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Für unsere Kinder

Mephistopheles  . Du wirst es früh genug er­fahren. Doch weil du's zu wissen begehrst, so höre: Die Qual der Verdammten ist so groß, daß die armen Seelen eine Leiter von scharf­geschliffenen Schermessern zum Himmel hinauf steigen würden, wenn sie noch Hoffnung hätten. ( Fauft bedeckt die Augen mit der Hand und stürzt ab. Man hört 8ant und Lärm in der Hütte Kasperles. Die blaue Tür fliegt auf, Kasperles Frau jagt Kasperle mit dem Besenstiel hinaus.)

Kasperle( singt):

Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen, Meine Frau hat mich geschlagen. Folgt meinem Rat, nehmt feini nicht, Daß euch nit wie mir geschicht.

Elf ist der Klock, elf ist der Klock. ( Geht die Straße weiter, in der Ferne hört man ihn seinen Gesang wiederholen.)

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Faust( tritt auf). Du bist gerichtet." Gerichtet - das heißt verurteilt. Doch zu welcher Strafe? Wie, wenn es nur zum Fegfeuer wäre? Schreck liche Hoffnung, doch eine Hoffnung.( Die Turm­

uhr schlägt Mitternacht.)

Dumpfe Stimme von oben. Fauste! Fauste! In aeternum damnatus es!*

Fauft.

Ich bin vernichtet! Auf ewig vernichtet. Ich bin verdammt von wegen meiner Sünden, Ich höre Straf und Tod ja die Sentenz an

fünden.

Wohlan, so kommet her, ihr Furien der Höll, Und führet mit euch fort die längst verworfene Seel.

Berreißt, zerfleischt den Leib, zerquetschet alle

Glieder,

Werft den verfluchten Leib in Lüften auf und

nieder.

Führt ihn einmal empor durch grause Klüfte

fort,

Damit er bald gelang an der Verdammten Ort; Ja ja, er eilt, er kommt, er rast mit großem

Brüllen, Um seine Höllenwut in meinem Blut zu stillen. Verloren bin ich nun, das ist der Sünde G'winn; Weh meiner armen Seel, sie ist auf ewig hin!

( Die Hölle öffnet sich. Feuerwerk geht an.)

Brecht, Himmel; Sterne, fracht; spritzt schwefel­blaue Flammen, Ihr Lichter jener Welt; ihr Berge, fallt zu fammen Und werft den ganzen Grund der harten Erde

ein!

Oweh! Ich sinke schon und fühl der Hölle Bein. ( Er sinft zusammen. Eine Menge Teufel erscheint und führt ihn unter Feuerregen von dannen.)

* Du bist in alle Ewigkeit verdammt.

Kasperle( erscheint an seiner Haustür). Was hat's denn hier gesezt? Puh, wie das stinkt! Das hat meinem alten Herrn gegolten! Hab mir gleich eingebild't, daß es so kommen müßt. ' s ist mir aber doch leid, daß ich's nit ein bisser! voraus gewußt hab. Hätt ihm- gern noch einen Gruß an meine Großmutter auf­getragen.

Hört, ihr Herrn, ich mein's nur gut, Seid vor dem Teufel auf der Hut! Er hält nicht, was er euch verspricht, Bis er euch gar den Hals zerbricht. Zwölf ist der Klock, zwölf ist der Klock. ( Der Vorhang fällt.)

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Der Hahnenbalken.

Es war einmal ein Zauberer, der stand mitten in einer großen Menge Volfes und vollbrachte seine Wunderdinge. Da ließ er auch einen Hahn einherschreiten, der hob einen schweren Balken und trug ihn, als wäre er federleicht. Nun war aber ein Mädchen, das hatte eben ein vierblättriges Kleeblatt gefunden und war dadurch klug geworden, so daß kein Blendwerk vor ihm bestehen konnte, und sah, daß der Balken nichts war als ein Strohhalm. Da rief es: Ihr Leute, seht ihr nicht, das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da trägt." Alsbald verschwand der Zauber, und die Leute sahen, was es war, und jagten den Herenmeister mit Schimpf und Schande fort. Er aber, voll innerlichen Zornes, sprach:" Ich will mich schon rächen." Nach einiger Zeit hielt das Mädchen Hochzeit, war geputzt und ging in einem großen Zug über das Feld nach dem Orte, wo die Kirche stand. Auf einmal tamen sie an einen stark ange­schwollenen Bach, und war keine Brücke und fein Steg, darüberzugehen. Da war die Braut flint, hob ihre Kleider auf und wollte durch­waten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spöttisch: Gi, wo hast du deine Augen, daß du das für ein Wasser hältst?" Da gingen ihr die Augen auf, und sie sah, in einem blaublühenden Flachsfeld stand. Da daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten sahen es die Leute auch allesamt und jagten sie mit Schimpf und Schande und Gelächter fort. Brüder Grimm  .

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