Der untenstehende Aufruf enthält keine Andeutungen darüber, ob die Frauenfrage auf dem österreichischen Frauentag vom bürgerlichen oder vom proletarisch- sozialistischen Standpunkt aus behandelt werden soll.
Trotzdem oder gerade deswegen würden wir es mit Freuden begrüßen, wenn auf demselben Delegirte der deutschen Arbeiterinnen zusammen mit österreichischen Genossinnen die letztere Auffassung mit aller Schärfe vertreten möchten. Denn Desterreichs Proletarierinnen, welche in letzter Zeit so klassenbewußt und zielklar in die allgemeine Arbeiterbewegung eingetreten sind, werden sich die Gelegenheit sicher nicht entgehen lassen, auf dem Frauentag das Banner des Sozialismus aufzupflanzen, der allein das Zeichen ist, in welchem die Befreiung des weiblichen Geschlechts erfolgen kann.
An alle Frauen und Freunde der Frauenfrage!
Der für Desterreich projektirte Frauentag findet zu Pfingsten am 5., 6. und 7. Juni 1. J. in Wien statt.
Der erste Tag( Pfingstsonntag) ist dem Bildungswesen gewidmet. Bürgerschullehrerin M. Schwarz, Schulvorsteherin E. Baranius, Volksschullehrerin R. Blondein, Bürgerschullehrerin F. Urschla, Vizepräsidentin M. Boßhardt v. Demerghel, Schriftstellerin J. v. Troll- Borostyani werden darüber referiren.
Am zweiten Tage( Pfingstmontag) wird über die Berufsthätigkeit der Frau verhandelt werden, wozu Volksschullehrerin M. Mussill, Med. Dr. R. Kerschbaumer, Krankenpflegerin Baronin K. v. Rosen, Dr. phil . 3. Daszynska, Jda v. Metz, Ottilie Turnau Referate zugesagt haben. Ueber die, die Frauen interessirenden politischen Fragen wird am dritten Tage unter anderen auch Reichsrathsabgeordneter E. Pernerstorfer sprechen.
Da der Kongreß, an welchem auch Herren theilnehmen können, auf Grund des§ 2 der Vereins- und Versammlungsgesetze einberufen wird, ist ohne Karte der Zutritt zu den Berathungen nicht gestattet; das Komité nimmt unter der Adresse Fr. O. Turnau, IX./I., Porzellangasse 26, Anmeldungen bis Mitte Mai entgegen. Zur Deckung der Kosten des Frauentages werden für jede Karte( giltig für alle drei Tage), nach Erhalt der= selben 50 Kreuzer erhoben....
Für Unterkunft und sonstige Begünstigungen der von auswärts kommenden Gäste wird das Komité nach Möglichkeit Sorge tragen.
Durchdrungen von der Nothwendigkeit, daß auch die österreichischen Frauen sich endlich einigen, um in die mächtige Bewegung einzutreten, welche bereits den Erdball umspannt, und welche die Emanzipation unseres Geschlechtes bezweckt, rufen die Unterzeichneten ihre Mitschwestern zu zahlreicher Betheiligung am Frauentage auf, dessen Devise lautet:
,, Durch Erkenntniß zu Freiheit und Glück!" Dr. phil. 3ofie Daszynska, Schriftstellerin, Polen . Auguste Fickert , Lehrerin, Wien . Anna Frisch, Geschäftsfr., Wien . Minna Kautsky , Schriftstellerin, Wien . Med. Dr. Rosa Kerschbaumer, Leiterin der Augenheilanstalt Salzburg. Jda Edle v. Metz , Private, Wien . Marie Mussitt, Lehrerin, Wien . Irma v. Troll- Borostyani, Schriftstellerin, Salzburg . Ottilie Turnau, Private, Wien . Marie Völkt, Hebamme, Wien .
Internationaler sozialistischer Arbeiter- Kongrek in Bürich 1893.
