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Unterhalt aufkommen müssen. Er hat nie davon gehört, daß Tausende von Frauen in unglücklichen, um des Brotes willen ohne Neigung geschlossenen Ehen dahinleben. Er weiß nichts von älteren unversorgt gebliebenen" Mädchen, welche bei Verwandten, dem Schein nach großmüthig beschüßt, in Wirklichkeit meist furchtbar ausgenußt, elend und unbefriedigt dahinkümmern. Nie ist er den beiden grotesken und doch so traurigen Typen begegnet, welche im bürgerlichen Leben, in Theater und Konzert, auf Bällen und Promenaden eine stehende Erscheinung sind: der Mutter, die wie der Teufel auf eine arme Seele auf einen Schwiegersohn fahndet und der Tochter, die auf den Mann dressirt" ist. Des Glaubens froh, daß der Frauenwelt in Haus und Familie ein schöneres und glücklicheres Loos zuertheilt ist," als sich in unruhvollem Streben nach wissenschaftlicher Bildung" aufzureiben, hat er wahrscheinlich gegenüber und trotz all der angeführten Thatsachen den genialen Plan in petto, unter der Losung„ Du sollst und mußt heirathen" jedes bürgerliche Mädchen auf dem Wege der Zwangsheirath vor„ sorgenvoller Berufsarbeit" zu schützen.
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Zum eisernen Bestand der Gründe gegen das Frauenstudium gehört bekanntlich der Hinweis auf die körperliche und geistige Unterbürtigkeit des weiblichen Geschlechts. Nichts selbstverständlicher, daß es auch der„ Zentralanzeiger" an einer diesbezüglichen Andeutung nicht fehlen läßt. Nicht nur von frauenrechtlerischer Seite, auch von Bebel *) sind in umfassender und schlagender Weise die betreffenden Gründe widerlegt worden. Und erst kürzlich wieder hat sich eine gewichtige Stimme, die des Professors Dodel**) in Zürich zu Gunsten des Frauenstudiums erhoben. Gestützt auf die 25jährigen Erfahrungen, welche man an der Züricher Hochschule in Sachen des Frauenstudiums gemacht, befürwortet er dasselbe in wärmster Weise. Ziffernmäßig und mit Thatsachen weist er nach, wie erfolgreich, ja zum Theil wie glänzend die Frauen in Zürich ihre Studien absolvirten. Besonders betont er ferner, daß Besonders betont er ferner, daß mit Einfügung des Frauenstudiums„ ein edler Wetteifer zwischen Studenten und Studentinnen" den Fleiß der gesammten Studentenschaft gehoben hat.
Wir glauben indeß, daß ebensowenig dieses Zeugniß, wie Alles, was zu Gunsten des Frauenstudiums geschrieben, die Ansichten des Mannes ändern wird, dem die angeregte Frage in allen ihren Konsequenzen" gegenwärtig ist. Ein französisches Sprichwort sagt:„ Es giebt keinen schlimmeren Tauben, als Denjenigen, welcher nicht hören will." Und als einen Solchen charakterisirt sich der Herr selbst, wenn er in einem Gemisch von sittlicher Entrüftung und naivem Erstaunen ausruft, wie man nur die Frage des Frauenstudiums aufwerfen könne
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,, in einer Zeit, deren Signatur die soziale Frage ist..... und wo die Kundigsten nur von der deutschen Schule und dem deutschen Familienleben das Heil der Zukunft erwarten."
Wir glaubten zu träumen, als wir die letzten beiden geradezu abenteuerlichen Behauptungen lasen. Das Heil der Zukunft er= warten von der deutschen Schule zu einer Zeit, wo eben diese Schule, vom Grunde bis zur Spize, von der Volksschule bis zur Hochschule, durch und durch verstöckert und vertreitschket ist, wo die schon so wie so gefnebelte Volksschule durch den Zedliß'schen Entwurf vollständig zu einer Pflegstätte groben Wahnglaubens und beschränkten Unterthanenverstandes gemacht werden sollte! Das Heil der Zukunft erwarten von der deutschen Schule zu einer Zeit, wo der Ultramontane Reichensperger mit erquickender Offenheit erklärte, daß für die Kinder des Volks andere Kenntnisse als die des Lesens, Schreibens und Rechnens überflüssig, ja schädlich wären, wo der Reichskanzler Caprivi seinen be- rühmten Ausspruch that, er möchte lieber, daß die Soldaten gar nicht lesen könnten, als daß sie sozialdemokratische Zeitungen läsen! Das Heil der Zufunft erwarten von der deutschen Schule angesichts der Thatsache, daß diese von der französischen in vielen Beziehungen weit überflügelt worden ist, und daß sie der Schweizer Schule nicht das Wasser reichen darf! Und was sagen zu der gleich verblüffenden Entdeckung, daß im deutschen Familienleben das Heil der Zukunft
*) Bebel,„ Die Frau und der Sozialismus." **), Frankfurter Zeitung ," Nr. 115 d. J. Erstes Morgenblatt.
