Luxus prassen und schwelgen, wird auch der Klassenhaß bestehen als Erzeugniß der Noth und Begehrlichkeit" auf der einen, des Ueberflusses und der Furcht auf der anderen Seite.

Mit den Arbeitern erlangen heutzutage auch die Arbeiterinnen Verständniß und Reife für ihre Aufgabe. Wie diese offenbaren Wie diese offenbaren sie einen geradezu unbezähmbaren Bildungs- und Wissensdrang, der die geistige Trägheit der Bourgeoisie tief beschämt. Sie lernen auf Kosten ihrer Nachtruhe, sie bilden sich, indem sie die härtesten Entbehrungen auf sich nehmen. Das Unternehmerthum verschaffe ihnen durch bessere Löhne und fürzere Arbeitszeit die materielle Voraussetzung, ihrem Bildungsdrang genügen zu können. Es wird sich dann bald zeigen, daß die Arbeiterinnen weniger im Sinnes­rausch und auf dem Tanzboden" ihre Erholung suchen, als wenn die Kapitalisten Einrichtungen" schaffen, die das Mäntelchen heuchlerischer Fürsorge für Arbeiterwohl tragen, aus dem aber in handgreiflicher Deutlichkeit der- Pferdefuß nackten Unternehmer­interesses hervorschaut.

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Arbeiterinnen- Bewegung.

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In Mülheim   a. d. R. referirte am 11. Juni Reichstags­abgeordneter Molkenbuhr vor einem dichtgedrängten Publikum von Männern und Frauen über Sozialismus und Anarchismus." Als der Redner seinen Vortrag beginnen wollte, bemerkte der überwachende Polizeiinspektor ,,, er stelle den Antrag, die Frauen aus dem Saale zu entfernen." Reichstagsabgeordneter Molkenbuhr wies an der Hand des Vereinsgesetzes die Haltlosigkeit dieses ,, Antrags" nach. Darauf drohte der Polizeiinspektor mit Auflösung der Versammlung und stand erst von seinem Ansinnen ab, als ihm der Referent nochmals die ein schlägigen Bestimmungen vorgelesen und erklärt hatte, die Einberufer der Versammlung würden den Beamten eventuell wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt belangen lassen. Der Redner legte darauf in treff licher Weise den grundverschiedenen Charakter von Sozialismus und Anarchismus dar und zeigte, daß der endliche Sieg des ersteren in den wirthschaftlichen Verhältnissen begründet sei.

Am 12. Juni fand in Loswitz bei Bunzlau   eine auch von Frauen gut besuchte Volksversammlung statt, in welcher Herr Thiel ( Breslau  ) über das Thema sprach: Die Sozialdemokratie und ihre Ziele." Die Anwesenden erklärten sich in einer Resolution mit den Ausführungen des Referenten und den Grundsätzen der Sozialdemokratie vollständig einverstanden.

In Memmingen   hielt am 12. Juni der Fachverein der Tertilarbeiter eine öffentliche Versammlung aller in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen ab, in welcher Herr Breder ( Augsburg  ) erstens über Die Lage der Textilarbeiter" und zweitens über Zweck und Nutzen einer guten Organisation" sprach. Mit packenden Worten schilderte Redner die traurigen Verhältnisse der Textilarbeiter und Arbeiterinnen, und überzeugend legte er die Vor­theile einer Organisation dar. Leider wohnten von den 300 Arbeitern und Arbeiterinnen des Ortes nur wenige der Versammlung bei. Der schwache Besuch erklärt sich durch Furcht vor Maßregelungen seitens der Fabrikanten, durch Bauchrutscherei vor diesen, durch Gleichgiltig feit, ja Stumpfsinn den schlechten Arbeits- und Lebensverhältnissen gegenüber. Aufklärung der Arbeiter und Arbeiterinnen, wie sie in Versammlungen und durch die sozialistische Arbeiterpresse geboten wird, und Anschluß an den bestehenden Fachverein der Tertilarbeiter ist dringende Nothwendigkeit, soll sich die Lage von Memmingens Lohnstlaven und Sklavinnen menschenwürdiger gestalten.

Eine öffentliche Versammlung aller im Tapezierergewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen Hamburgs   fand am 14. Juni statt. Herr Grünwaldt referirte über das Thema:" Haben die Gewerkschaften eine Zukunft, und weswegen organisiren wir uns?" Herr Th. Meyer hielt einen Vortrag über Die Stellung der poli­tischen zur gewerkschaftlichen Bewegung." Die Ausführungen beider Redner gipfelten in dem Nachweis der Nothwendigkeit, die gewerk­schaftlichen Organisationen auszubauen und zu kräftigen.

-In Hohenfelde Lägerdorf fand gegen Mitte Juni eine Volksversammlung unter freiem Himmel statt, in welcher Frau Blohm ( Hamburg  ) vor einem zahlreichen Publikum von Männern und Frauen über Das sozialdemokratische Parteiprogramm" referirte. Die Ver­sammlung zollte den zündenden und klaren Darlegungen der Rednerin reichen Beifall.

Am 17. Juni fand in Bant eine von mindestens 800 Personen besuchte Volksversammlung statt, in welcher Frau Henrich- Wilhelmi über Gegenwart und Zukunft" sprach. Die Rednerin widerlegte zuerst in schlagender Weise die gegen die Sozialdemokratie erhobenen

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platten Vorwürfe, die Abschaffung der Religion und der Ehe betreffend, zeichnete dann ein Bild des in der kapitalistischen   Gesellschaft herrschen­den Verfalls und Elends und stellte diesem einen Ausblick auf die Zukunft gegenüber, wie sie im Lichte der sozialistischen   Ideale und Forderungen erscheine. Nicht enden wollender Beifall lohnte die Referentin für ihre Ausführungen.