Das Organisationskomite des Züricher sozialistischen Arbeiterfongresses für das Jahr 1893 giebt bekannt, daß am 10. Januar dieses Jahres in Zürich zur Ausführung des Brüsseler Beschlusses die Zentralfomites des Schweizerischen Grütlivereins, Winter thur , des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Zürich , und der Schweizerischen sozialdemokratischen Partei, Basel , getagt und das Organisationskomite gewählt haben.
Das Bureau des Organisationskomites für den Internationalen sozialistischen Arbeiterfongreß 1893 besteht aus den Herren: Karl Bürkli , Präsident. Robert Seidel, Sekretär. August Mert, Kassier.
Vertreter der Sozialdemokratischen Partei: J. R. Jäger. X. Karrer. D. Lang. R. Seidel. A. Widmer.
Vertreter des Grütlivereins: K. Bürkli . H. Greulich . F. Häfeli. A. Jlg. J. Vogelsanger.
Vertreter des Gewerkschaftsbundes: E. Beck. C. Conzett. A. Lüthi. K. Manz. A. Merk.
An alle Gewerkschaften und sozialistischen Parteien, welches die Richtung der letzteren auch sonst sein mag, sofern sie nur die Nothwendigkeit der Arbeiterorganisation und deren Bethätigung an der Politik anerkennen, richtet das Komite die freundliche Einladung, im Sommer 1893 ihre Vertreter nach Zürich zu senden.
Um die nothwendigen Vorarbeiten für den Kongreß so rasch als möglich zu beenden, ersucht es alle Arbeiterverbände, baldigst ihre Adressen und bis Ende Juni 1892 ihre Anregungen und Anträge für die Tagesordnung ihm zukommen zu lassen und zwar unter der Adresse des Sekretärs: Robert Seidel , Zürich ( Schweiz ).
Aus den eingehenden Anregungen und Anträgen und den vom Brüsseler Kongreß zugewiesenen Fragen wird in Kurzem eine vorläufige Tagesordnung zusammengestellt und bekannt gegeben.-
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Es wäre wünschenswerth, daß der obigen Aufforderung entsprechend, auch aus den Reihen der Arbeiterinnen, aus der Mitte der Arbeiterinnenorganisationen Anregungen und Anträge zur Tagesordnung des nächsten internationalen Arbeiterkongresses hervorgingen. Gerade durch diese Art des Mitwirkens an den Arbeiten des bevorstehenden Züricher Kongresses, durch den Charakter der eventuellen Vorschläge vermögen die Arbeiterinnen zu zeigen, daß sie sich ihrer Klassenlage und Klassenpflichten bewußt geworden, daß sie alle Sonderbestrebungen bei Seite lassend, eingetreten sind in das Heer des für seine Befreiung kämpfenden Proletariats.
Ungenannte Heldinnen.
Wenn die Frauen eines Landes, so genießen Deutschlands Frauen den sehr zweifelhaften Ruhm, in dem Haus ihre Welt zu finden, in fleinlichen Kochtopfinteressen, im plattesten Alltagsleben, in den Tücken des freundnachbarlichen Klatsches aufzugehen, den Pulsschlag der Zeit nicht zu vernehmen.
