die Arbeiterinnenbewegung wirke. Herr Millarg sprach nun in ge­diegener Weise über das angegebene Thema. Am 11. Juni findet bei Jäger, Greiner Weg 29, eine Versammlung statt, in welcher Herr Timm das Referat hält. Für den 18. Juni ist in Moabit  , Peters Gesellschaftshaus, die Nachfeier des 1. Mai geplant.

Die

In Wien   fand in letzter Zeit anläßlich des verschobenen österreichischen Frauentags eine sehr zahlreich besuchte Arbeiterinnen­versammlung statt, in welcher Frl. Dworschat sagte, die Arbeiterin­nen hätten die eingetretene Vertagung nicht zu beklagen, denn für sie sei der richtige Frauentag ein sozialistischer Partei­kongreß. Die Einberuferinnen des Frauentags hätten gefürchtet, daß radikale Worte fallen, daß seitens der Arbeiterinnen die rothe Fahne entfaltet werden würde. Diese wollten nun einmal keinen Kampf gegen die Männer, keinen Kampf der Geschlechter! Die ,, unter­drückten Frauenrechtlerinnen" würden ausgelacht werden, wollten sie in Arbeiterinnenversammlungen ihre Phrasen deklamiren. Arbeiterinnen kennen nur den Kampf von Klasse zu Klasse, den Kampf zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden. Wenn wir," rief die Red­nerin aus ,,, den Bourgeoisfrauen gegenüberstehen, deren seidene Klei­der rauschen und die von Juwelen blitzen, dann fühlen wir uns nur als Proletarierinnen, als die Enterbten, die für Alles Rache nehmen werden.( Stürmischer Beifall.) Wenn die Frauenrechtlerinnen ,, Gleichheit mit dem Manne" wollen, müssen sie auch Gleichheit unter den Frauen wollen und sie müssen in Zukunft ihre Dienstmädchen nicht mehr von 5 Uhr Morgens an zur Arbeit zwingen, sondern selbst arbeiten. Im Vereine mit den Arbeitern erstreben wir die Zertrüm­merung des jetzigen Gesellschaftssystems, und dabei sollen uns Kanonen und Bajonnette nicht fürchten machen." Endloser stürmischer Beifall folgte den Ausführungen, und die Versammlung schloß mit dem Ge­sang des Lieds der Arbeit."

Das Kapitel der Maßregelungen ist wieder um etliche Blätter bereichert worden. Der Redakteur Fleck vom Saalfelder   Volks­blatt" wurde wegen Veröffentlichung eines Artikels Klärt die Frauen auf!" zu 100 Mark Geldstrafe bezw. 25 Tagen Gefängniß verurtheilt. Der betreffende Artikel soll ein Vergehen gegen die öffentliche Ordnung bedeuten. Wenn der Artikel, wie anzunehmen, der nämliche iſt, welcher in verschiedenen Parteiblättern die Runde machte, so ist die betreffende Verurtheilung absolut unerklärlich. Möglich allerdings, daß im schwarzburg- rudolstädtischen Ländchen die öffentliche Ordnung auf so schwachen Füßen steht, daß zu befürchten ist, sie werde durch die Aufklärung der Frauen über den Haufen purzeln. Das Ministerium, auf dessen Denunziation hin die Anklage erfolgte, muß das wissen. In Sorau   will der Polizeikommissar nicht dulden, daß eine Versamm­lung gleichzeitig von Männern und Frauen besucht wird. Gehört der Einberufer einer Versammlung dem starken Geschlecht" an, so weist der Kommissar alle Angehörigen des schönen Geschlechts" aus der Versammlung und umgekehrt. Am 29. Mai sollte in einer von Frau Stephan einberufenen Versammlung Herr Beyer( Kottbus  ) über das Thema sprechen: Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft." Da sich die Vorsitzende weigerte, dem Anfinnen des Kommissars entsprechend die Männer aus dem Saale zu weisen, so löste der Polizeibeamte die Versammlung auf. Gegen das Vorgehen des Kommissars ist Beschwerde erhoben worden.