In Heppens   sprach Frau Henrich Wilhelmi am 18. Juni, in Bremerhaven   am 19. Juni über das gleiche Thema mit dem gleichen Beifall. In erstgenanntem Ort forderte sie in einem Schluß­wort die Männer auf, ihre Frauen aufzuklären und für gleichberechtigt zu halten. In Bremerhaven   erklärte die Versammlung in einer Refo­lution, daß die in der heutigen Gesellschaft vorhandenen Mißstände nur verschwinden können mit Beseitigung der kapitalistischen   und Ein­führung der sozialistischen   Produktionsweise durch die Verwirklichung der Ziele der Sozialdemokratie, für welche einzutreten die Anwesenden sich verpflichteten.

Am 18. Juni fand in Berlin   eine gut besuchte Versammlung der Glaser und aller in der Glasbranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen statt. Frl. Baader referirte über ,, Die Gleichberechtigung der beiden Geschlechter" und wies nach, daß die Arbeiterinnen nach sozialpolitischer Gleichstellung mit dem Manne zu streben hätten, um zusammen mit den Arbeitern auf politischem und gewerkschaftlichem Gebiete für die Befreiung des Proletariats kämpfen zu können. Die Versammlung beschloß Schritte zu thun, damit den in der Glasbranche beschäftigten Arbeiterinnen ermöglicht werde, sich zusammen mit ihren Berufsgenossen zu organisiren.

Herr Zahnarzt Wolf( Berlin  ) sprach am 18. Juni in einer öffentlichen Versammlung zu Hohen- Schönhausen unter reichem Bei­fall über das Thema: Die moderne Arbeiterbewegung und der Staat." Die von Frauen und Männern gut besuchte Versammlung erklärte sich mit den Ausführungen des Redners einverstanden.

In einer großen öffentlichen Versammlung aller in der Seifen­industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen von Berlin   referirte Herr Siegerist am 19. Juni über Die Arbeiter im Kampfe mit dem Kapital" und forderte am Schluß seiner Ausführungen die Anwesenden auf, sich einer Organisation anzuschließen.

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In Forst i. L. fand am 20. Juni eine öffentliche, von ca. 400 Männern und Frauen besuchte Versammlung der Textilarbeiter und Arbeiterinnen statt, in welcher Herr Petersdorf( Berlin  ) über das Thema sprach: Die Organisation als Mittel zum Zweck." Der Redner wies nach, daß der Staat die Organisation der herrschenden und ausbeutenden Klassen sei zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ausbeutung und Versklavung der arbeitenden Massen. Der Organi­sation der Herrschenden und Besitzenden müsse die Organisation der beherrschten und besitzlosen Arbeiterklasse gegenübertreten. Dieselbe habe auf gewerkschaftlichem und politischem Gebiete zu erfolgen. In unbegreiflichem Widerspruch zu seinen eigenen, so flaren Ausführungen in der ersten Hälfte des Vortrags vertrat der Referent im Weiteren die irrige Ansicht, daß der Parlamentarismus eine zwecklose Illusion, und daß der Anarchismus eine Konsequenz des Sozialismus sei.(!!!) Frl. Schmidt sprach am 20. Juni in Nürnberg   in einer Arbeiterinnenversammlung über Zweck und Ziele eines zu gründen­den Frauen und Mädchen- Bildungsvereins." Im Anschluß an ihr treffliches Referat ward die Gründung eines solchen Vereins beschlossen, dem sofort 40 Mitglieder beitraten.

In Crefeld   fand am 20. Juni eine gut besuchte Volksver­sammlung statt, in welcher Frau Rohrlack( Düsseldorf  ) über das Thema sprach: Die Prostitution und die anarchische Produktions­weise." Die Referentin schilderte eingehend, welcher Zusammenhang zwischen unserer heutigen, anarchischen Produktion und der Ueber­handnahme der Prostitution bestehe. Kellnerinnen, Verkäuferinnen, Konfektionsarbeiterinnen, Näherinnen, Arbeiterinnen aller Art werden durch ihre schlechten Erwerbsverhältnisse auf die Prostitution ange­wiesen. Aber auch in den besseren Kreisen" greife die Prostitution um sich, da die Ehe hier meist als Geschäft betrachtet und wie ein Handel abgeschlossen würde. Das denkende und kämpfende Proletariat werde schließlich auch die Prostitution beseitigen, die Frauen müßten an den Kämpfen desselben thätigen Antheil nehmen.

-Am 21. Juni fand in Hamburg   eine öffentliche Versamm­lung der nicht gelernten Arbeiter und Arbeiterinnen statt. Auf der Tagesordnung stand: Stellungnahme zu dem neugegründeten Zentral­Verein der Frauen und Mädchen Deutschlands  ." Herr Sittenfeld bezeichnete die Gründung dieses Vereins als einen, großen Fehler, da sich nach den Beschlüssen des Halberstädter Kongresses die Frauen und Mädchen je nach ihrem Berufe den verschiedenen Verbänden der Männer anzuschließen hätten. Der Verein möge sich auflösen, seine Mitglieder sollten sich dem Zentralverein der Fabrik- und Hilfsarbeiter anschließen. Nachdem viele Redner und Rednerinnen theils für, theils gegen den