Soweit sich das Urtheil auf die deutschen Bürgerfrauen bezieht, da hat es seine Richtigkeit. Wenn wir von sehr vereinzelten weißen Raben, wenn wir von den wirthschaftlich zu Grunde gerichteten Schichten des Mittelstandes absehen, deren Frauen und Töchter sich einem Beruf widmen müssen, und die in Folge der scharfen Zugluft der Brotsorgen wachgeschüttelt worden sind zum Interesse an der Allgemeinheit, zum Verständniß neuer Aufgaben, so leben die deutschen Frauen der bürgerlichen Kreise im Großen und Ganzen in einem geistigen und moralischen Phäakenthum dahin, so legen sie großen Ideen und Zielen gegenüber Engherzigkeit, Selbstsucht und Beschränktheit an den Tag, so saust der Flügelschlag der sozialen Entwicklung ungehört an ihrem Ohr vorüber. Wesentlich anders liegen dagegen die Dinge hinsichtlich der proletarischen Frauenwelt. In den letzten Jahrzehnten sind viele Tausende deutscher Proletarierinnen dem häuslichen Herd entrissen und in die Fabrik verpflanzt worden; die mit dem Leben und Weben im Hause verbundene Enge des Blicks hat weiteren Horizonten weichen müssen. Die noch im Kreise der Ihrigen waltenden Arbeiterfrauen werden durch drückende Existenzsorgen gezwungen, ihr Interesse dem öffentlichen Leben zuzuwenden, in dessen Vorgängen und Erscheinungen ihnen die Ursachen entgegentreten, welche ihre eigensten persönlichen Verhältnisse beeinflussen. So erzieht ihre Klassenlage die große Masse der Frauen des werkthätigen Volks zum Interesse an der Allgemeinheit und an den großen die Zeit bewegenden Fragen. In Folge ihrer Klassenleiden lernen sie, sich in erster Linie als Proletarierinnen zu fühlen, d. h. als Angehörige der Klasse, welche aus der Nacht einer dornenvollen, kettenbeschwerten Gegenwart kämpfend emporstrebt zu dem Licht einer schönen, freien, der Menschheit und Kultur würdigen Zukunft. Gewiß, den Proletarierinnen geht jene Bildung„ höherer Töchter" ab, welche nur zu oft eine Talmibildung ist. Sie können nicht mit ihren Kenntnissen auf dem Gebiet der Literatur und Aesthetik prunken, sie peinigen kein Piano, sie pflegen nicht eine Gesangskunst,„ die Stein' erweichen, Menschen rasend machen kann." Allein was ihr Verständniß für die großen, Freiheit und Kultur für Alle in ihrem Schooße bergenden Fragen und Kämpfe anbelangt, was ihr unbezähmbares Bildungsbedürfniß anbetrifft, ihre Fähigkeit, zu Gunsten einer Idee Opfer zu bringen, den persönlichen Vortheil dem Wohl der Allgemeinheit unterzuordnen, so sind die„ liederlichen Fabriklerinnen" und die ,, rohen Arbeiterweiber" ihren Schwestern aus der Bourgeoisie bedeutend überlegen.
Daß sie es sind, haben sie in schwerer Zeit bewiesen, in jenen Jahren des Ausnahmegesezes, das als ein Monument deutscher Schmach in der Geschichte dasteht. Wenn Deutschlands klassenbewußtes Proletariat den Ruhm beanspruchen darf, durch einen nicht seinesgleichen findenden heldenmüthigen, zielflaren und disziplinirten Kampf das Ausnahmegesetz überwunden und zerschmettert zu haben, so haben auch die deutschen Proletarierinnen ihr Theil zu diesem Siege beigetragen. An der Thatsache wird dadurch nichts geändert, daß ihre Leistungen nicht zu denen gehören, welche vom Glorienschein des Ungewöhnlichen und Großartigen umstrahlt in die Augen fallen, von Dichtern besungen, von Geschichtschreibern gepriesen werden.
In schlichter, einfacher Weise haben Frauen und Töchter der Arbeiter jene kleinen, praktischen, oft recht unangenehmen und zu jener Zeit oft sehr gefährlichen Alltagsarbeiten verrichtet, ohne deren Erledigung der Kampf der Sozialdemokratie nicht möglich gewesen wäre. Frauen vermittelten vielfach den Verkehr der Genossen untereinander, besorgten Transport und Zustellung der verbotenen Schriften und Zeitungen, hielten die Kassen der Organisationen, die Unterstützungsgelder für Gemaßregelte in Verwahrung, gaben bei drohender oder eingetretener Gefahr das Alarmzeichen. Wir erinnern uns einer jungen Arbeiterfrau, welche hochschwanger wöchentlich einen schwer