Arbeiterinnen- Bewegung.

Am 14. Mai fand in Schönlanke, am 15. Mai in Jastrow  je eine öffentliche Versammlung der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen statt, in welcher Herr Stahl( Berlin  ) über die Einführung der Kontrol­schutzmarke in die Tabatindustrie referirte. Beide Versammlungen erklärten sich für die Einführung der Kontrolmarke.

In Wischreihe fand am 15. Mai eine öffentliche Versamm­lung für Frauen und Männer statt, in welcher Herr Wagner über ,, Die Lage der ländlichen Arbeiter" sprach, die Gesindeordnung und deren Handhabung scharf kritisirte und deren Abschaffung forderte.

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Herr Holzhäußer( Hannover  ) sprach am 15. Mai in Verden  in einer gut besuchten öffentlichen Versammlung der Schneider und Schneiderinnen über das Thema: Die Lage der Arbeiter in der Be­kleidungsindustrie." Behufs Verbesserung dieser Lage erklärte sich die Versammlung in Anschluß an die gehörten Ausführungen für eine Organisation der Schneider und verwandten Berufsgenossen.

Eine Versammlung der Schuhmacher und aller in der Schuh­und Schäftefabrikation beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen von Dresden   fand am 15. Mai statt. Dieselbe erörterte die Frage der ,, Stellungnahme zu einer Lohnbewegung" und beschloß, dieses Jahr von einer Lohnbewegung abzusehen, dafür fleißig am Ausbau der Organisation zu arbeiten, um nächstes Jahr in eine solche erfolgreich eintreten zu können.

In Berlin   sprach am 16. Mai Herr Timm in einer gut besuchten Versammlung der Mantelnäherinnen, Bügler und Stepper über Die Frauenarbeit in der Industrie und ihre Bedeutung für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse." Nach dem mit reichem Beifall gelohnten Vortrag referirte Herr Pfeiffer über ,, Lohn- und Werk­stättenverhältnisse" und entwarf auf Grund thatsächlichen Materials ein düsteres Bild der diesbezüglichen Verhältnisse, welche durch die Zwischenmeister noch bedeutend verschlechtert werden.

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Die in der Gold- und Silberwaarenbranche thätigen Arbeiter und Arbeiterinnen von Berlin   hielten am 17. Mai eine öffentliche Versammlung ab, in welcher Herr Roland unter großem Beifall über Robespierre  " referirte.

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Am 18. Mai fand in Berlin   eine öffentliche Versammlung der Gärtner und der im Gärtnergewerbe beschäftigten Arbeiterinnen statt, welche auch seitens der letzteren sehr zahlreich besucht war. Herr Abromeit sprach über das Thema: Die Sonntagsruhe im Gärtnerei­gewerbe." Die Versammlung protestirte in einer Resolution gegen das

Das Veilchen.

Von B. Dulet. ( Fortsetzung.)

Violette war durch diese Mittheilung schmerzlich erschüttert. Sie liebte die gute Madame Lenoir und würde ihren Verlust bitter empfinden zudem, wie sollte sie jetzt etwas verdienen und ihrem franken Papa beistehen? Sie klagte laut ihr Leid.

" Ja, ich kann Dir nicht helfen, mein liebes Kind. Nur das eine kann ich noch für Dich thun: Nimm diesen Karton, es ist eine Garnitur Blumen darin, die Du selbst verfertigt haft. Ich habe im Trubel vergessen sie abzuliefern. Die Dame wollte sie noch heute haben. Gehe selbst hin, überbringe die Blumen, und den Preis von sechzig Francs, der dafür zu zahlen ist, den be­halte Dir. Hier ist die Adresse: Madame de Courterelles, Avenue Friedland, 30. Und nun lebe wohl, mein theures Kind, pflege meinen armen Better Bernard ich hoffe, er wird bald gesund werden und sei glücklich. Nun wird auch Monsieur Ferrol bald zurückkommen ich habe Eure Adresse für ihn zurückgelassen. Nimm den Karton und verlange nur mit Madame de Courterelles selbst zu sprechen, sonst wird Dir das Packet abgenommen und Dit erhältst nicht gleich das Dir so nöthige Geld. Begehre Einlaß... ,, Aber, Madame Lenoir, ich bin so furchtsam..."

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Sei diesmal muthig, Violette, denke an Deinen franken Papa, und nun gehe und Gott mir Dir!"

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Violette nahm unter Thränen Abschied und verließ, um es nie wieder zu betreten, das Haus, welches Jahre lang ihr Heim gewesen. Die arme Kleine. An ihrem Horizonte sah es sehr düster aus- und dennoch wehte es wie Frühlingshoffnungen durch die junge Seele. Das Bild Leons war ihr Reichthum; es hatte ihr die ganze Zeit wie tröstend durch die dunklen Kummer­wolfen geglänzt, die über dem Krankenlager ihres geliebten Pflege­

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Vorgehen der Prinzipale betreffs der Sonntagsruhe und erklärte in einer zweiten Resolution, daß die im Gärtnereigewerbe thätigen Arbeite­rinnen in den bestehenden Gärtnerverband hineingezogen werden müßten.