Frl. Wabniz sollte am 30. Mai vor der 7. Straffammer des Landesgerichts I zu Berlin   erscheinen, um sich wegen Schmäh­ung der christlichen Religion und Majestätsbeleidigung zu verant­worten, deren sie sich in öffentlichen Versammlungen schuldig gemacht haben soll. Die Verhandlung mußte vertagt werden, weil die Ange­flagte nicht erschienen war. Liegt kein triftiger Grund für ihr un­entschuldigtes Ausbleiben vor, so sollen gegen sie energische Maß­regeln zur Anwendung gebracht werden.

Desterreichischer Frauentag.

In Sachen des geplanten österreichischen Frauentags geht uns untenstehendes Rundschreiben zu, das unsere Ansicht von dem unver­söhnlichen Gegensatz zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauen­bewegung und unser Mißtrauen gegen den möchte gern- und- kann- doch­nicht Charakter der bürgerlichen Frauenrechtelei durchaus bestätigt.

Denn der Geist des Frauentags, mit dem sich ein Theil der Referentinnen so ängstlich zu identifiziren scheute, es ist der Geist des modernen Sozialismus, der auf ihm zum Ausdruck gelangt wäre; die Persönlichkeiten, mit denen jene nicht gemeinsam zu arbeiten ver­möchten, es sind die klassenbewußten österreichischen Arbeiterinnen und als Sozialistinnen bekannte Frauen, welche an dem Kongreß Theil genommen hätten.

Der Ausgang erscheint uns weder überraschend, noch bedauer­lich. Er klärt die Situation für wohlmeinende, aber in der Illusion

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befangene Elemente, daß es eine Interessengemeinschaft und Schwester­schaft des gesammten weiblichen Geschlechts gäbe; er zeigt die Un­möglichkeit, im Namen jener vorgeblichen Gemeinschaft einen Misch­masch von Bestrebungen der bürgerlichen und proletarischen Frauen­welt zu organisiren, bei welchem Interessen und Forderungen der letzteren ins Hintertreffen kommen würden. Bürgerliche und prole­tarische Frauenbewegung begegnen sich in einzelnen Punkten, aber sie gehen auf verschiedenen Wegen verschiedenen Zielen zu. Dies auch unsere Ansicht bezüglich der beabsichtigten Gründung eines Allgemeinen österreichischen Frauenvereins." Die Klassengegensätze sind innerhalb der Frauenwelt so scharf zugespitzt, daß der Verein, entweder von bürgerlichen Tendenzen beherrscht, sein Wirken in kleinen Reform­bestrebungen zu Gunsten der bürgerlichen Frauen erschöpft und für die Masse des weiblichen Geschlechts belanglos bleibt, oder aber er wird vom Geist des modernen Sozialismus getragen die Interessen der Berufsarbeiterinnen verfechten, damit aber nothwendiger Weise im Rampf gegen die bürgerliche Gesellschaft eintreten und sich im Rahmen der allgemeinen Arbeiterbewegung einfügen müssen. Wir verweisen bezüglich des verschobenen Frauentags noch ausdrücklich auf die trefflichen Ausführungen Frl. Dworschak's( s. Arbeiterinnen­bewegung).

Der für Pfingsten 1. J. angekündigte Erste österreichische Frauentag mußte plötzlich eingetretener Hindernisse wegen verschoben werden, nach­dem alle Vorbereitungen zu demselben bereits abgeschlossen waren.

