Für unsere Kinder

Nr. 21 ooooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo 1915

Suyaltsverzeichnis: Das Kornfeld. Gedicht von Johannes Trojan . Im hohen Korn. Die Müllkatze. Von Ernest Seton Thompson. ( Forts.) Drei Stabiosen. Gedicht von Karl Gerok . Eine Hundegeschichte. Von E. Riederich.Teufel Rätsel. Von Eduard Mörike .

und Näherin.

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Das Kornfeld.

Was ist schöner als das Feld, Wenn die Halme all die schlanken Leise schwanken

Und ein Halm den andern hält.

Bad

Wenn im Korn die Blumen blühn Leuchtend rot und blau dazwischen Und sich mischen

Lieblich in das sanfte Grün.

Wenn es flüsternd wogt und walit, Lerchen sich daraus erheben,

Drüber schweben

in feinen Wolken schwebt er über das Meer der zitternden Halme. Das ist fein Staub, wie ihn der Wind auf der Landstraße hochwirbelt. Nicht einmal ein Feldweg ist dort drüben, wo er aufsteigt. Ahrenfeld grenzt an Ahrenfeld , höchstens daß ganz schmale Grasraine sie von­einander trennen. Und doch ist's Staub. Frei­lich einer von besonderer Art: Blütenstaub.

Der Roggen blüht. Viele tausende blühende Ahren neigen sich vor dem Wind. Seht sie euch nur an! Aus all den Ahren hängen zarte Fädchen heraus, die kleine Beutelchen tragen. Es sind die Staubfäden, die den Blütenstaub enthalten. Wie winzige Pendel schwingen sie im Lufthauch und entsenden bei jeder Bewegung kleine Wölkchen des befruchtenden Staubes, die Pollen. Neben den Staubfäden lugen aus den Spelzen die weißen Narbenfederchen hervor, sie sind bereit, den Pollen aufzunehmen. Nun. fann im Fruchtlnoten die Samenbildung vor sich gehen. Der Wind ist es aber, der den Liebesboten spielt und die Grüße der Staub­fäden zu den wartenden Narbenfederchen hin­überträgt. Der Roggen wie auch die anderen Getreidearten sind windblütig, wie sich der Botaniker ausdrückt. Hier sind es nicht wie Johannes Trojan . bei größeren und farbenreicheren Blumen die Insekten, die diese Arbeit besorgen, sondern die bewegte Luft trägt den befruchtenden Staub von Blüte zu Blüte. In wenigen Stunden sind die Staubbeutelchen leer und die Narben befruchtet.

Und ihr Lied herniederschallt!

Dann den schmalen Pfad zu gehn Durch das Horn- welch eine Wonne! nur die Sonne,

nur die Lerche kann uns sehn.

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Im hohen Korn.

In der Herrgottsfrühe sind wir aufgestanden. Gerade als die ersten Spatzen von den Dächern piepsten und die rosenroten Morgenwölfchen über den blanken Himmel segelten. Als die Sonne aufging, hatten wir die Stadt schon hinter uns. Weit dehnten sich die grünen Korn­felder vor unseren Augen, dahinter grüßte uns der stille, dunkle Wald. Hier diese mannshohen Halme mit den schlichten, mageren Ahren sind der Roggen, aus dem das wohlschmeckende Schwarzbrot gebacken wird. Der Feldweg führt hindurch wie durch seine lebende Mauern. Kommt, auf dieser Anhöhe wollen wir Um­schau halten.

Wie ein Meer steht das Getreide vor uns. Mit der aufgehenden Sonne ist auch ein leichter Wind aufgesprungen, in dem die schlanken Halme sich nun biegen und neigen. Anmutig wiegen sich an ihren Spizzen die jungen Ahren. Und auf einmal erhebt sich ein dünner Staub,

Während wir den Bestäubungsvorgang be obachteten, ist die Sonne höher und höher ge­stiegen. Der Ostwind, der bisher die Ahren nur leicht streichelte, bläst immer heftiger. Tief beugen sich die Halme, und wie Wellen läuft es über die graugrüne Fläche. Wie kommt es nur, daß die schwachen, dünnen Halme bei diesem starken Auf und Ab nicht knicken, nicht brechen? Bis zu zwei Meter erreicht ihre Höhe, und doch ist ihr Durchmesser kaum ein halb 3entimeter. Das heißt also: der Halm ist 400 mal länger, als er dick ist. Welche Kraft muß da in dem dünnen Stengel stecken! Co­gar der berühmte Pariser Eiffelturm darf sich an Festigkeit des Aufbaus nicht mit dem ein­fachsten Grashalm messen. Er hat 300 Meter Höhe, dafür aber auch einen eisernen Unter­bau, der ein Quadrat von 130 Meter Seiten­