeit des Polarmeeres auf immer.
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In ernstem Schweigen begaben sich die Gehilsen der drei Helden wieder an Bord des „ Svenstsund".
Andrées Schicksal.
halten! Aber während dieser Zeit konnte er gewaltige Strecken zurücklegen und an jedem beliebigen Ort innerhalb der bewohnten Gegenden sichtbar werden. Gerade um diese Zeit waren die Walfischfänger und Fischer in den nördlichen Meeren tätig.
Die Spannung stieg mit jedem Tage. An den Nordpol dachte kaum mehr jemand. Wo Andrées Ballon auch landen würde er mußte unstreitig die merkwürdigste Fahrt gemacht haben, von der je ein Mensch auf Erden gehört hatte.
Kaum vierzehn Tage waren verstrichen, als die ersten beunruhigenden Gerüchte die Runde durch die Presse machten. Am 17. Juli wollte ein Holländer den Ballon im Weißen Meer auf dem Wasser treiben gesehen haben! Nachforschungen ergaben aber, daß der Holländer ziemlich sicher einem toten, aufgeschwollenen Walfisch begegnet war.
Dann aber prasselte von allen Seiten her ein Hagel verschiedenartigster Gerüchte nieder. An der Westküste Grönlands hatte man Flintenschüsse vom Meer her gehört; zweifellos hatten Andrée und seine Begleiter sie abgefeuert, die, wie einst die Leute der„ Polaris",* auf einer Eisscholle südwärts trieben. Hörte man auf einem Schiff in der herbstlichen Dunkelheit Eismöwen oder Krabbentaucher schreien, so war das natürlich Andrée, der draußen in seinem Segeltuchboot auf den Wellen treibend um Hilfe rief!
Und wie viele der Nachbarn des Nordpols wollten den Ballon mit eigenen Augen gesehen haben! Die biederen russischen Pelzhändler und Bauern bis tief nach Sibirien hinein wollten es feierlich beschwören, daß sie den„ Adler" über diesem oder jenem Dorf erblickt hätten. Mit welcher Spannung wartete die ganze Auf Sachalin , der Insel der Verbannten im Welt auf Nachrichten von Andrée, und wie fernen Osten, hatte man ihn stumm und gearbeitete der Telegraph, als bekannt wurde, heimnisvoll über die fahlen Felsen treiben daß der kühne Mann aufgestiegen und nach sehen. Sogar die Indianer Nordamerikas Norden hin verschwunden sei! Auf der ganzen wollten ihn beobachtet haben. Erde gab es taum eine Zeitung, die nicht spaltenlange Beschreibungen dieses verwegenen Aufstiegs gebracht hätte. Allenthalben Bewunderung und Staunen! Wie mag es wohl ablaufen? fragte jedermann. Man holte seinen Atlas hervor und betrachtete nachdenklich die Landmassen um das Polarmeer. Wie lange wohl konnte der Südwind anhalten und wo würde der Ballon voraussichtlich wieder auf tauchen? So wie der Adler" aufgestiegen war, konnte er der allgemeinen Ansicht nach
* Im Jahre 1873 wurde das Schiff ,, Polaris" bei Nordwestgrönland stark vom Eise bedrängt, so daß man bereits Boote und Lebensmittel auf das Eis schaffte. Da barst im Sturme das Eis und 19 Mann der Besatzung der„ Polaris" wurden auf einer Eisscholle von dem Schiffe fortgerissen. Sie Eisscholle, auf der sie acht Monate lang nach Süden bauten sich Hütten aus Eis und Schnee auf ihrer trieben. Schon begannen im Frühling große Stücke von der Eisscholle abzubrechen, und bereits waren sie über die Südspitze Grönlands hinausgetrieben, als sie von einem Schiff gerettet wurden.