liege, während Thatsachen, die starrnackigen Dinger, in sinnenfälltigster Weise zeigen, daß in Deutschland , wie überall, wo der Kapitalismus festen Fuß gefaßt, das Familienleben durch und durch zerrüttet ist und verfällt, wie die wirthschaftliche Grundlage, auf welcher es bisher aufgebaut war? Die Messiasrolle des deutschen Familienlebens, wie wird sie so anmuthig illustrirt durch die Heirathsannoncen, in denen sich Männer und Frauen der besten Stände" in zynischster Weise feilbieten! Durch die Prozesse über Kindsabtreibungen und Kuppelei, durch die Anzeigen, wo, Damen in diskreten Fällen Rath und Hilfe finden!" Durch die Nachrichten von den empörendsten Orgien, welche gefeiert wurden in Leipzig , Nürnberg , Lübeck , Berlin u. a. D. von angesehenen Bürgern, unverheiratheten-die einst würdige Familienväter" werden wie verheiratheten- die bereits sehr würdige Familienväter" sind! Die von sozialen Mißständen erlösende sittliche Macht des deutschen Familienlebens, wie wird sie so gar erhebend bestätigt durch die unzähligen Fälle und diese Thatsache muß dem Verfasser in seiner Eigenschaft als Arzt wohl bekannt sein in denen verheirathete Frauen von ihren Ehemännern mit Syphilis angesteckt wurden! So lafen wir erst fürzlich in einem Artikel von Dr. Prochownit in Hamburg ( ,, Medizinische Wochenschrift " vom 18. Februar 1892), daß von vier Fällen einer besonderen Art von Gebärmuttergewächs, die er behandelte, zwei auf syphilitische Ansteckung der Frauen durch ihre Ehemänner zurückzuführen waren. Auch in den beiden anderen Fällen war das Leiden offenbar syphilitischen Ursprungs. Fast jeder Arzt kann aus seiner Praris von Fällen berichten, in denen echt deutsche Männer ihre Frauen oft viele Jahre nach der Verheirathung mit Syphilis beschenkten. Doch genug. Es giebt Behauptungen, die so ungeheuerlich sind, daß sie sich in ihrer Ungeheuerlichkeit schärfer richten, wie es die schärfsten Worte thun könnten. Das gilt durchaus von den Auslassungen des„ Zentralanzeigers" bezüglich der wunderthätigen Kraft der deutschen Schule und des deutschen Familienlebens.
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Nachdem deren Verfasser in der Löwenhaut„ ernster Bedenken" und schwerer Sorgen" gegen das Frauenstudium herumgespukt hat, läßt er übrigens zum Schluß das Eselsohr ganz gemeiner Konkurrenzfurcht aus besagter Löwenhaut hervorschauen. Mit fast lyrischem Schwung versichert er den Frauen, daß ihnen ein schöneres und glücklicheres Loos" zuertheilt ist als„ die leberfüllung der akademischen Berufe ins Unendliche zu vermehren." Die Furcht vor der lleberfüllung des ärztlichen Berufs, vor einer entsprechenden Verschlechterung seiner Einnahmen, das war des Pudels Kern, der sich hinter den hochtrabenden Auslassungen von Volfsentwicklung, deutscher Forschung und Heil der Zukunft verbarg. Was ist dem Mann eine wahrhaft gedeihliche Volfsentwicklung? Jedenfalls Hekuba . Was ist ihm die Wissenschaft? Offenbar weit weniger „ die hohe, die himmlische Göttin," als vielmehr„ die tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt." Und deshalb wünscht er, daß so wenig Hände als möglich diese Kuh melfen dürfen. Das ist bezeichnend für den Verfasser, bezeichnend überhaupt für die bei weitem große Mehrzahl der Gegner des Frauenstudiums. Das Eselsohr der Konkurrenzfurcht schaut auch bei ihnen aus der Löwenhaut all der Bedenken hervor, welche sie im Namen von Prinzipien und Idealen gegen dasselbe geltend machen.
Die bürgerliche Welt, welche den Kampf Aller gegen Alle proklamirt, beurtheilt alle Fragen nur unter dem engen Gesichtswinkel der Konkurrenz, ohne Rücksicht auf ihre kulturelle Bedeutung. Unter diesem Gesichtswinkel wird auch die Frauenfrage seitens der bürgerlichen Gelehrten fast ausnahmslos beurtheilt. In der auf geistigem Gebiet einen Broterwerb suchenden Frau erblicken sie nur die Konkurrentin, die Feindin. Wie hoch steht auch in der Behziehung die proletarische Welt soweit sie sich von einer bürgerüber der bürgerlichen. lichen Auffassung der Dinge losgerungen Dem flassenbewußten Proletarier ist die auf irgend einem Gebiet mit ihm tonfurrirende Frau nicht die Gegnerin, vielmehr eine willkommene Mitstreiterin in dem Kampfe für jenes Ideal, in dessen Verwirklichung allein das Heil der Zukunft liegt.
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