In Berlin   fand am 21. Mai eine öffentliche Versammlung der Arbeiter und Arbeiterinnen der Posamentenbranche statt, in welcher Herr Jahn über Die Arbeiterbewegung" sprach und zu festem Zu­sammenhalt und gemeinsamen Handeln aufforderte. Die Versammlung erklärte sich mit den Ausführungen des Referenten einverstanden und versprach, dafür einzutreten, daß sich alle Kollegen und Kolleginnen der Organisation anschließen.

Frau Ihrer( Velten  ) hielt in Hanau   gegen Ende Mai mehrere Vorträge, zu denen sich ein zahlreiches Publikum drängte, und die mit stürmischem Beifall gelohnt wurden. Am 20. Mai sprach die genannte Rednerin im Arbeiterinnen- Verein in hochinteressanter Weise über ,, Volksernährung" und wies nach, daß Arbeiter und Arbeite­rinnen sich in Folge ihrer Klassenlage ungenügend ernähren müßten. Besserung könne nur geschafft werden durch ein Steigen der Löhne, für welches die Arbeiter und Arbeiterinnen gemeinsam einzutreten hätten. Die Bestrebungen der Sozialdemokratie und die Interessen der Arbeiterinnen," so lautete das Thema, über welches Frau Ihrer am 21. Mai in einer stark besuchten öffentlichen Versammlung für Frauen und Männer referirte. Oft von rauschendem Beifall unter­brochen schilderte sie die kapitalistische Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft und deren Folgen und zeigte sie, wie nur die Sozial­demokratie ernstliche Besserung und endgiltige Beseitigung aller sozialen Uebel anstrebe. Im Verein Arbeiterschutz   referirte Frau Ihrer am 24. über Falschen und wahren Arbeiterschutz." Mit scharfen Worten kennzeichnete sie die heutige sogenannte Arbeiterschutzgesetzgebung als bloßen Schein, als eine Arbeitertruzgesetzgebung. Die Arbeiterinnen Hanaus senden durch ihre Korrespondentin Frau Ihrer herzlichsten Dank für die am Ort gehaltenen Vorträge.

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In Frankfurt   a. M. fand am 22. Mai eine öffentliche Frauenversammlung statt, in welcher Reichstagsabgeordneter Schmidt über das Thema referirte: Die Nothwendigkeit der Arbeiterinnen­organisation." In Anschluß an den trefflichen, mit reichem Beifall gelohnten Vortrag forderte Herr Diener die Anwesenden auf, an der Kräftigung des Arbeiterinnenvereins zu arbeiten, damit ein Anschluß der graphischen Arbeiterinnen an denselben stattfinden könne.

Am 22. Mai fand in Glogau   die erste sozialdemokratische Versammlung statt, welche auch seitens der Frauen sehr gut besucht war. Herr Stolpe sprach über Die Sozialdemokratie und ihre vaters lagerten; und auch jest wieder, wo Madame Lenoirs Abreise sie ganz stüße und arbeitslos zurückließ, flammerte sie sich an den einen Gedanken-; Madame Lenoir selbst hatte den theuren Namen ausgesprochen, und derselbe tönte tröstend im Herzen des armen Mädchens nach. Sie ging eiligen Schrittes durch die erleuchteten Straßen der Stadt, ihr Karton unterm Arme. Er hat gar keine Nachricht von sich gegeben, aber zur bestimmten Frist würde er kommen, und sie zärtlicher lieben als je, wenn er sie so unglücklich wiederfinden wird. Ach und wie er ihr theuer war ihr theuer war wie sie sich nach seinem Anblick sehnte! Leon, mein Leon," sprach sie halblaut vor sich hin. Bald war sie an der bezeichneten Adresse angelangt. Sie stand vor einem eleganten kleinen Hotel, aus dessen Fenstern heller Schein hinter rothseidenen Vorhängen drang. Mit zitternder Hand zog sie an der Glocke. Ein Diener in großer Livree öffnete die Hausthüre.

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Madame de Courterelles?" frug Violette.

Als der Diener die fleine Gestalt mit dem Karton erblickte, wies er zu einem andern Thore und sagte: Dort ist l'escalier de service."

Ich muß Madame de Courterelles selbst sprechen," sagte die Kleine in so entschiedenem Tone, daß der Diener ihr Einlaß gab. Sie befand sich in einem erleuchteten, mit Blumen reich ver­zierten Vestibul. Eine teppichbelegte Stiege mit vergoldetem Ge­länder führte nach dem ersten Stockwerke. Der Diener trat jedoch in ein Gemach des Erdgeschosses und durch die geöffnete und wieder rasch geschlossene Thür drang der flüchtige Anblick eines luxuriösen Salons und der Klang zahlreicher heiterer Stimmen. Nach einer Zeit fam der Diener wieder zurück und winkte dem Mädchen einzutreten.

Eine solche Pracht hatte Violette weder je gesehen noch ge­träumt. träumt. Es war ihr als schwankte der weiche Teppich unter