Fr. Dr. Rosa Kerschbaumer aus Salzburg  , Fr. M. Boßhardt von Demerghel, Vizepräsidentin des Vereins für erw. Frauenbildung, Frl. Fanny Urschler aus Znaim   und Frt. Marie Schwarz haben ihre Referate vor wenigen Tagen zurückgezogen. Der Ausfall dieser Referate aber würde, da dieselben in letzter Stunde nicht anders besetzt werden konnten, den einheitlichen Bau des Programmes zerstört haben, so daß statt eines in sich abgeschlossenen Ganzen, besonders am ersten Tage, nur unzureichendes Stüdwerk hätte geboten werden können.

Trotzdem das Programm seit vorigem Herbste in aller Händen war, trotzdem seit Ostern 1. J. die Namen der Referenten durch alle Tages­blätter bekannt gegeben worden waren, die oben genannten Damen also mit den Tendenzen und den Zielen des Frauentags vor ihrer Zusage wohl vertraut gewesen sein mußten, begründeten dieselben ihre Absage doch mehr oder minder deutlich damit, daß sie mit dem Geiste desselben sich nicht zu identifiziren, und daß sie mit einzelnen dabei beschäftigten Per­sönlichkeiten nicht gemeinsam zu arbeiten vermöchten.

Da das Komité sich nicht veranlaßt fühlte, weder in Bezug auf den Inhalt noch in Bezug auf die Referenten( mit Ausnahme der Abgefallenen) eine Aenderung eintreten zu lassen, sondern sein Programm nach seinem vollen Umfange aufrecht zu halten denkt, legte es den Stand der Dinge in einer am 25. 1. M. einberufenen Versammlung den in Wien   wohnenden Theilnehmern des Frauentages vor und diese Versammlung sprach sich für Verschiebung des Kongresses und für Gründung eines allgemeinen österreichischen Frauenvereins aus, welcher die Frauen Desterreichs lang= sam für die Ziele der Frauenbewegung vorzubereiten habe.

Der Wahlspruch desselben wird, getreu dem Geiste des an der Ungunst der Zeit und an der Unreife der Frauen gescheiterten Unternehmens lauten: ,, Durch Erkenntniß zu Freiheit und Glück!" Wien  , Ende Mai 1892.

Für das Komité: Auguste Fidert.

Barbara Nikitin- Gendre.

Vereint in ein und derselben Ueberzeugung, zusammengeführt durch den nämlichen Schmerz umstanden im Dezember 1884 in Paris  russische, französische, polnische, spanische, deutsche und holländische Sozialisten und Sozialistinnen ein offenes Grab. So belanglos der Umstand an und für sich erscheint, so hat er doch seine Bedeutung als Anzeichen dafür, wie sich aus der alten Welt mit ihren feindlichen Gegensätzen aller Art eine neue sozialistische Welt herausarbeitet, in welcher es ebenso wenig Platz giebt für die Gegensätze und Vorurtheile der Klassen und Geschlechter, wie für die der Nationalitäten. Die Frau, welche von internationalen Vertretern einer neuen Zeit zur letzten Ruhe gebettet wurde, war gleichfalls ihrem ganzen Fühlen, Denken und Wirken nach eine Bürgerin der sozialistischen   Zukunft, eine Vorkämpferin des sozialistischen   Gedankens.

Die Russin Barbara Nikitin- Gendre gehört zu jener Generation von Frauen, auf welche ihr Vaterland und das weibliche Geschlecht mit Stolz verweisen darf, zu jener Generation von Frauen, welche vom ersten Augenblick an, wo sie selbständig dachten und handeln konnten, eingetreten sind in den Kampf für Wahrheit und Freiheit.

Barbara Nikitin- Gendre wurde 1842 in Kronstadt   geboren. Giner französischen   Emigrantenfamilie entstammend hatte sie von ihren Vor­fahren die Lebhaftigkeit der Gefühle, das scharfe, logische Denken und das zähe Festhalten an dem für wahr Erkannten geerbt. In günstiger und entscheidender Weise wirkte auf ihre erste geistige Entwicklung der Einfluß der Mutter, einer stillen Frau, welche die Lektüre wissen­